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Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden (7): Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden — 1896

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No. 121 - No. 130 (27. Oktober - 18. November)
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https://doi.org/10.11588/diglit.42841#0507

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*

Der „Badifdhe Yolkabote“ er-
ſcheint dreimal wöchentlich.
Verlag und Leitung:
Beidelbers, Hauptfiraße 25.

Telegramm-Adreſſe:
Yolksbote Heidelberg.

. —

Die oögeſpaltene Petitzeile 10 Pfg.






- Preis vierteljährlich

Haus gebracht Ml. 1.25, am Poſt-
ſchalter oder durch unſere Boten
in Heidelberg 1 M. von unſerer
Expedition abgeholt 80 Pfg.
Voſt Zeitungs reisliſte
Ar. 771.











M I27.


* Jahrgang.





DSolitiſcher Teil.
der Cabakban und ſeine geſtenerung!

Mit der Gruͤndung des Reiches wurde auch eine
hoͤhere Beſteuerung des Tabaks ins Auge gefaßt, um dit
Beſteuerung des Salzes fallen zu laſſen.
leitenden Staatemännern konnte es nicht verborgen bleiben,
daß der Tabal eine gute Einnahmequelle für Vieke war
und vielfach auch heute noch iſt. Den eiſten Verſuchen,


ein ſehr hervorragender badiſcher Finanzbeamter in Mann-
heim in einem Gutachten ſcharf und nicht ohne Satire
entgegen. Teilweiſe iſt er mit ſeinen Anſchauungen darch-
gedrungen, teilweiſe leider auch nicht.
Das in der Folge im Jahr 1879 geſchaffene Geſttz
die „Beſteuerung des Tabaks nach dem Ge-
wicht' iſt nun bis heute noch giltig, e& hat ſich faſt
allgemein eingebuͤrgert, wenn auch verſchiedenen Ortes uͤber
zu hohe Steuer geklagt wird. *
Von ſeiten der Reicheregierung wurde zwar dieſe
Steuer durch die geplante Einfuͤhrung des Tabaksmoropol?
(1881) und der Tabakfabrikatſteuer (1893) zu beſeitigen
gefucht, doch beide Vorlagen lehnte der Reichoͤtaß ab.
Auch die verſchledenen Antraͤge auf Erhoͤhung des
Tabakzolles bezw. Ermaßigung der Tabakſtener im Rahmen
des jegigen Geſetzes ſchelte ten, da eben die Unterſchiede
zwiſchen Nord und Suͤddeatſchland zu groß ſind; denn
erſtires hat eine hauptſaͤchlich auf ausltändiſche Ta-
bake, letzteres auf inländsifche (badiſche) Tabake ge-


eine Erhoͤhung des Zolles und noch winiger eine Er-
maͤßigung der Tabakſteuer zu erwarten ſein. *
Wenn au das jetzige Steuerſyſtem ſich allgemein
eingebuͤrgert hat, ſo kann man doch ſagen, daß es außer
den Tabakfabrikanten und Händlern, niemand recht ge-
faͤllt, und hierzu iſt aug aller Grund vorhanden.
Betrachten wir einmal die praktiſche Wirkung dieſer


wirkenden Steuer unzufrieben zu ſein.

— mnm einzelnen Gegenden und Orten wird jahraus
aͤhrein ein ſehr niederer Preis und in anderen wieder
cein ſeht hoher bezahlt, waͤhrend beide Tabellen mit der

gleichen Steuer belaſtet ſind; auf der geringeren Sorte

Tabal ruhen oft 1000/o Steuer, waͤhrend auf den beſten

Tabaken nur 50% , Steuer latten.




Tabelle beigegeben.





—24 — Steuer für Wert des Prozentſatz der
2 S | 3zabhiter dachre fen . des Tabaks | Steuer auf
2 8 Rreis Tabak nach der Iden bezahlten
&— | M | per Zentner Verſteuerung Ankaufepreis
* 18 18 36 100 %/
SX — 18 42 75 00
C 36 18 54 50 9%










bezw. geringen Tabak produzieren, follen den Tabakhau
ganz aufſtecken und ſollen es den Gegenden uͤberlaſſen,
die einen beſſeren Boden dazu haben. Ja das waͤre ſchon
recht, wenn die Bauern nur wuͤßien, was ſie bauen
ſoliten, um ihre Rechnung zu finden. Dem Getreide-
bau iſt durch die Handelsverträge ein Riegel vorgeſchoben,
Hopfen rentiert nicht, und zu Viehzucht — wenn
fie ſich überhaupt lohnt, — gekört wieder Getteidebau.

Faſſe ich mich kurz: eine Gegend mit hoch gewerteten
Guͤtern (wie z. B. die Pfalz) kann nicht ſo von heute
auf morgen den Tabakbau verlaſſen.

In wenigen Jahrzehnten, — wenn es Überhaupt
noch länger als eines Jahrzehntes bedarf — verden
auch die Gegenden, die heute ſozuſagen noch die Blume
des Tabals iiefern und die höchſten Preiſe erzielen, in

Folge des Ausbaues und Raubkaues mit kaͤnſtuͤchem
Dünger ebenſo geringe Tabake liefern und niedere Preiſe
erzielen, wie z. B. jetzt die Pfaͤlztr.

Folgerichtig müßte denn auch dieſe Gegend im Laufe
der Jaͤhre auf den Tabakbau verzichten; ja wo ſoll man

dann noch Tabak in Deutſchland bauen? auf der rauhen

Alp, im Spiſſart oder auf des Schwarzwalds Höhen?

O nein, die Antwort iſt leicht: das Ausland ver-

forgt uns dann ganz mit biefem edlen

Kraut. Das iſt das Ende unſeres heutigen Tabal-


raubbaues und deſſen einfeitiger Befteuerung. In der
heutigen Zeit, wo ſo viele Exiſtenzen in die Proletarier-
klaſſe hinabſinken, duͤrfen wir nicht halb am Abgrunde


teil, es muͤſſen Mittel und Wege gefunden werden, dieſe


Thatkraft anzuſpornen.
Nachſtehend ſei eine Tabelle eingefuͤgt, aus der erſehen
werden kanr, wie bei gleich hohen Tabakpreiſen und einer
gleich hohen Tabakſteuer, die jedoch nicht vone Gewicht,
ſondern nach Prozenten vom Ankaafepreis des Tabaks
erhoben wird, dieſen oder beſſer geſagt, die einzelnen mehr-
eder minderwertigen Sorten belaftet.

e — —





— mn
























Wir fehen hieraus, wie die Prozentſteuer,


Tabalgewichtſteuer,

belaſtet, daß dieſe verſchiedene ſteuerliche Belaſtung nicht
ohne Einfluß auf den Tabakpreis frin wuͤrde, iſt zweifel-
los. In Jahrgängen, wo der Tabak ſchlecht geraͤt und


tiſt recht angenehm fuͤhlber machen. Auch die Tabak-


bel dieſer Beſteurungsart weſentlich höhtre Pteiſe gegen
jeßt erzielem... —
Die Einfuͤhrung der Tabak wert ſteuer könnten bel
gutem Willen der Regierungen keine ſo große Schwierigkeiten
ſich entgegenſtellen, da ſie weder die Jatereſſen der


(Staatekaſſe) ebenſo gut ſeine Rechnung finden könnte.


Geſetz dienen, nur die Erhebungeform der Steuer wuͤrde


Die Landwirte in Norddeutſchland, die im Laufe der


ſeuer und insbeſondere durch die Handelsverträge verletzt
ſahen, haben ſich mächtig geruͤhrt und haben ſich im
Bunde der Landwirte eine große Macht geſchaffen, jetzt iſt
es auch an der Zeit, daß auch dır fuͤddeutſcher Michel er-
wachſt, ehe dir das Fell ganz uͤber die Ohren gezogen iſt,
und fuͤr deine Intereſſen dich mehr ruͤhrſt als ſeither.
Denke, daß der Tabakbau dein Schooß⸗ und au G
Schreckenskind iſt, halte mit deinen Anſchauungen
nicht zuruͤck und trete nach Kraͤften dafür ein, daß dit


werde, das kann erreicht muß erreicht
werden. Wehwald.
Enthüllungen über Enthüllungen.

Die Enthüllungen der „Hamb. Nachr. haben in
die politiſche Lage wie eine Sprengbombe gewirkt. Alle
Zeitungen des In- wie Auslandes beſchaͤftigen ſich in
einem Maße damit, daß daraus ſchon die ungeheure Trag-
weite derſelben hervorgeht, und zwar — wie ſich weiter
ergiebt — zum Vorteil des deutſchen Reiches
un d des Friedeas.

Natuͤrlich werden uͤber die eigentlichen Gruͤnde der
Veröffentlichung die verſchiedenſten Anſichten laut; manche
Blaͤtter wollen daruͤber aus „ſicherſter Quelle? Angaben
erhalten haben, und ſo folgt eine „Enthuͤllung“ der
andern. In der Mehrzahl werden den Leſern wohl
Kombinationen der Redaktion als Thatſachen aufgetiſcht,
und wenn wir im Folgenden einen Artikel wiedergeben,
der ſich in der „Bank und Handelsztg.“ findet,
ſo geſchieht dies, weil derſelbe in weiteſten Kreiſen unge-
heures Aufſehen erregt. Nachdem das Blatt an das
Vermaͤchtnis trinnert hat, welches Kaiſer
Wilhelm I. ſeinem Enkel, dem jetzigen Kaiſer, auf dem
Sterbebette hinterlaſſen hat: „Pflege der guten Beziehungen
zu dem Zaren, faͤhrt es fort:

„Bfleger dieſes Vermächtniſſes war Fürſt Bismarck, der
ſchon einmal, im Jahre 1887, bewies, daß er den ruſſiſchen

werden und


eſſe gleichmaͤßig Deutſchland an Rußlands Seite halten.

Zum anderen Male wollte ſich zu ſolcher patriotiſchen
Thätigkeit Gelegenheit bieten, und Fürſt Bismarck hätte ſie
ſicher wahrgenon men, obwohl er ſchon ſeit ſechs Jahren außer

© Vaahlter @teuerßetr'ag Wert Unterſchied

2 Durchſchnitt auf 50 kg

S | Preis Sab. I 750 des Tabaks zwifchen Ge-

5 |CabeHe D[ 98 7 — — an

S |pr. Zentner 4 — Ankaufspreis) on ffterer

A| 18 |1350 (18}\ 83150 (86)) —450 |<
B 24 I8 (I8%2 (42 — z
C 36 |27 (18))63 659 +9 *
78 | 5850 | 18650 | +450 |3





Reiches Kanzler zu ſein — des Deutſchen Reiches getreuer
E kehard war er geblieben, in dieſem Amte iſt er ſo unab-
ettzbar wie unerſetzlich. Zar Nikolaus IL hatte die Ab-
ſicht, während ſeines Aufenthaltes In Deutſchland
dem Furſten Bismarck in Friedrichsruh einen Beſuch


mann das Gefühl aufrichtiger Verehrung und Zuneigung.


Beſuch iſt unterblieben, auf eine Auregung hin, Die
nicht von niedriger Stelle kam. Wenn der Zar auf die
Erfüllung ſeines Vorhabens und Wunſches verzichtete, ſo
konnte es nur geſchehen ſein, weil ihm von höchſter Re-


zuverläſſig erfahren, iſt das auch der Fall geweſen.
Es iſt ſelbftverſtändlich, daß man in Friedrichsruh, wo


nicht ohne einige Verwunderung entgegennahm. Verwunde ung
ſagen wir, nicht Verſtimmung; denn man kannte ſeinerzeit in


konnte ſie um ſo weniger erraten, als man dort unverbrüchlich
an die Aufrichtigkeit der Verſöhnung mit dem Haiſer glaubt.


bleiben des Zaren die Aiusfuhrung einer vatriotiſchen
Abſicht unmöglich machte, weil ſie dem Fürſten Bis-
marck die Gelegenheit entzog, zum anderen Male auf
einen ruſſiſchen Zaren, auf den Sohn j:Bt, wie vor neun
Jahren anf den Vater, perſönlich einzuwirken und im Inter-
ſſe des Friedens, im Sinne des politiſchen Vermächtniſſes
Kaiſer Wilhelm's I. Deutſchland wiederum an Rußlands
Seite zu ſtellen. *—
Das Unterbleiben des Beſuches des Zaren Nikolaus in


mündlichen Untechaltung zur Ausführung zu bringen.

Die Enthüllungen der Hamburger Nachrichten waren
das Aushilfsmitiei, das das aleiche Ziel ſollte er-
An die Stelle des mündlichen Appells trat
der laute Appell, und zu der Adreſſe des Zaren kam die


Deutſchland gut meinen, an die Verantwortlichen, an die
Räte we an die Beratenen. Die Enthüllungen ſollten einen


zur Einkehr aufzufordern, zur Umkehr in die alte Richtung
der deutſchen und der ruſſiſchen Politik, zur Warnung einer-


politiſchen Vergeſellſchaftung mit England.
An dieſen „Enthüllungen“ mochte Aergernis nehmen,

wer wollte — die Abſicht war die eben angegebene, und die

Wirkung wird hoffentlich dieſer Abſicht entſprechen.“ *
Diefen „Enthuͤllungen“ iſt ein Dementi des


der ſich nicht immer über Jirtuͤmern ethaben zeigt, um-
gehend gefolgt. Et ſchreibt: „Wir ſind zu der Erklaͤrung
ermäͤchtißt, daß weder an Alerhoͤchſter Stelle, noch in
amtlichen Kreifen von einer Abſicht des ruſſiſchen Kaiſers,
den Fuͤrſten Bismarck zu beſuchen, etwas dekannt ge-
worben iſt. Die vorftehenden Angaben uͤber die Gtuͤade,
warum der Beſuch unterblieben ſei, beruhen daher auf
Erfindung. — *
Wir halten es fuͤr muͤſſig, ſich den Kopf daruͤber zu
zerbrechen, ob mit den Enthuͤllungen ein neuer Konflikt


iſt. Wir wuͤrden dies von Herzen bedauern, wie wir


Geiſterkraft des Altreichskanzlers ſo fiuͤy dem Raiche ver-
loren gegangen iſt. Wenn Fuͤrſt Bismarck — trotzdem
er befuͤrchten mußte, damit eire in allerhöchſten Kreiſen
unliebſame Angtlegenheit anzuruͤhren — jene Enthuͤllungen
dem Hamburg'r Blatt anvertraut haben ſollte, ſa kann
man nur annehmen, daß er dies mit ſchwetem
Herzen gethan hat, und daß nur die Größe der
Gefahl, in der augenblicklich das Reich ſchweht, ihn
dazu veranlaßt hat. Thatſaͤchlich haben die Enthuͤllungen
wie ein kalter Waſſerſtrahl in Frankreich gewirkt. Man
traut dert dem ruſſtſchen Freunde nicht mehr recht, da
damit die fraheren Viebenswuͤrdigkeiten Rußland
(vor 1890) ſich nun als ganz bedeutungelos enipuppt
haben.

Daß thatſaͤchlich erſt ſeit dem Fallenlaſſen des
Garantiebertrages durch Caprivi die Annaͤherung Rußlands
an Ftankreich, die dem deutſchen Reiche lehr verhaͤngris
voll werden kann, darauf deuten ſchon die Worte des
Zaren Nikolaus, datirt er juͤngſt in Paris geſprochen, hin:
„1890, das waren die Keime dex heutigen
Freundſchaft! Die „N. Etittiner Ztg.“, welche
ebenfalg „Enthällungen“ aus „beſtinformierter Seite
bringt, teiit mit, baß man im Quixinal zu Rom den
Bismaͤrckſchen Sonderbertrag fuͤr hoͤchſt „vernünftig und
dankenswert“ halte. Dieſer Gewährsmann erklaͤrt als
Urſache der Enthuͤllungen die Treibereien zu Gunſten
Englands, welches bei der bichirigen politiſchen
Konſtellation fuͤrchte, aus Egypten verdraͤngt zu werden
und damit ſeine Weltmachtſtellung zu verlieren. „Das
weiß man in England und daher ſind neuerdings ſtarke
 
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