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Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden (7): Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden — 1896

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No. 121 - No. 130 (27. Oktober - 18. November)
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Der gadiſche Volkabote er-
ſcheuͤ dreimal wöchentlich.
Verlag und Leitung:
Beidelbers, Hauptflraße 25.

Telegramm⸗Adreſſe:
Yolkabote Heidelberg,
Anzeigenpreis: -

Die 5gefjpa tene Petitzeile 10 Pfs.





Expedition abgeholt SO Pfg.

Voſt Zeitungs· reisliſte
* Ur. 771.








7, Zahrgaung.



— Teil.


welche brreits bem Reichetage zugegangen iſt, lautet: —
Iſt der Herr Reichetanzler in der Lage, Auskunft

daruͤber zu geben: * ; }

, 1, Ob bis zum Jahre 1890 ein geheimer Bertrag

zwiſchen dem deuiſchen Reich und Rußland beſtanden hat?

2. Im Falle ein ſolcher Vertrag beſtand, welche Vor-
gaͤnge dazu gefuͤhrt haben, ihn nicht zu erntuern?

— 3, Walchen Einfluß die juͤngſten Veroͤffentlichungen
aͤber dieſe Angelegenhe.t auf die Stellung Drutſchlande
im Dteibund und ſein Verhaͤltnis zu den uͤbrigen euro-
duaͤiſchen Maͤchten geuͤbt hat.“

De Interpellation ſoll vom Grafen Hompeſch
begruͤndet und am Montag voraueſichtlich verhandelt
werden. ; ;
* Die „Hamburger Nachrichtez“ äußern ſich uͤber die-
ſelben folgendermaßen:

„Di: Tragweite unſeres Aitikels beurteilen wir nicht
blos aus der Zuſtimmung, ſondern ein gewichtiges Element
der Beurte lung liegt auch in der Frage: Wer ſind unſere
Gtgner?“

wie ung privatim mitgeteilt wird, in befreundeten Kreiſen
geſagt haben ſoll: „IhH muß doch dem deutſchen Reiche
und der Monarchie gute und wirkſame Dienfie erwieſen
haben, daß die Gegner noch heute, nachdem ich ſechs
Jahre nicht mehr im Diengſte bin, einen ſo rachſuͤchtigen
Haß gegen mich empfinden“. Wir ſind durch dieſes Vor-
gewicht, mit dem die Aufregung über unſern Aritkel ſich
gegen den erſten Relchekonzhr richtet, unſererſeits in einer
behaglichen Deckung geblieben; wir haben wenigſtens
keinen Artikel in Erinnerung, in welchem den „Hamb.
Nachrichten? eine Verſchwörung gegen das deutſche Reich
wegen ihrer Veroͤffentlichung Schuld gegeben wird. Viel-
leicht wird dies noch der Fall ſein, nachdem die Inter-
pellation über die Enthuͤllungen der „Hamb. Nachrichten“


wie es heißt, dort zur Diekuſſion gelangen wird. Die
kompetenten juriſtiſchen Behoͤrden haben bisher keine Neig-
ung zu einem Einſchreiten gegen uns gezeigt; mözlicher-
weiſe wird ſie ein Rtichstagsvotum dazu ermutigen. Wir
ſind volſſtaͤndig darauf gefaßt und werden uns in unſerer
Abwehr der Wuͤrde eines angeſehenen und unbeſcholtenen
Organs der deutſchen Preſſe eniſprechend verhalten.

Die Interpellatlon bezieht ſich in ihren briden erſten
Fragen auf Borgänge unter Kaiſer Wilhelm T. d. h.
auf den Abſchluß des deutſchuſſiſchen Neutralitaͤtsver-
trages nehen dem Dreibunde und auf die Nichternzuerung
dieſes Abkommens durch den Grafen Caprivi im Jahre
1890. Wir glauben, daß die Diskuſſton der Interpellatton,
wenn ſie ſtattfindet, weſentlich nach der letziern Richtung
hin gravitieren wird. Die Mürdhener „Allg. Ztg,.


der erſte Kanzler geknuͤpft und der zweite gelöſt hatte,
war fuͤr den dritten nur eine hiſtoriſche Thatſache, von
der er vielleicht gar keine Kenntnis hatte. Somit bleibt
auch nicht der Schatten eines Mißtrauens an ſeiner
Volitik haften, und die oͤſterreichiſchen Staatslenker werden


laum, daß eine ſo retoſpektive Diskuſſton im Reichstaͤge über


Reichs erwünſcht und richtig war, noch heute einen
lebhaſten Anklang in der öffenklichen Meinung finden
wird. Uns könnte es ja nur erwünſcht ſein, wenn die
Auffaſſung, die wir für die richtige halten, dabei zur
vollen Klarheit und Anerkennung käme, dahingehend,
daß die Regierung Kaiſer Wilhelm I, ſich durch eine
Rückverſicherung des Friedens mit Rußland Anſpruch
auf den Dank nicht aur der Deutſchen, ſondern aller
Friedensfreunde in Europa, einſchließlich der Mitglieder
des Dreibundes, erworben hobe. — Beſonders lebhaft
durfte ſich im Reichstage das Intereſſe herausſtellen, die
Gründe kennen zu lernen, durch welche Graf Caprivi
1890 ſich genötigt geſehen hat, den noch beſtehenden
Draht, der uns mit Rußland verband, abzuſchneiden.
Es wird den etwaigen Erklärungen der Regierung gewiß
leicht werden, der Natien die Beruhigung zu gewaͤhren,
daß bei dieſem Entſchluſſe auswaͤrtige Einflüſſe von
Maͤchten, welchen ein deulſch⸗ruſſiſches Abkommen un-
bequem ſein konnte, nicht wirkſam geweſen ſind. Wir
ſind der Ueberzeugung, daß eine vollkommen durchſichtige
Deffentlichkeit der Verhandlungen und Erwägungen,
welche dabei ſtattgefunden haben können, im Intereſſe









des deulſchen Volkes liegt, und alsFreunden der verfaſſungs-
maͤßigen Inſtitutionen, unter denen wir leben, würde
es uns auch erwünſcht ſein, wenn aus dieſen Erörter-


lichkeit, wie die Verfaſſung ſie uns verſpricht, hervor-
ginge. Die Frage, ob ein mächtiges Nachbarreich wie
Rußland mit uns oder mit unſern Gegnern in Europa
engere Fühlung hat, iſt für die geſamte Bevölkerung
des Deutſchen Reiches eine Frage von hervorragender
Wichtigkeit und nicht minder iſt dies die andere, ob die
engliſche Politik bemüht und im ſtande iſt, auf die
unfıige einen Einfluß zu üben, deſſen Ergebniſſe nicht
unbedingt im 444 des Deutſchen Reiches liegen.
Wir zweifeln nicht, daß die für alle Dentſchen wuͤnſchens-
werte Klarheit hierüber eine beunruhigende Wirkung
auf unſere oͤffentliche Meinung und auf die Anhäng-
lichkeit derſelben an unſere beſtehenden Inſtitutionen
üben würde. Wir werden uns alſo freuen, wenn die
klerikale Interpellation im Reichstage ſie herbeiführt.

— Die Verſchiebung der Berufsſtände im
Deutſchen Reiche.
zählung vom 14. Juli 1895 werden in ihrer Bedtutung
erſt erkannt, wenn man ſie mit denen der Zaͤhlung von

Erwerbsthaͤtigen beruͤckſichtigt ſind, gewaͤhtt hier einen
Einblick: — —

1882 1895
Geſamt⸗Berufsbevölkerung 45222113 51770184
Landwirtſchaft 19225455 18501307 |
Induſtrie 16058080 20253241
Sanl 5 . 4531 080 5 966 845

Trotz der Bevölkerungezunhe von 61/ Millionen
iſt die Ziffer der landwirtſchaftlichen Bevdikerurg um


verigen Jahre der Zaͤhlkreis für ſie weitergezogen war,
alg 1882. Um michr als 4 Millionen iſt die Induſtrie-
bevoͤlkerung angewachſen, jetzt die ſtärkſte Erwerbsgruppe
im Deutſchen Reiche. Auch der Handel hat eine Zu-
nahme von 1400 000 Perſonen aafzuweiſen! Waͤhrend


um tund 4%, gefallen iſt, iſt ſie bei der Induſtrie um
250/o und bei dem Handel gar um 32% in die Hoͤhe
gegangen. Das ſind Verſchiebungen in der wirtſchaftlichen
und ſezialen Beſchaffenheit des Volkskörpers, die um ſo
ſchaͤrfer ihre Wirkungen aͤußern muͤſſen, als ſie in der


ſind. Die Suſaminenſtellung der „L. N. N.“ zeigt uns
freilich ein Bild zum Etſchrecken vom Ruͤckgange der
deutſchen Landwirtſchaft und von der Zunahme der dem


Perſonen. Etwas natuͤrlicher und den fruͤheren Zahlen
mehr eniſprechend erſcheint uns das Wachetum der Induſtrie,


halten, da ſie kuͤnſtlich geſteigert wird und auf Koſten
des platten Landes das unheimliche Wachstum der Groß-
Induſtrie und Grundſtuͤcks-

ſpekulation arbeiten Hand in Hand. Die eine braucht


ihre Metekaſernen haben. In der Stadt (Alt-)Leipztg
waren 1880 von der Bodenflaͤche noch 20 Prozent
Gaͤrten vorhanden, im Jahre 1895 aber nur noch 5 Proz.
Im Jahre 1880 waren von 1000 ſaͤchſiſchen Einwohnern
13,51 im außerdeutſchen Europa geboren, im Jahre 1890
So geht es im Schnellſchritt weiter.
Das platte Land wird entvoͤlkert, es herrſcht Arbeiter-
mangel, es wird Platz geſchaffen fuͤr einwandernde Polen.
Die großen Städte hingegen wachſen zuſehends und
tilden mit ihrem Arbeiteruͤberfluß und ihren verzwickten
ſozialen Verhaͤltniſſen die guͤnſtigſten Brutſtaͤtten fuͤr das
Verbrechen jeder Geſtalt. (O. S.Bl.


enthaͤlt in der amtlichen Statiſtik des deutſchen Reichs
N. %. 77, II IS, 19, erweckt wieder einmal ihre all-
jaͤhrlich gleichbleidenden Bedenken. Danach kamen auf
100,000 Strafmundige üb.rhaupt 1197,2 verurteilte
Chriſten und 1042,7 Juden. Der Grund zu dem Ueber-
wiegen der Chriſten liegt in den haͤufigeren Verurteilungen
wegen einfacher (Chr. 68,6, Jud. 47,5) und gefaͤhrlicher
(Chr. 206,7, Jud. 61,4) Koͤrperverletzung und wegen
einfacherem (Chr. 237,3, Jud. 71,5) und ſchwerem
(Chr. 34,2, Jud. 6,6) Diebſtahl. Die Juden aber über-
wiegen ganz unverhaͤltnismaͤßig bei Verbrechen und Ver-
gehen gegen Staat, öffentliche Ordnung und Religion
(Chr. 1907, Jud. 288, 8 und darunter wegen Mein-
eids (Chr. 2,4, Juden 47). Ferner ſind ſie weſentlich





böher belaſtet bei Beleidigung: Ehr. 140,2, Jud. 198,7;
Erpreſſun: Chr. 1,6, Jud. 4,7); Betrug: Chr. 57,2,


aber der Staat noch nichts daraus.


Vor einem Zuhoͤterkreiſe von aͤber 500 Perſonen bielt


ungevollſten Vorträge über „Biemarck und der europaͤlſche
Frieden.“
Farm auf die jüngften Ereigniſſe zu ſprechen, welche
Bismarck noch immer auf der Warte gezeizt haben und
einen unvergleichlichen Erfolg ſeinet Staatoͤkuͤnſt bedeuten,
den wir bereits vor Augen ſehen. Ein lang anhaltender

Beifall folgte des Redners Worten; er wlederholte ſich,

als Prof. Böthlingk die Abſendang des folgenden Tele-


Zuſtimmung fand: ; 4
„Viele Hunderte deutſche Maͤnner und Frauen,
Buͤrger und Buͤrgerinnen der Haupt⸗ und Reſidenz-
ſtadt Karlsruhe bringen Eurer Durchlaucht im Au-
ſchluß an einen hiſtoriſchen Ruͤckblick auf Euer Dutch-
laucht unvergleichliches Wirken und Walten, insbe-


begeiſterte, dankbare Huldigung dar.
getreue Waͤchtet, der eben erſt wieder der Welt zum
Bewußtſein gebracht hat, daß Er nach wie vor auf
Seinem Poſten ſtiht, von dem Ihn Keiner abloͤſen


zur Zierde und Sicherheit, den Feinden des Reiches,

Eurer Durchlaucht unvergaͤnglichen Schöpfung, allen

Widerſachern und Saumſcligen zur Bſtürzung und
— Beſchamung. *

— Die P riei der Zukunft. In Hannover ſpielt

der nationalliberale Landtagsabg. Baurat Wallbrecht eine

große Rolle. Dieſer Herr hat am 23. Oktober im


„Ebenſowenig wie das Waſſer bergauf loufen tann,
ehenſowenig kann die Entwickiung unferer Nation gegen
die Grundſaͤtze der nationalliberalen Partei ſein, und


nationallilleralen Partei.“

Ein ſpaßiger Herr, dieſer Herr Baurat! Er hat


ſeiner halbtoten Partei ır eigentlich meint. Denn be-
lanntlich hat die nationalliberale Partei ſo viele, zum
Teil ſich ſchroff gegenuͤberſtehende „Grunbſaͤtze“, daß nicht
tinmal ihre eigenen Leute (ſ. den Berliner Parteitag h,
geſchweige denn weniger eingeweihte Fremde ſich darin
zurechtfinden koͤnnen.

— Ein Mahnruf an die Franzoſen. Die
Petersburger „Wiedemoſti?, deren Herausgeber, Fuͤrſt
Uchtomski, dem Zaren ſehr nahe ſteht, ruft den Franzoſen
zu, es ſei fuͤr ſie endlich an der Zeit, ihre Revanche-
gedanken aufzugeben und vergeſſen zu lernen. In
dieſem pax vobis uͤberſchriebenen Artikei heißt es woͤtt-
lich: „Haben wir Ruſſen das Jahr 1812 und Sebaſtopol
nicht vergeſſen, oder hat Orſterreich etwa nicht 1866 ver-
geſſen? Und hat denn Deutſchland in der Vergangenheit


wenn man ſich in der Frage einer Ausſoͤhnung zwiſchen


Hilfe wendete, nachdem man ſich von der Legende los-
geſagt hat, daß Franzoſen und Deutſche nur Haß gegen
einander hegen koͤnnen, dieſe Vermittlung gern geleiſtet
werden wuͤrde. Mögen es die Voͤlker Europas wiſſen,
daß nur der Kaiſer von Rußland allein den beiden Voͤl⸗

14

kern ſagen kann: pax!



Parlamentariſche und
Nachrichten.

Verſammlungen: Sonntag, 15. November,
Nachmittag 31/, Uhr im Saale der Brauerei Mall in
Meckesheim und Dienstag 17. November, Abends 8lſa
Uhr im Gaſthaus zum „Pflug' in Neckargemünd.
Redner: die Herren Abg. Pfiſterer und Generalſekretaͤr
Goebel.

* Die Verſammlung zu Handſchuhsheim, deren
Vorſitz Herr Spenglermeiſter Kling in ſchneidiger Weiſe
fuͤhrte, war ſehr gut beſucht und nahm nach jeder Richtung
einen befriedigenden Verlauf. Sehr lebhaft war die
Diskuſſion, die ſich mit den Beſtrebungen der Deutſch-
ſozialen Reformpartei in ſehr günſtiger Weiſe beſchaͤftigte.
Hervorgehoben zu werden verdient, daß auch ein Mitglied

Partei-
 
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