Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden (7): Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden — 1896

DOI Kapitel:
No. 1 - No. 10 (4. Januar - 30. Januar)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.42841#0037

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext


(Dienstags, Domnerstags und Samstags
Berlag und Zelfung:

Telegramn Adreſſe! Zelbsbote Ketdelberg.








MUFTK — —





ür Deutſch










racht ME 1.25, |

930001880 xfg.








— —




















—— —















uur deutfe-Jozialen Meform-Yarfet in Yaden und des Amiiſchen Vuetnbudes
— — 5 — —



Unſere Aufgabe.

Huter der ſozialen Frage müſſen heute alle an-
deren Fragen zurücktreten, denn fie iſt die Eriſtenz-
ſrage der Menfchheit. Die Erbitterung im Volke
nimmt von Tag zu Tag zu, und das Elend wird alle
Tage größer. Die Zahl der Beſitzloſen wächſt in
eſchreckendem Maße, dagegen wächſt der in wenigen
Händen liegende Beſitz zu unermeßlicher Höhe. Das
waͤhre Chrifientum, das Evangeliuͤm der Kächſtenlicbe
wäre allein im Stande, die ſöziale Frage zu löfen,
aber wer huldigt heute noch ſolchen Grundſäzen?

Es handelt ſich nicht daruni, wie die Menſchbeit


Notlage radikal gehoben werden kann.

Das Indentum iſt zu einer allgemeinen Gefahr
geworden. Es heſitzt eine zauberkräftige Waffe, das
Geld, und das Geld regiert die Welt.
dieſer Waffe die Zauberkraft nehmen. Voͤr Allem
gehört Einigkeit dazu. Wir müſſen uns zu Berufs-
noſſenſchaften organiſieren, die unter ſich wieder
‚ Centralgenojfenfchaften bilden. Wer heute noch ein
Eſhaſter Bauer iſt, kann morgen ſchon von Haus
und Hof dertrieben werden, wer heute noch als ehr:
echer Haudwerker ſein Brot verdient, kann morgen
ſchon ein Bettler ſein.


Seitet fi.; Jelbjt, ſagte eine Deputation der Pariſer
Kommune. Was wir wollen, woͤllen wir aus eigener
Kraft erlangen. Die Früchte der Produktion gehören
der geſamten Bevölkerung und nicht nur einigen Be-

orzugten. Die mionarchiſche Treue bildel einen
Srundzug im deutſchen Weſen. Die revolutionäre


eweis, denn nicht die Hatz gegen die Aerrichende
Regierungsform und nicht die Ueberzengung von der
Richtigkeit der ſozialdemokratiſchen Lehre, foͤndern uur

die allgemeine Unzufriedeuheit drängt täglich neue
Schaaren ins Lager der Sozialdemokkaten.
Die alten Parteien mit ihren verknöcherten

Ideen ſind dem Sozialismus gegenüber ohnmächtig.
Der Sozialismus läßt ſich nicht bannen, aber er läßt
ſich in das nationale Fahrwaſſer leiten. Der deutſche
Fabrikarbeiter, der die Ungerechtigkeit der kapitaliſti-
ſchen Produktionzweiſe täglich vor Augen hat, wird
auf den Sozialismus nie verzichten, ader er wird der
ozialen Revolution den Rücken kehren, wenn er die
Ueberzeugung gewinnt, daß er eine Beſſerung ſeiner
Lage auf dem Wege der ſozialen Reform zwar lang-
ſam aber ſicher erreichen kann.
Werfen wir den mancheſterliberalen Sauerteig
als kraft⸗ und ſaftlos und dem Volkswohl ſchädlich
bei Seite und ſuchen wir unter ſteter Beibehaltung


tiſche Reformen die wirtſchaftliche, ſoziale, rechiliche
und ſittliche Neugeſtaltung des Staates herbeizuführen.





Tagesfragen.

— Bei allen Zuſammenbrüchen aus den Kreiſen
der jüdiſchen Spekulation von Wolf und Sommer-
jeld an bis auf die allerneueſte Zeit hat ſich gezeigt,
daß dieſe Leute ein erſtaunlich üppiges, geradezu ver-
ſchwenderiſches Leben führten. Trotz alledem ſahren
die dienſtbefliſſenen Organe der Börſenſpeculation fort,
die Landwirte als genußſüchtige Lebemänner hinzu-
ſtellen und zu verhöhnen. So ſſchreibt das „Kleine
Journal! über die Verhandlungen des Antrags Kanitz
im Reichstage: „Die Tribünnen ſind ſtark beſetzt,
Leute von ſtarkem Körperbau und genußſüchtigen und
geröteten Geſichtern — es hat zwar niemand einen
Kürbis im Knopfloch, aber man ſieht ihnen doch an,
daß die Landwirtſchaft auch ihre Freuden gewährt“.
In ihrem Kampfe gegen die Agrarier iſt der dienſt-
ergebenen Börſenpreſſe kein Miitel zu ſchlecht.

— * Ein züdiſches Jachblatt fuͤr Rabbiner und
Lehrer, die „Allg. Israel. Wochenſchrift“, hat ſich
ſchon wiederholt außerordentlich aumaßende und hoch-
fahrende Aeußerungen gegenüber dem Chriſtentum er-
laubt. In ſeiner neueſten Nummer kommt dieſes









ha-Levi, zu ſprechen und erzählt: „Von ihm rührt
das ſchöne Bild her, daß daͤs israelitiſche Volk das
Herz im Organismus der Menſchheit iſt: IM das
Herz leidend, dann fühlen es ſofort die übrigen
Glieder des Körpers.“. Von dieſem „ſchönen Bilde“
iſt das genannte jüdiſche Blatt ſo entzückt, daß es
Ine neue, noch weitergehende Behauptung daran
Wer die ſittlichen Zuſtände unter den Voͤlkern
kennen lernen will, der braucht nach der Behauptung
dieſes Blaͤttes nur das Befinden des jüdijchen Volkes
im Staate und in der Geſellſchaft zu unterſuchen.
Da es den Juden in Gaͤlizien, Ungarn und Rumänien
anı beſten, geht, {o würde eine Unterſuchung über die
Völker in der auͤgedeuteten Art
zu dem merkwürdigen Ergebnis führen, daß Galizien
Rumännien und Ungarn, ingleichen die ausgehungerten
heſſiſchen und meiningiſchtu Dörfer an der Spitze der
modernen Kultur und Sitte marſchieren. Auͤch eine
andere Aeußerung von Juda ha-Levi wird von dem
genannten Blatt aufgewärmt. Die jüdiſche Autoritaͤt
ſoll vom Chriftentum geſagt haben, daß es eine, Eiu-
leitung und Vorbereſtung auf jene
Schoße der Zukunft fei, in der alle Menfchen brüder-
lich vereint um ein einziges religiöſes Banner ſich
ſcharen werden.“ Es iſt guͤt, daß Dderartige
jüdiſche Auslaſſungen immer von heuem wieder die
alberne Redensart thörichter Philiſter widerlegen, als
ſeien die Juden ebenſogat Drutſche wie wir und-
wollten nichis anderes fein. Ailerdings verſchließen
unfere Judenſchützer vor ſolchen Beweiſen für die
Berechtigung des Antiſemiſismus ſtets die Augen!

— Bom Keichstag. Der Reichstag hat mit 219


verworfen. Für denfelben ſtimmten Meformer,
Konſervative, Reichsparteiler und einige Nationallibe-“
xaie, dagegen die meiſten Nationalliberalen, ſowie ge-
ſchloſſen Zeutrum, Freiſinn, Demokratie und Soziaͤl—
demokratie. Dex preußiſche Landwirtſchaftsminiſter v.
Hammerſtein hekämpfte den Antrag mit aller Schärſe.
Er ſagte u. A.:


wiederholen, daß die Konſumenten keinen Auſpruch
darauf haben, unbedingt billige Preiſe zu haben,
Aber der Staat iſt auch nicht verpflichtet, den
Landwirten einen ihren Produktionskoͤſten ent-
ſprechenden Preis zu ſichern. Wenn wir ſoweit
kommen, daß in der Privatwirtſchaft der Staat
die Preisbildung beſoxgt, dann haben wir den
ſozialiſtiſchen Staat ſo ſicher wié zwei mal zwei
vier. Betreten Sie den Weg für das Getreidẽ, ſo
ſt es richtig, dieſelbe Forderung zu ſtellen für alle
andern Gewerbetreibenden.“

Da möchten wir doch wirklich wiſſen, was der
Staat überhaupt für eine Aufgabe hat, wenn nicht
die, die Exiſtenz aller ſeiner Bürger zu ſchützen,
alſo auch die der Landwirte. Man bleibe uns doch
mit den thörichten Phraſen vom „ſozialiſtiſchen Staat“
und ähnlichen ſinnloſen Dingen vom Leibe. Wenn
das Volk vor die Entſcheidung geſtellt würde, ent-
weder im heutigen Staat zu verhungern oder im
„ſozialiſtiſchen“ Staat ſich ſeines Lebens freuen,
dann wählt es das Letztere. Und mit Recht. Der
Landwirtſchaft m uß geholſen werden, wenn's nicht
anders geht, durch den Antrag Kanitz, jonſt geht mit
ihr das Reich zu Grunde! Das ſollte doch waͤhrlich
jedes Kind einſehen. Herr v. Hammerſtein mag noch
ſo viel — weiſe Reden halten, davon kann ſich kein-
Menſch ſait eſſen! Die Agitation für den Autrag
Kanitz wird darum ſortgeſetzt werden mit immer
wachſendem Erfolge und der Abg. Liebermann von
Sonnenberg wird Recht behalten: Der Antrag Kanih
wird im Reichstag viel ſicherer wiedererſcheinen als
viele der Abgeordneten, die jüngſt dagegen geſtimmt
haben.

— 5000 „Ehrenmitglieder der konſervativen
Barkei werden geſucht. „Ehrenmitglied“ des Wahlver-
eins der Deutſchkonſervativen tann man durch einen
feſten Jahresbeitrag von 10 Mk. werden. Der Vor-
ſtand des Wahlvereins der Deutſchkonſervativen ver-
ſendet zu dieſem Zweck überallhin gedruckte Aufforder-







ungen. an Mitglieder anderer
barteien, namentlich an Nationalliberale gelangen. Die
iltel ſollen verwaͤndt werden für die Haltuns eines
Bureaus, die Erhaltung der „Konf. Korr.“ ünd zu
Beihülfen zu Wahl- und Preßzwecken. Der Wahlver-
ein will auf dieſe Weiſe nach dem verſandten Pro-
jpeft 5000 Chrenmitglieder gewinnen und damit eine
Summe von 50,000 Mk. jährlich aufbringen. In dem
Lirkular wird geklagt, daß leider „inadeu Kreiſen der
Konſexrvativen ſelbſt das volle Verſtändniß fehlt für
905 Vedürfutß der vorhezeichneten Einrichtungen, obhue -
die eine geſicherte, ſelbſtändige politijche Thätigkeit und-
dauernde Erfolge der Partet unmöglich find.“
— Die Autographeuſaumler im Aeichstage,
die Heren Balth, Liebknecht und andere, die in Dder
Preſſe ganz unzweideutig, im Reichstage etwas ver-
ſteckier ſeit einiger Zeit damit drohen, mit den ſo-
genanten Hammerſtein-Briefen die rechte Seite des
Hauſes in die Luft zu ſprengen werden immer fein-
laater. Abgeſehen davon, daß ihre Denunziationen
wegen angeblicher Majeſtätsbeteidigungen duͤrch die
bekannten Aeußerungen Se. Majeſtät des Kaiſers daß
ihn der Inhalt von Privatbriefen garnichts angehe,
mehren ſich die An-

und der Sammlung der Nachrichten über Hammerſtein
Herr Barth
das er, wie er ſelber erzähtt haben folh ſich auf der
Auktign dex Hammerſteinſchen Möbel zum Andenken
gekauft habe. Wenn das zuirifft, ſo ſchlagen wir
Herrn Barth vor, ſich in die Trödlerinnung iukorporiren
zu laffen. Ferner verlautet, daß man auf der rechten
Seite des Hauſes inı Beſihe von intereffuͤnten Wht-
te lungen über Vorfommungfe in der deutichfreifinnigen
und ſozialdemokratiſchen Partet ſei und davon in der


joll zu Flora Gaß in der Freundin eines hervor-
ragenden freiſinnigen Abgeordueten ein Seitenſtück ge-
funden ſein. Ueber die durch die ganze unabhängige
Peeſſe gegangene Behauptang des Dr. Mehring, der
den freiſiunigen Abg. Otio Hermes beſchuldigt, mittels
Dietrichen den Schreibtiſch des verſtorbenen Abg.
Phillipz erbrochen zu haben! um unliebſame Papiere
zu entfernen, ſchweigt noch immer Herr Hermes und








Zur Zeitgeſchichte.

Mit der Zeier des 18. Januar haben die vater-
ländiſchen Gedenkfeiern, an denen die letzte Zeit ſo
reich war, ihren Abſchluß gefunden. Wer ſich die ver-
gangenen Tage vergegenwärtigt, der kann cın Gefühl
der Freude und Genugthuung nicht unterdrücken. Iſt
es doch das erſte Mat geweſen, daß alle Parteien —
die ſozialdemokratiſche natürlich ausgenommen — in
dem feſtlichen Begehen eines nationalen Ereigniſſes ein-
mütig zuſammenſtanden! Köſtlich iſt die Thatſache,
daß die unentwegien Demokraten Mannheims, um das
Hoch auf Bismarck nicht mit anhören zu müſſen (das
wäre auch gar zu ſchrecklichh an der offiziellen Feier
nicht mit teilnahmen, ſondern eine eigene Feier ver-
auſtalteten, in welcher neben Reden auf das deutſche
Vaterland und auf das dentiche Volk auch ein Trink-
ſpruch auf die ım e ausgebracht wurde! Ein Trink-
ſpruch auf das Heer, ın einer demokratiſchen Ver-
ſammlung geſprochen — das klingt ja wie ein Mär-
chen! Und doch iſt's Thatſache, und wir freuen uns
derſelben. Daß wir aber bei dem Feiern nicht ſtehen
bleiben dürſen, ſondern daß es noch treue, unermüdliche
Arbeit gilt, bis das dutſche Vaterland das iſt, was és
jedem einzelnen ſeiner Bürger ſein ſollte, das haben
wir ſcho wiederholt mit aller Deuttichkeit ausgeſpro-
chen. Es iſt gut, daß dieſe Erkenntniß auch an leiteu-
der Stelle herrſcht, daß unſer Kaiſer ſich der großen
Aufgabe vollhewußt iſt, die er zum Segen ſeines Lan-
des noch zu vollbringen hat. Das hat eı bei den jüng-
ſten Feſtlichteiten offen erttärt und gelobt, alles zu
thun, was in ſeinen Kräften ſteht zur Wohlfahrt des
Landes. Gebe Gott, daß aus dem einträchtigen Zu-
 
Annotationen