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Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden (7): Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden — 1896

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No. 81 - No. 90 (26. Juli - 15. August)
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https://doi.org/10.11588/diglit.42841#0325

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ndl

Der „Badirdze Yolksbote“ er-
ſcheint dreimal wöchentlich.
Verlag und Leitung:
Gridelberg, Vahuhorftraſte 9.







Preis vierteljahrlich
durch den Briefträger frei in’8
Haus gebracht Mk. 1.25, am Poſt-
ſchaltex oder durch unſere Boten
in Heidelberg 1 M., von unſerer

Telegramm⸗Adreſſe: $ı HA | | idelberg! **
—— — un des Badifden Bauernbundes, —
Die Sgefpaltene Petitzeile 10 Pfg. Ar. 2pᷣ5.



M 81

22222224242444444444



— * koſtet der
pt. Monat Auguft und September,
Beſtellungea können bei jeder Poſtanſtalt ſowie bei
unſeren Agenten gemacht werden. *

Trobenummeru auf Wunſch jederzeit frauko.
Dolitiſcher Teil.
Der heilige zübel.

Das Schwert hat in der Geſchichte Frankreichs
wiederholt eine entſcheidende Rolle geſpielt. Die Er-
innerung daran ſcheint auf die franzöſiſchen Offiziere
eine ſo betäubende Wirkung zu üben, daß ſie mehr
und mehr der Verſuchung unterliegen, ſich politiſch zu
bethätigen und ſich zu Trägern der Revaͤncheſucht zu
machen. Früher tötete die Lächerlichkeit unfehlbar in
Frankreich. Seit den Tagen des Generals Boulanger
hat ſich das franzoͤſiſche Seelenleben auch in diefer
Hinſicht geändert, und an den deutſchen Grenzen ſpielen
ſich in gehäufter Zahl Szenen ab, in denen franzöfifche
Truppenbefehlshaber handelnd auftreten und in thea-
traliſcher Weiſe dem Rachegedanken gegen Deutſchland
Nahrung geben. — — ——

Eo erhielt das 19. franzöſiſche Jägerbataillon
— Kommandeur am 7. Juli folgenden Tages-
efehl: 7* — ——
Die Kompagniechefs werden heute Nachmittag
den Mannſchaften über den Krieg von 1870 und
deſſen Folgen Vortrag halten. Sie werden ihnen
die vom Feinde eroberten und beſetzten franzöſiſchen
Territorien Elſaß-Lothringen ſchildern; ſie werden |
ihnen ſagen, was die Proͤvinzen Frankreich gegeben

; haben; ſie werden ihre großen Leute zeichnen; ſie
werden die elſäſſiſch-franzoͤſiſche Bewegung nach dem
Kriege ſchildern, die Engagements in der Freimden-
legion; die Unterdrückung durch die Eroberer; ſie








werden ihnen ſchließlich das gegenwärtige Elſaß
ſchildern, auch das zukünftige, wenn wir zu lange
zögern. Morgen marſchiert das Bataillon auf den
Drumont. Militäriſche Pilgerfahrt an die Grenze!
Abfahrt 5'/2 Uhr, Feldausrüftung. .
Auf dem Drumont angekommen, ergreift der Kom-
mandeur des Bataillons das Wort: *
„Jäger! Das Schauſpiel, das Ihr da vor
Augen habt, iſt beredter, als irgend eine menſchliche
Stimme es ſein könnte. Zu unſeren Füßen breitet
ſich unſere verlorene Provinz aus. Nur eine ein-


eine große Lehre aus.

beſchuldigt.
geweſen.

Niemals iſt die Armee heldenhafter
Sie war zehnmal ſo viel wert als die
deutſche Armee. Schaut um Euch, meßt den Weg,
den wir zurückgelegt haben. Die ganze Nation ijt
bewaffnet und zum Kriege vorbereitet. Indem man


Säbels zu bedienen; das franzöfiſche Volk wird ſich
ſeiner bedienen. Jäger! Die Bajonette aufgepflanzt!
Wir ſind hierher gekommen unter den Tönen eines


den Befreier — hier ſeht Ihr ihn!

Der Kommandant zog ſeinen Degen und hob


Verteidigung und Geltendmachung unferer Rechte.
Der Säbel iſt es an den ich appelliere,
Säbel, heiliger Säbel, ich grüße dich!
In dir Säbel grüße ich unſere Macht, in dir
unſere Rechte zur gegenwärtigen Stunde. Säbel,
ich grüße dich! Du du biſt es allein, zu dem wir
unſere Zuflucht nehmen, du biſt es allein, in den
wir unſer Vertrauen ſetzen, weil wir es verſtanden


zu ſtärken, unſern Mut auf den Krieg vorzubereiten
und uns durch die Arbeit des Friedens im Kriege
zu üben. Jäger! Unſere Stärke grüßt das Elſaß
und ruft ihm zu: Auf Wiederſehen!“
Man wird den Anteil der Hundstage an dieſem
Erguß keineswegs unterſchätzen wollen, und wird doch
zugeben, daß dieſe fortgeſetzten Verſtöße gegen den


Frankreich bringt manchmal ein Körnchen Sand eine

Zahrgaua.

Lawine zum Abſturz. Der Revancheſucht in Frank.
reich gegenüber ſteht die Stimmung von Millionen
und Millionen ruhiger Leute, welche aufrichtig den
Frieden wünſchen und an den „heiligen Säbel“ nicht

ienſeit der Vogeſen jeder kleine Zwiſchenfali hervor-

liebenden Leute den Ton angiebt, ſonden die Minder-
heit der Stürmer und Dränger! ——

nk.Die Variſer Meltausſtellung.
die dentſche Induſtrie fern gebliehen, das deutfche

ſehen davon, daß ſie als Verherrlichung der Revolution
von 1789 dienen ſollte, was auch in der Eröffnungs-
rede des Präſidenten Carnot zum Ausdruck kam, war
zu der Zeit, als die Beteiligung Deutſchlanoͤs in
Frage kam, in Frankreich noch der Boulangerſchwindel
im Gange und das politiſche Verhältnis beider Staaten
zu einander unter den Nachwirkungen des Schnäbele-

ſtark getrübt. Erſt kürzlich hat wieder ein Intimus
Boulangers, der Laternenmann Rachefort, offen be-

Anzettelung eines Revanchekrieges gerichtet war, über
deſſen möglicherweiſe ſchlimmen Ausgang er die boden-
los leichtſinnige Phraſe in Bereitſchaft hielt: „Dann
ſchieße ich mir eine Kugel vor den Kopf.“
Wenn die deutſche Regierung jetzt ihre Beteiligun
zugefagt hat — zum Reichskonimifſar iſt der Geh.
Rat Richter aus dem Reichsamt des Innern ernannt —,
ſo iſt darin gewiß gegen damals eine Beſſerung in
dem politiſchen Verhältniſſe beider Staaten zu er-
kennen. Freilich iſt der Revanchetraum in Frankreich
noch keineswegs verflogen; erſt kürzlich iſt wieder in
einzelnen Reden und ſogar in dem Taͤgesbefehl eines
franzöſiſchen Generals mit dem Gedanken einer Ruͤck-
eroberung Elſaß⸗Lothringens kokettiert worden. Aber
eine kritiſche Spannung wie zu Ende der achtziger
Jahre iſt nicht vorhanden, und inzwiſchen haben auch
beide Staaten gelegentlich in außereuropäiſchen Fragen
zujammengewirkt. S —
Unter dieſen Umſtänden wäre es eine ungerecht-
fertigte und zweckwidrige Unfreundlichkeit gewefen,
hätten wir allein unter den fremden Nationen die
franzöſiſche Einladung ausgeſchlagen. Mit der An-
nahme haben mir uns nichts vergeben, und die bös-



Oom Vaul. —
Ueber Oom Paul, den in England vielgehaßten
und doch gewaltig geachteten Präſidenten von Trans-
vaal, bringen die „Hamb. Nachr.“ eine hübſche Zu-
ſammenſtellung früherer engliſcher Urteile, die ke-
zeichnender Weiſe weſentlich von den heutigen Zorn-
reden Englands abweichen und den alten Hollaͤnder,
wie er thatſächlich iſt: als knorrige, bedeutſame, kern-
wüchſige Eigenperſönlichkeit erſcheinen laſſen.
Beiſpielsweife ſagte über ihn vor einigen Jahren
das Blatt „Afrikan?: Oom Paul iſt ein Mann von
ſtarlem Knochenbau und geſcheidtem Geſichtsausdruck;
die Augen ſind wie ſinnend häufig nur halb offen,
blicken aber plötzlich wieder mit durchdringender Schärfe;
ſein glattraſiertes, derbknochiges Kinn umgiebt ein Haufen
ungeſtutzten, ungekräuſelten grauen Haars; er wohnt in
einem Hauſe, das nicht ſtattlicher iſt als irgend ein
anderes dortiges gutgehaltenes Bürgerhaus und hat
eine zahlreiche Familie; hielte nicht ein berittener
Artilleriſt vor dem Hauſe Wache, ſo wüßte der Fremde
nicht, daß hier die Wohnung des Staatsmannes, Sol-
daten und Ackerbürgers Paul Krüger iſt. — An anderer
Stelle heißt es: „Was ſeine Beleſenheit betrifft, ſo iſt
ſie gering. Sollte er Rechenſchaft von den Büchern
geben, die „Einfluß auf ihn übten“, ſo käme zunächſt
die Bibel daran, dann „Die Pilgerſchaft“, endlich „Die
niederländiſche Revolution“. Dieſe drei Bücher machen
eigentlich ſeine Bibliothek aus. Möglich, daß er noch
andere hat, aber er lieſt ſie nicht. Novellen und Aehn-
liches ſind ihm ein Greuel. Zeitungen zu leſen iſt ihm
Beitvergeudung. Theater ſollte nach feiner Meinung
kein anſtändiges Frauenzimmer beſuchen; ſo wenigſtens
urteilte er nach dem Beſuch eines engliſchen Ballets.“
Lord Randolph Churchill beſchreibt Oom Pauls
Verhalten im Burenparlament wie folgt: „Der 65jährige
Präſident Krüger nimmt ſo häufig an den Debaͤtten





teil, daß die Parlamentarier oft eiferfüchtig werden
und ſeiner Beredſamkeit einen Dämpfer aufzuſetzen


Mal ſprechen, immer mit überlegter Würde, aber ſehr


Fähigkeit, in Hildern zu ſprechen, gerühmt. So ver-
glich er das Abwarten des rechten Augenblicks, wie es


war, mit der Art, wie man einer Schildkröte Zeit


ſeiner Lieblingsausdrücke iſt das dem Engländer, ſo


wäſcht die andere‘“. Auch ſagt er wohl: „Es iſt gut,


die Reihe kommt!. — Die Uitlanders begehren das
Stimmrecht. Das, meinte er, komme ihm vor, als


ja auch mein Eigentum!. Ja, das iſt ſchan nicht zu
beſtreiten, wird die Antwort lauten müſſen. Aber
wohin würde Deine Fahrt gehen? Und weiß ich, ob


Gleichnis über denſelben Gegenſtand. Die Unabhängig-
keit und Feſtigkeit des jetzigen Transvaalſtaates ver-


nicht durchaus reines Waſſer ſchützt, von welchem der
Dumm umſpült iſt. Das letztere ſucht nach Löchern
und Ritzen, um ſich mit dem Waſſer drinnen zu ver-
miſchen. Was ſoll geſchehen? Ein ſorgfältiger Prozeß
der Läuterung und Scheidung muß das Waſſer erſt
reinigen, ehe es eingelaſſen werden darf. So dies
Bild Nicht allen kann das Bürgerrecht werden, Aus-
wahl iſt nötig. Oom Krüger hat eine Liſte von Per-
ſonen angelegt, die ihm zu baldiger Zulaſſung geeignet
ſcheinen; ob holländiſch oder deutſch oder engliſch,
darauf kommt es ihm nicht an; ebenſowenig, ob er

ein Afrikaner iſt oder nicht. Zuverläſſig muß er ſein;

und Brüder”, ſo lautete eine Anſprache Oom Krügels,
„liebt Ihr Euer Land? Liebt Ihr Euere Regierung?
Liebt Ihr mich? Nun denn, was wollen dieſe Fremden?
Ihr altes Gerede iſt, daß ſie viel Geid ins Land
bringen. Wozu? Aus Chriſtlichkeit oder als Geſchenk?
Nein. Sie bringen Geld, um für ſich mehr Geld
zu machen!“ — Eine ſeiner Anſpcachen iſt beſonders
charakteriſtiſch durch die Worte Mörder und Diebe.
Es war in Krügersdorp, wo er ſeine Rede über die
Geſchichte der Republik hielt. Unter ſeinen Hörern
befanden ſich viele Uitlanders aus ZJohannesburg.
„Freunde“, begann er ſeine Anſprache, „Ihr hier ſeid
nicht alle meine Freunde. Einige von Euch find
Mörder und Diebe. So muß meine Anſprache hier
denn lauten: Freunde, Mörder und Diebe!“
Und ſeine Rede ſchloß mit den nämlichen Worten. —
Der Gedankenleſer Cumberland, für deſſen geheimnis-
volle Kunſt oder Begabung der Präfident keinerlei
Sympathie bezeigte, will wiffen: Oom Paul, als Prä-
ſident eingeladen, die Johannesburger Synagoge zu
eröffnen, habe dieſem Wunſch zwar entſprochen, aber
mit den Worten: „In Chriſti Namen erkläre ich,
daß dies Gebäude eröffnet iſt.“ ;

Alles in allem: e& gewährt einen geradezu künſt-
leriſchen Genuß, dieſen kernigen, durch und durch germa-
niſchen Charakter, der in ſich geſchloſſen wie ein Boll-
werk allen unruhigen Kniffen moderner Diplomatie
gegenüber ſteht, aus derlei prächtigen Einzelzügen ſich
zu legen. Wer erkennt nicht, in holländiſchem und in
transvaalſchem Sondergepräge, hier ſo manche all-
germaniſchen Züge, wie ſie ſich beſonders in unſerem
Bismarck in größerer und moderner Form verkörpert
haben? ;


 
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