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Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden (7): Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden — 1896

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No. 81 - No. 90 (26. Juli - 15. August)
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— ;
Der „vadiſche Yolkabote“ er-
ſcheint dreimal wöchentlich.
Verlag und Leitung:
Heidelberg Bahuhof ſtraße 9.
Telegramm⸗Adreſſe: ;
; Yolkasbote Heidelbera,




Preisx vierteliahrlich
durch den Briefträger frei in's
Haus gebracht M. 1.25, am Poſt-
ſchalter oder duxch unfere Boten
in Heidelberg 1 M., von ungerer

Expedition abgeholt SO Pfg.



; Auzeigeupreis: Voſt Zeitungsreisliſte *
Die ogeſpaltene Petitzeile 10 Pfs. ur. ?õ5s.
M 89. - Beidelberg, Donnerstag, den 13. Auguſt 1896. 77. Zuhrgaug.



— Teil. _

Dder Fall Jesko v. Puttkamer,
Sehr viel Staub wirbelt der neuefte, jetzt drohende
— Kolonialjfandal auf, über den wir ſchon eine kurze
Nitteilung gebracht haben. Die Heldenrolle in diefer


Kamerun, Herr Jeskonv. Puttkamer. Zwiſchen


* ſchließlich zu dem Rücktritt v. Stettens geführt
aben. ;
im „DBerl. Tabl.“ folgende Einzelheiten veröffentlicht:


Herrn v. Stetten die Stellung des Kommandeurs der
neu zu ſchaffenden Kameruner Schutztruppe übertragen.
Zugleich wurde ihm, da er um demnächftige Verwendung


gemacht, daß er für ſeine Perſon die Funktionen eines
ttellvertretenden Gouverneurs erhaͤlten ſollte. Als




ahm v. Puttfamer in Kamerun die Funktionen des
D Entgegen der ihm ge-
machten Zuſage war Herr v. Stetten mit dieſem Amte
nicht betraut worden. v. Puttkamer war nicht der


Wiederhoite Fälle von Trunk-
lucht machten den ſchlechteſten Eindruck und ſchadeten


Lamerun anſäſſigen deutſchen Haͤndelshäufern. Im
Dczember 1894 aͤußerte im Gouvernementsgebäude zu




Offizier und einem Beamten: „Uns kann Puttfamer nur
recht ſein, er iſt uns zwar noch Einiges ſchuldig, wir
frediiieren ihm gern noch mehr, wenn er uns nur in


an Schwarzwaſſerfieber und war auch deshalb wieder-
holt unfähig/ ſeinen Poſten zu verſehen. Trotzdem


an welchem Zimmerer zur Dispoſition geſtellt wurde,
Während
ſeiner bisherigen Kameruner Epoche iſt v. Puttkamer


neun Monate auf Urlaub gewefen. Zu dienſtlichen

Reibereien zwiſchen v. Puttkamer und v. Stetten war
es mehrfach gekommen. Der Letztere trug ſich bereits
mit der Abſicht, um Enthebung von ſeinem Poſten ein-
zukommen, da ereignete ſich folgender, höchſt merk-
würdiger Vorfall: Der Rittmeifter v. Stetien hatte
ſeine aus zwei Zimmern beſtehende Amtswohnung im


Abweſenheit aus dem ſiegreichen Bueakriege heimkehrte,
vermißte er in dieſer Wohnung, deren Bewachung er
ſeinem Boy anvertraut hatte, mehrere koloniale Buͤcher
und einen wertvollen Atlas. Auf Anfragen teilte der
Boy ihm mit, daß der Gouvernenr in v. Stettens


durchſtöbert, ſich beſonders mit den Schriftſtücken
beſchäftigt und die in Frage ſtehenden Bücher mitge-
nommen hätte. Als v. Stetten den Gouverneur zur
Rede ſtellte, leugnete dieſer, ſandte ihm aber einen


Sache auf ſich beruhen. Einige Wochen ſpäter, als
er ſich anſchickte, gegen die Bakoko in's Feld zu ziehen,
vermißte er ſeinen wertvollen Kompaß, von dem er
genau wußte, daß er ihn in einer Schublade verwahrt
hatte.
habe ihn genommen. Puttkamer lag damals gerade
wieder an Schwarzwaſſerfieber krank. In Folge deſſen
wollte v. Stetten einen perſönlichen Konflikt vermeiden.


hin, einen Offizier der Schutztruppe und einen höheren
Beamten, und erſt auf deren dringliche Vorſtellungen
gab v. Puttkamer endlich den entnommenen Kompaß
- heraus.“ *

Herr v. Stetten hat zwar vor einigen Tagen in
der M M. 3.“ erflären laſſen, daß er allen etwa










v. Puttkamer ferne ſtehe, damit iſt aber nicht geſagt,
daß die obigen Mitteilungen nicht wahr ſeien. Naͤch
der „Frkf. Zig.“ ſind dieſe zum Teil eine Wieder?
holung der Ausführungen Beckhs vom 2. Juni 1896
im Reichstage; Herr d. Puttkamer habe bisher alles
abgeſtritten und es werde zu einer Klage kommen.
Sollte Herr Jesko v. Puttkamer wirklich klagbar
werden, ſo würden wir wenigſtens ſeinen Mut anzu-
erkennen haben, denn „Mut“ gehört dazu, vor der
Oeffentlichkeit ſeine keineswegs ruͤhmliche Vergangenheit
zur Eroͤrterung zu bringen. Das Vorleben des Herrn
v Puttkamer — beſonders während ſeiner akademiſchen


Miniſter v. Puttkamer, bei S. Maj. dem Kaifer
Wilhelm I. wegen der unangenehmen Affären des Jesko


Wilhelm in feiner Hetzensguͤle gab dasſelbe jedoͤch
zurück mit dem Bemerken, daß für die Streiche


gemadıt werden — ⏑ 2
Als im Jahre 1894 das Gerücht durch die
Zeitungen ging, daß Jesko v. Puttkamer als Gou-


genötigt, eine Eingabe an das Auswärtige Amt zu
machen, worin auf Grund aktenmäßigen Materials
darauf aufmerkſam gemacht wurde, daß Jesko v. P.


einen ſo einflußreichen Poſten einzunehmen. Der


ſtände, unter denen Herr v. P. einem aktiven Offizier



ferner Herr Jesko v. P. ein

Herrn Jesko intereſſiere.
Als Herr v. Puttkamer aus Rußland zurückkehrte,
wurde er ſogleich im deutſchen Auswärtigen Amt be-
ſchäftigt, machte ein Pro forma-Examen, das ſogen.
„diplomatiſche! Examen, und wurde dann nach Togo
geſandt. Auch dort konnte er ſich wegen Schulden-
machens nicht halten, und ſein Vorgeſetzler, Herr von
Soden, wußte dies genau. — —
Auf die Eingabe des Rechtsſchutzvereins iſt keine


Herrn Jesko v. Puttkamer als Gouverneur von
Kamerun zugleich eine Antwort für den Rechtsſchutz-
verein darſtellen ſollte. Wenn das Auswärtige Amt
unſere jetzigen Bemerkungen übel aufnehmen ſollte,
dann halten wir demſelben berechtigterweife entgegen:


Intereſſe gemachten Mitteilungen?“
3u unferer ietzigen Erörterung weder Gehaſſiakeit gegen
Hern Jecto v. Puttkamer noch irgendwelche Ranküne,
aber die Art und Weiſe, in welcher das Auswärtige


deutſche Staatsbürger nicht bieten laſſen. Wir würden
uns freuen, wenn uns Gelegenheit gegeben würde, vor
Gericht noch ausführlicher darzulegen, daß jeder andere,
nur nicht Herr Jesko v. Puttkamer, geeignet war zur


Amt eines Gouverneurs von Kamerun darſtellt.

Engliſche Verlegenheiten.
Die herausfordernde Sprache, deren ſich die eng-
liſche Preſſe gegen uns ſeit der Depeſche des Kaiſers
an den Präſidenten Krüger bedient hat, ſcheint bei den


die Freundlichkeit erwieſen hat, ſeine Yacht an den
Wettſegelfahrten in Cowes und anderwärts teilnehmen
zu laſſen, und nachdem der Verein engliſcher Schiffs-
bauer in Hamburg und in Berlin eine überaus herz-
Jeder Akt wohl-
wollender und hochherziger Geſinnung unſererſeits ſcheint
nur dazu beizutragen, die engliſchen Dreiſtigkeiten ins
Unerträgliche zu ſteigern. Die „Morningpoſt“ in
London, das Organ des leitenden engliſchen Staats-
mannes, Lord Salisbury, dasſelbe Blatt, welches im
April dieſes Jahres die etwaige Wiederholung des
Beſuches unſeres Kaiſers in Cowes einen Canoſſagang
nannte, der die Vorausſetzung für beſſere deutſch-
engliſche Beziehungen bilden würde, hat neuerdings
wieder einen gehäſſigen Artikel gegen Deutſchland ver-
öffentlicht. :








Es heißt darin, Englands Beziehungen zu Deutſc-
land ſeien an einem Punkte angelanst, der ein Be-

harren in dem gegenwärtigen Zuſtaͤnde unmöglidh mache.
Es müſſe entweder beſſer oder ſchlechter werden! Dann


daß die deutſche Regierung im Januat diefes Jahres
ernſtlich daxan gedacht habe, gegen England moͤbil zu
wachen, und daß ein „fehr kompetenter Stratege“ den


der Urſprung dieſer Friktion, die jegt wieder aufge-
friſcht werden zu ſollen ſcheint? giebt das Blatt die -
Antwort: „Entweder Iag bloß ein Mißverſtändnis vor


keinen vernünftigen Grund zum Streite entdecken, aber
der Ton der inſpirierten deutſchen Preſſe ſollte Eng-


Der Artikel geht dann ferner auf das Verhältnis
Englands zu den übrigen Großmaͤchten ein und gelangt
dabei zu dem erbaulichen Ergebnis, daß die engliſchen
Beziehungen zu den Vereinigten Staaten von Nord-
amerika, zu Frankreich und Rußland jederzeit einen
Krieg mit den genannten drei Mächten zur Wahrung
der Rechte Englands zur Folge haben koͤnnten. —
Die Behauptung, Deutſchland habe im Januar


liebe unſeres Kaiſers iſt zu bekannt, als daß daran
gezweifelt werden könnte Auch in England dürften
die zahlreichen Reden unſeres Kaiſers, worin er die
Segnungen des Friedens feiert und es als ſeine vor-


noch nicht vergeffen fein. Der engliſche Zornerguß


finden, iſt nicht ſchwer. Er liegt in der Sfolierung
der engliſchen Politik. Offen wird zugegeben, 4
England keinen einzigen Freund hat. —
Die Intriguen Englands ſind zu ſehr bekannt, al

ch von den Sirenenklängen
der engliſchen Politiker anlocken ließe. Dieſe üble Er-


neuerdings wieder auf Kreta gemacht. ; _
fehlgeſchlagene Schachzug in der kretiſchen Frage hat
Es glaubte, durch ſein
Ausſcheiden aus der Vereinigung der Großmächte einen
Konflikt heraufzubeſchwoͤren, bei dem es hätte im Trüben
fiſchen können, und muß nun ſehen, daß die anderen
Staaten auch ohne England fertig werden. *
Dieſe durch die weitſichtige Politik der deutſchen
und damit auch der Dreibunds- Diplomatie hervor-


liſchen Wutausbruches. Vielleicht mag auch der Um-


weitere Abſatzgebiete erobern. Jedenfalls können wir
den engliſchen Quertreibereien ſo lange mit Ruhe ent-
gegenwärtige bewährte
Friedenspolitik weiter verfolgen.

— Zür die Arbeiter: Nichts!“ Unter dieſer
Ueberſchrift beſpricht die „Deutſche Volkswirtſchaftliche
Korreſpondenz“ die Ergebniſſe des Londoner inter-
national⸗revolutionären Kongreſſes, wobei ausgeführt
wird: „Es gehört jedenfalls zu den charakteriſtiſchen
Merkmalen der Richtung, welche die proletariſche ſozial-
revolutionäre Bewegung nimmt, daß in London weder
von wirtſchaftlichen Angelegenheiten überhaupt, noch


Rede war. Man kann ſogar ſehr zweifelhaft ſein, ob
in den dreiſprachigen Verhaͤndlungen die Begriffe Arbeit


dieſes abſonderlichen „Arbeiter“Kongreſſes geſtanden,
noch iſt in den Verhandlungen und Beſchlüſſen etwas


revolutionären Standpunkte aus — behauptet werden
könnte, daß es geeignet wäre und bezweckt hätte, die
wirtſchaftliche Lage, ſei es des einzelnen Arbeiters oder
der Arbeiterklaſſe, zu heben. Statt deſſen hal der
Kongreß, abgeſehen von den internen und perſönlichen
Zänkereien, ſich mit einer Menge von rein doktrinären
Phantaſtereien befaßt, die den Arbeiter entweder über-
haupt nichts, oder doch jedenfalls nicht mehr als irgend
einen anderen Menſchen angehen. Daß man alle die
Doktorfragen auf die denkbar unverſtändigſte Weife
angefaßt und „gelöft“ hat, war ſchon durch die An-
 
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