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Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden (7): Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden — 1896

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No. 21 - No. 30 (21. Februar - 14. März)
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https://doi.org/10.11588/diglit.42841#0109

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Der adiſche Bolksbofe erſcheint zmal wöchentlich
(Dienstags, Donnexstags und Samstags).
erlag und Leitung: Heidelberg, — 5.
Telegramm-Adrefje: ollisbote Heidelberg.










Anzeigenpreis: Die Sgefpaltene Garmondzeile 10 Pfs.



















deuff







Freis viertelzahrlich
durch den Brieftraͤger frei in’s Haus gebracht Mk. 1.25,
durch unfernB oten Mk. 1.—,
Am Poſtſchalter od. unferer Erpedition ahgeholt 80 Pfg.
Poft-Zeifungs-Preislifte Ar. 755.











2 — —
— —
— —

2
















— T 5 *
— — —⏑ —

2
















_ Organ der

2









“ Seidelberg, den 7, März 1896, -





* Jahra. 2





DE -





Der Zukunftsftant \
der Sozialdemokratie — ein Anding.
— Unter dieſer Ueberſchrift ſchreibt Dr. Friedrich

Stehlich in dem —— Volksblait:

27



— Bekämpfung der Sozialdemokratie mit geiſtigen
* Der wahre und der falſche Sozialismus.
Arſachen der ſozialdemokratiſchen BYewegung. Die
allgemeine Berflaattichung als Grundgedanke des

lozialiſtiſchen Zukunfteſtaate?. —
Seitdem nach Ablauf des Sorialiftengeſetzes der
ſozialdemokratiſchen Partei in Deutſchland die Bahn
freigemacht worden iſt und keine Schranke ſie mehr
. hindert, Anhänger für ihre Anſchauungen zu gewinnen,
ift S nofwendig, alle Wohlgeſinnten mit jenen geiftigen
Waffen auszurüften, mit denen allein auf die Dauͤer
ein wirkſamer Kampf gegen die Sozialdemokraten
möglich ſein wird. Eine Beſprechung über das, was
Zieſe wollen, namentlich über die ſtaatliche Form, die
ſie anſtreben, iſt darum durchaus zeitgemäß. Eine
volkstinnliche Darſtellung dieſes Gegenſtandes, wie wir
ſie verſuchen wollen, die wiſſenſchaftliche Sachlichkeit
mit ſprachlicher Verſtändlichkeit verbindet, wäre zugleich
Die beſte Bekämpfung der ſozialdemokratiſchen Irrlehren.
Sie hat die Unmöglichfeil des Sozialiſtenſtaͤates und
die Ausſichtsloſigkeil der Sozialdemokcatie naͤchzuweifen,
Ver auch die Wege anzudeuten, auf denen ſich eine
Sozialreform zur Rettung von Staat und Geſellſchaſt
zu bewegen haben wird. Dabei muß ſie die Quͤellen
bloslegen, aus welchen die den Staatund di Geſellſchaft be-
ebenden Kräfte fließen und zeigen, daß das Staats-
wohl und Staatshürgerwohl nur gewahrt iſt, wenn im
Staate auf dem Boden der Gerechtigkeit der Grundſatz
des Alle für Einen, Einer für Alle“ eine lebendigẽ
Wechſelwirkung erzeugt. *
Wenn man heute von Sozialismus ſpricht, ſo
verſtehen noch viele darunter lediglich die Beſtrebungen
der als Sozialdemokratie bezeichneten Pariei. Rein
wiſſenſchaftlich betrachtet, hat das Wort eigentlich nicht
jene verfängliche Bedeutung. Prüfen wir es nach
ſeinem ſprachlichen Inhalt, ſo liegt in ihm der Begriff
des Gegenſatzes zum Individualismus, jener in der
Menſchennatur begründeten und im Leben der bürger-
lichen Geſelllchaft ſich geltend machenden Richtung,
welche das Recht der Einzelperſönlichkeit der Geſamk.
heit gegenüber vertritt. Demnach muß der Sczialis-
mus der Einzelperſönlichkeit zegenüber das Recht der
Ceſamtheit vertreten. Das iſt vollkommen richtig.
Auch könnte kein ſtaatliches und geſellſchaftliches Gauze
beſtehen, wenn es nicht das Recht befäße, der Willkür
der Einzelperſönlichkeit entgegenzutreten. Wir werden
- nun ſpäter ſehen, daß der von den Sozialdemokraten
angeſtrebte Zukunftsſtaat nicht denkbar iſt, ohne daß
die Geſamtheit der Einzelperſönlichkeit gegenüber ihre
Rechte in ziemlich ſchroffex, individuelles Leben faſt
_ gänzlich unterdrückender Weiſe geltend, macht. Es
_ giebt demnach einen wahren ünd einen jalſchen
Sozialismus: Falſch iſt der Sozialismus der Sozial-
demokralen, weil er ein übertriebener iſt und über das
richtige Ziel hinausſchießt, was nachzuweiſen unfere
Aufgabe ſein wird. Richtig kann nur der ſein, welcher
zwiſchen dem übertriehenen Individualismus des
mancheſterlichen Gehen- und Geſchehenlaſſens und dem
übertriebenen Sozialismus der Sozialdemokraten die
richtige Mitte hält, nämlich der, welcher in den
Grundſätzen der deutſch-ſozialen Reformpartei ſeinen
Ausdruck gefunden hat und in manchen ſeiner Forde-
— yungen bereits in die Programme der konſervativen
und gemäßigt liberalen Parteien aufgenommen wurde.
Seinen beruͤhmteſten Ausdruck fand er abex in der
Kaiſerlichen Botſchaft vom 17. November 1881, deren
leitende Gedanken für die Löſung der „ſozialen Frage“
in Deutſchland maßgebend bleiben werden.
Wunderbar iſt e& — und hierin liegt zum Teil
die innere Unwahrheit der Sozialdemokrätie — daß
der Soziglismus der Sogialdemokratie nux zu be-
trachten iſt als der letzte Ausläufer jener weltgeſchicht-
lichen Geiſtesſtrömung! welche mit der Reformation
beginnend und bis in unſere Tage fortwirkend, die












wicklung hemmen, als Loſung auf

welche Bahn brach für
des Menſchen, aber

Recht in zum Theil bedenklicher,
Die fogialdemokratifche Bewegung iſt nun zunaͤchft


nicht hefriedigende wirtſchaftliche Verhältniffe, unter
deren Druck jene Klaſſe der Bevölkeruͤng lebt. Der
Mißverhältniß,
daß er heute, im Zeitalter des allgemeinen Stimm--
rechts, zwar ſtaatsrechtlich ein freier Mann iſt, daß
er ſich aber trotzdem im Zuſtande einer wirtſchaftlichen
Gebundenheit und Knechtfehaft befindet, die ihm nur
einen ſchwachen Hoffnungſchimmer gewährt, in der
Zukunft einmal eine wirtfchaftlich unabhängigere, ſelb-
ſtändigere Stellung zu erringen. *


vom Gaſtmahl des Lebens ausgeſchloſſen Glaͤubenden


Umſichgreifen der Maſchine der Umfturz aller gewerb-
lichen Verhältniſſe immer größer wurde, der Groß-
betrieb den Kleinbetrieb tmmer mehr verdrängte und
immer größere Maſſen Gewerbetreibender den Ueber.


des „ehernen Lohngefetzes“ ſtehenden Fabrikarbeitern
durchzumachen hatten. Je rieſenhafter der Großbetrieb
wuchs, je mehr er in jene die ganze Erde um-
ſpannenden Welthandelsbeziehangen und ihre Konjunk-
turen hineingezogen ward und Weltmarktspreiſe füc
die von ihm erzeugten Güter maßgebend wurden, deſto
empfindlicher traf jede Handelsſtockung, jedes Sinken
der Waxenpreiſe, jede Geſchäftsunſicherheit den Arbeiter
in den Fabriken. Fallen der Löhne, Arbeitsentlaſſung,
Brodloſigkeit, Hunger und Kummer waͤren dann oft
jein Los So wurde ihm die ſoziale Frage zur


handelte.
Weltmarktskonjunkturen nur in den ſeltenſten Fällen


vermechte, traf ſein Groll den Fabrikherrn, der ihn
entließ, und der ſich pielleicht ſelbſt nur mit ſchwerem
Herzen zu ſeiner Entlaſſung genötigt ſah.
Andererſeits iſt es einẽ wohl begreifbare Regung
der menſchlichen Natur, daß angefichts jener vom
Großbetrieb geſchaffenen, in wenigen Händen auf-
gehäuften Riefenvermögen der Arbeiter das drückende


konnte. Jenes drückende Gefühl ſteigerte ſich zum
Groll, wenn er die Verſchwendungsſucht der Millionäre
mit feiner eigenen Dürftigkeit verglich, wenn er ſah,
daß die Verteuerung des Rechtsſchutzes ihn, den Be-
ſitzloſen, dem Beſitzenden gegenüber in den Zuſtand
thatſächlicher Rechtloſigkeit ſetzte, wenn er die
tauſenderlei Arten ſah, wie der Reiche ſeinen Reich-
tum nicht brauchte, ſondern mißbrauchte. Aus ſolchein
Geiſte entſprangen Aeußerungen, wie „das Eigentum
iſt Diebſtahl“ und jene aus dem ſozialiſtiſchen Lager
erklingende Forderung: das Eigentum, als die Quelle
aſles Elendz und aller Auterdrückung, abzuſchaffen.

Das Streben der Sozialiſten geht nuͤn dahin,
den heutigen Staat in einen ſolchen umzuwandeln, in
welchem das ihrer Anſichk nach gemeingefährliche
Privateigentum an Grund ynd Yoden, Gebaͤnden,
Maſchinen und Werkzeugen, kurz, an allen Mitteln
der Gütererzeugung und Güterverteilung in den Beſitz
der Geſammtheit übergeht und Eigentumsrecht den
Stagtsbürgern nur noch an ſolchen Dingen bleibt,
welche ſie um und an ſich tragen und zur unmittel-
baren Friſtung des Lebens nötig haben.



die italieuiſche Niederlage in

Abeffynten. — -
Der Lichtpunkt, welchen die heldenmütige Ver-
; für Italien ſonſt nur Entiauſchungen mit fich bringenden
Kampfe um die erythräiſche Kolonie bildele ijt ſchnell
wieder durch die furchtbare Niederlage General Bara
tieris bei Adua verdunkelt worden. Vollſtändig un-
vermutet, wie ein Blitz aus heiterm Himmel;-traf die


ihres abeſſyniſchen Erpeditionscorps. Hatte doch kurz
zuvor noch General Baratieri nach Rom verſichert.
daß über, gefahrdrohende Beweguͤngen des Feindes
nichts zu berichten und die Stellung ſeines Heeres in
keiner Weiſe gefährdet erſcheine er alfo die Ver-
ſtärkung, welche demnächſt in Maͤſfaua eintreffen ſollte,
ruhig abwarten könne, zumal da die feindliche Stellung
unangreifbar ſei. Um ſo betäubender war die Wirk-
ung der plötzlichen Nachricht von der ſchweren Nieder-
lage, und die Aufregung, welche weite Kreife dariber
ergriff, war infolgedeſfen ſehr begreiflich. Wie private
Meldungen aus Rom erkennen laffen, hat dieſe Auf-
regung doch noch einen bedeutenderen Umfang ange-
nommen, als aus den Meldungen des Halbamtlichen
Drahtes hervorgeht. Man fürchtet, daß die Sache
noch viel fchlimmer ſtehe, als die Regierung zugebe,
und das fchürt die Ervegung. Es fcheint aber, daß
man in miniſteriellen Kreiſen felbſt noch ‚ nicht Har .
ſieht und über den ganzen Umfang des Ereigniſſes
noch nicht genau unterrichiet iſt; {o viel aber ſteht
doch ſchon feſt, daß das ganze Heer ſich auf
ſchleunigem Rückzuge befindet. ‚ *
Vor allem fritt die Frage in den Vordergrund,
was Baratieri bewogen haben kann, ſo ſchnell ſeine
ſelbſt ausgeſprochene Meinung zu aͤndern und zum
Angriff überzugehen, während er doch ſelbſt von der
Auzſichtsloſigkeit dieſes Vorgehens überzeugt fein
mußte. Daß dies lediglich aus Chrgeiz vder ge-
kränktem Ehrgefühl geſchehen ſei, weil ihm der Ober-


tragen werden ſollte, iſt nach dem bisherigen Ver-
halten Baratieri's kaum anzunehmen. Iſt ihm doch
gerade von einem Teil der italieniſchen Preſſe ſein
Zögern zum Voxwurf gemacht worden; forderten doch
die Blätter vielfach ein thatkräftigeres, entſchiedenes
Handeln. Und wenn es ihn gekräͤnkt hätte, daß er
durch einen andern erſetzt werden follte, ſo würde er
doch ſchwerlich zu dem verzweifelten Entſchluß ge-
griffen haben, alles auf eine Karte zu ſetzen und um

ſeine Ehre va banque zu ſpielen. Viel wahrſchein-


worden iſt. Der Kundſchafterdienſt, den er benußzte,
ſcheint ein höchſt unzuverläfſiger geweſen zu ſein, und
jo liegt die Vermutung nahe, daß er durch die eigenen
Spione über die Stäxfe der feindlichen Truppen ge-
täufcht worden iſt. Hierzu kam, daß die Krönung
Meneliis zum Kaiſer von Abeſfynien die Hoffnung
in ihm erweckt haben mochte, den Feind führerlos vor
ſich zu haben. Thatſächlich ſoll dieſe Krönung auch
in Atfum erfolgt ſein; aber man hatte darüder diẽ
Vorſicht nicht außer Augen gelaſſen, ſo daß
Baratiexi ſich in allen ſeinen Vorausſetzungen getäuſcht
ſah. Trotzdem wird es ihm ſchwerlich gelingen, ſich
von, dem Vorwurfe leichtſinniger Uebereilung zun
reinigen, da er doch wußte, daß eine Verſtärkung von
12 Bataillonen bereits ſchwamm, deren Ankunft un-
bedingt hätte abgewartet werden müſſen. Statt deſſen
einen au Zahl ſo überlegenen Feind in Stärke von .
100,000 Mann mit 15,000 anzugreifen, muß als ein
geradezu frevelhaftes Wagnis erſcheinen. ;
Der Hauptzuſammenſtoß erfolgte bei Abba Garima,
einem Orte wenige Kilometer öſtlich von Adua. Die
Abeſſynier wandten wieder ihre Umgehungstattik an
und es gelang ihnen, die ganze Artiilerie Baratieri's
zu umfaſſen und inihre Hände zubekommen. Daß das
öſtlich von Adua gelegene befeſtigte Adigrat abge-
ſchnitten worden ſei und zu einem zweiten Makalle zu
werden drohe, ſcheint ſich nicht zu beſtätigen. Wohl



aber werden die Italiener auch dieſes aufgeben müſſen,
 
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