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Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden (7): Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden — 1896

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No. 91 - No. 100 (18. August - 8. September)
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https://doi.org/10.11588/diglit.42841#0365

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Der „gadiſche Yolkabote“ er-
ſcheint dreimal wöchentlich.
Verlag und Leitung:

Telegramm⸗Adreſſe:




Preis vierteljährlich

ſchalter oder durch unfere Boten
in Heidelberg 1 M. von unſerer
Erpedition abgeholt 80 Pfg.



Auzeigeupreis: Poſt Zeitungs · reisliſte
Die ogefpaltene Petitzeile 10 Pfg. * ; Ar. 755.
‚M 91, Beidelberg, Dienstag, den 18. Auguſt 1896. 7. Zahrgang.







——

Zur Handwerker - Lorlage.
Gegen die Handwerker-Vorlage eifern national-
liberale (!) und freiſinnige Blätter um die Wette. Es iſt

Seite gegen den Geſetzentwurf vorgegangen wird, und



auch noch ſehr ſchonend und vorſichtig, durchbricht.


Selbſtverwaltung in Staat, Gemeinde, Handel und
Gewerbe geſprochen und über die eifrige Präfekten-
Jürſorge Frankreichs geſpottet. Allein jede „franzöſiſche







man in Berlin den ſtaatlichen Aufſichtsorganen vorzu-


Haͤndwerk nicht Thorheiten begehe. Das Blatt räumt


ſei, allein dieſe bei den Vätern des Geſetzentwurfs vor-


er werde entweder überhaupt kein Leben oder ein un-
Der

reie Vereinsthätigkeit hemme, die im Gegenſatz zu den


auf dem Gebiete des Handwerks wirtſchaftiich, wie in


chreibt dazu das„Volk“, welche freie Vereinsthätigkeit
dem Handwerke irgend welchen Vorteil gebracht hätte.


Großkapitalismus doch erſt recht unterworfen.
Im Gegenſatz zu den Nationalliberalen ſprechen


„Es iſt jetzt Aufgabe und Pflicht aller deutſchen


lage einzutreten und ſich über die von der Rückſicht
auf ihre Bedürfniſſe diktierten Abänderungsvorſchläge


zum Segen des Handwerks gereichendes Werk zu ſchaffen.


dem füddeutfchen Handwerkerſtande, um die namentlich
in Norddeutſchland vorherrſchende Anſchauung und


zu widerlegen, daß die Handwerker Süddeutſchlands


Deshalb iſt es unerläßlich, daß die ſüddeurſchen Hand-
werker offen Zeugnis von ihrer wahren Geſinnung ab-




den Polizeiſtock, wie die Gegner der Handwerkerbewegung


dem Handwerke gebührenden ſtaatlichen Schutzes be-
deutet und in ſichere Ausſicht ſtellt.“
Sodann haben in Berlin und Potsdam Verbands-


In Berlin hatte Schuhmacher⸗Obermeiſter Beutel das


ſchiedene günſtigere Beſtimmungen in dem Geſetzent-
wurf zurück. Er wirft einen Rückblick auf die Innungs-
Geſetzgebung. Die vorletzte Vorlage hat bekanntlich


Miniſter wollte damals die Innungen belaſſen und
neben ihnen Fachgenoſſenſchaften bilden. Wir Hand-
werker verlangten aber, einheitlich organiſiert zu werden,
und dieſem Verlangen iſt mit dem neuen Geſetzentwurf
entſprochen worden Ein wunder Punkt ſei dabei die
Uebergangsbeſtimmung, daß alle Elemente, die in den
Jahren der Freiheit das Gewerbe ungeprüft und un-
gelernt ergriffen haben, ohne weiteres den Innungen
eingegliedert werden ſollen; denn die von uns verlangte




fünffährige Karenzzeit iſt abgelehnt worden. Händler
brauchen aber nicht aufgenommen zu werden Der
Ausſchluß der ſelbſtändigen Handwerker ohne Geſellen
und Lehrlinge ſei bedenklich und praktiſch ſchwer durch-
führbar Wir werden daher ihre Zulaſfung beantragen.
Sehr dankenswert ſei die verlangte gewerbliche Quali-


Meiſter die Innungsverfammlung bilden ſollen, ſei
ebenfalls überraſchend. Der S 100f der gegenwärtigen
Gewerbeordnung ſoll leider fallen (Zuſchüſſe freier
Betriebe zu den Wirtſchaftseinrichtungen der Innungen).
Die Handwerksausſchüſſe würden an Stelle der be-
währten Innungsausſchüſſe treten. Die aus dem Fach
ſelbſt zuſammengeſetzten Schiedsgerichte ſollten nach


Zwangsinnung, Ausſchuß und Kammer könnten die
Handwerker zufrieden ſein. Die Handwerker müßten
nach Einführung des Geſetzes in der Einführung von


Die Maſchine
müſſe ſich der Handwerker zunutze machen.

In Potsdam erſtattete den Geſchäftsbericht Tiſchler-
meiſter Schulz⸗Berlin. Er ſprach feine Freude aus


Handwerker nach Zwangs⸗Innungen, wie ſie in dem
ſoeben veröffentlichten Geſetzentwurf über die Organiſation
des Handwerks vorliegt, und gab dem Wunfche Aus-
druck, daß der Entwurf auf ſeinem weiteren Wege
durch die geſetzgebenden Körperſchaften nicht prinzipiell
verändert werde. Durch den Zentral-Ausſchuß der
Innungs⸗Verbände ſind an maßgebender Stelle mehrere


ſichtigt worden. Man war im Handelsminiſterium
willens geweſen, den Innungen fortan das Recht der
Errichtung von Innungskrankenkaſſen für Geſellen und
Lehrlinge zu entziehen; doch hat man dies angeſichts
des Einſpruchs der Innungen unterlaſſen. Durch das
Ergebnis einer unter Leitung des Miniſters im Handels-
miniſterium veranſtalteten mündlichen Verhandlung mit
den Innungsvertretern iſt auch die Abſicht befeitigt
worden, die Innungsverbände aus dem Rahmen der
neuen Organiſation auszuſchließen. Dieſelben werden
allerdings ohne Zwangsbefugniſſe dem Handwerker-
ſtande erhalten bleiben. Die Frage der Unfallver-


nicht unfruchtbar geweſen. Denn in Verbindung mit
der notwendigen Selbſthilfe des Handwerkers kann das
Geſetz über den unlauteren Wettbewerb durchaus ſegens-
reich wirken. Auch begrüßt das ſeßhafte Handwerk
dunkbar die Einſchränkung des Hauſierhandels, ſowie
die im vorigen Herbſt ins Leben getretene Preußiſche
Zentral⸗Genoſſenfchaftskaſſe, die bereits einen erfreulichen
Aufſchwung genommen hat. ; ‘

Wechſel im Kriegsminiſterium Die längſt er-
wartele Kriſis iſt nunmehr eingetreten, ſie hat, wie
man nach allen früheren Meldungen erwarten durfte,
Herrn v. Bronſard zum Opfer gefordert. Damit ſteht


Hohenlohe auf die Meinungsverſchiedenheiten in der
Frage der Militärgerichtsbarkeit zurückzuführen ſind.


dienten Generals ziehen wird, läßt ſich heute noch nicht
feſtſtellen. Der Draht berichtet über die Verabſchiedung
kurz Folgendes: Der „Reichsanzeiger“ meldet: Kriegs-
miniſter Bronſart von Schellendorf iſt auf ſeinen Antrag
von ſeinem Amte entbunden und Generallieutenant
von Goßıer, Kommandeur der 25. Diviſion, zu
ſeinem Nachfolger ernannt morden. S. M. der Kaiſer
hat an den General Bronſart von Schellendorf an-
läßlich der Verabſchiedung deſſelben vom Amte des


„Ich entſpreche nunmehr der in meiner Ordre vom
9. d. M. zu erkennen gegebenen Abſicht, Ihrem Mir
zugegangenen, durch Ihren Geſundheitszuſtand be-
gruͤndeten Geſuche vom 15. Juli um Verabſchiedung
Folge zu geben, dadurch, daß Ich Sie, nachdem Ich
Sie in einer anderweiten Ordre vom heutigen Tage
von dem Amte als Staats- und Kriegsminiſter ent-
bunden habe, unter Belaſſung & la suite des Groß-
herzoglich Mecklenburgiſchen Grenadier⸗Regiments Nr. 89
und unter Ernennung zu Meinem General⸗Adjutanten
mit der geſetzlichen Penſton zur Dispoſition ſtelle. Ich
ſpreche Ihnen zugleich Meinen beſonders warmen Dank







wortlichen Stellung erworben haben. Lebhaft bedaure
Ich, Sie aus derſelben ſcheiden zu ſehen, hoffe aber,
daß Ihr Heſundheitszuſtand es bald zulaſſen wird,


ziehung zum Dienſt als Mein Generaladjutant Mir

und der Armee, noch weiterhin nutzbar zu machen.

Berlin, 14. Auguſt 1896. Wilhelm.
*Aeber den internationalen Sozialiſtentongreß


erſtattet, wobei e& wieder zu „lebhaften“ Auseinande⸗-
ſetzungen zwiſchen Sozialdemokraten und Anarchiſten
kam. Der Berichterſtatter, „Genoſſe“ Fiſcher, gab
von vorherein zu, daß der Kongreß in weiten Parkei-
kreiſen lebhafte Enttäuſchung hervorgerufen habe.
Daran ſei natürlich die „Bourgeoispreffe“ mit ihren
„Lügenberichten! ſchuld. Er hält es jedoch für ge-
raten, in Zukunft internationale Kongreſſe nicht alle
drei, ſondern alle ſechs bis acht Jahre abzuhalten. -
Sehr komiſch wirkte der antiſemitiſche Beigefchmack,
den die Ausführungen des Referenten enthielten. Be-
züglich der in London auf dem Kongreß anweſend ge-
weſenen Anarchiſten ſagte er: „Wer waren denn die


Landauer, Kampfmeier, Gumplowitzſch und Sanftleben


um nicht verbummelt zu ſagen. Aber dann war noch


ein früherer Rabbiner in Oſtpreußen, Laſſar mit


freſſeriſche Ärtikel fchreibt; und endlich iſt auch der
jü diſche Litterat Cohn (Große Heiterkeit) zu nennen


dankt für ſie, wie ſie für ſie gedankt haben, und zwar
zu ihrem Glück!
klatſchen) — Darauf erwiderte in der Debalte der


bin, weiß ich. Es iſt aber nicht ſchön, von ver-
Ich habe nur das
Staatsexamen nicht gemacht. Sanftleben hat in den
Markthaͤllen geſeſſen und ſich ſein Brot verdient,
Nieuwenhuis hat ſein Pfaffentum ganz von ſelbſt an
den Nagel gehängt, und Cohn, der jüdiſche Litterat —
ja was thut denn eigentlich das „jüdiſch“ zur Sache?
(Große Heiterkeit) Ich denke, bei Sozialdemokraten
iſt das gleich? Cohn iſt allerdings ein jüdiſcher Litterat,
wie ich einer bin (Heiterkeit). Aber Cohn iſt geſinnugs-
Er hat in Holländiſch⸗Indien 2'/2 Jahre
als Arbeitsſoldat im Gefängnis geſeſſen.“ —„Genoſſe“


Charakter gemeint habe. — Dieſe gegenſeitige Aus-
ſprache iſt in mehr als einer Hinſicht intereſſant. In
den Augen des „Genoſſen“ Fiſcher iſt der Begriff
„jüdiſch“ gleichbedeutend mit „ſchlechter Charakter?.
Was werden die „Genoſſen“ Singer, Arons, Stadt-
hagen 2c. dazu ſagen? — — Humoriſtiſch aus dem
Munde eines Sozialdemokraten wirkt auch der Vor-
wurf, daß der Ex-Rabbiner und Anarchiſt Laſſar
im „Figaro“ in Paris „deutſchfreſſeriſche“ Artikel
Artikel ſchreibe. Das müßte doch in den Augen eines
geſinnungstüchtigen Sozz ein großes Verdienſt ſein;
haben wir doch geſehen, daß das Hauptorgan der
Partei, der „Vorwärts“, gelegentlich der Jubiläums-
Feſtlichkeiten im vorigen Jahre in geradezu ſchandvoller
Weiſe den deutſchen Namen mit Schmutz beworfen hat.
Wer alſo im Glashauſe ſitzt, ſollte nicht mit Steinen
um ſich werfen. — Wenn ferner „Genoſſe“ Fiſcher
nur „Proletarier“ als Vertreter der Arbeiterklaſſe
anerkennt, ſo möchten wir doch fragen, ſind die oben


iſt ja allerdings ſehr leicht: Die jüdiſchen Millionäre,
welche an der Spitze der Sozialdemokratie einher-
marſchieren, haben eben — dank ihrem Gelde — die
ganze ſozialdemokratiſche Bewegung in der Taſche!
Die Herren Sozzen ſollten erſt die Macht des „Kapi-
talismus“ in ihrer eigenen Partei beſeitigen, ehe ſie
gegen den Kapitalismus im allgemeinen losziehen.
Aber da würden ja ſo und ſoviele Unteroffiziere der
„Arbeiterarmee“, die ſich jetzt ſo ſchön an der ſozial-
demokratiſchen kapitaliſtiſchen Krippe mäſten, brotlos
werden, und darum wird flott darauf los weiter ge-
hetzt — für das Judentum gegen die Intereſſen der
Proletarier.
 
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