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Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden (7): Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden — 1896

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No. 101 - No. 110 (10. September - 01. Oktober)
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https://doi.org/10.11588/diglit.42841#0435

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Der „Badildıe Yolkabote“ er-
; iä),e%tt —— wöchentlich.
Verlag und Leitung:
Heidelberg, Lahnuhof ſtðaßze 9.
Telegramm⸗Adreſſe:
Yolksbote Heidelberag,




Preis vierteljahrlich
durch den Briefträger frei in’8s
Haus gebracht Mk. 1.25, am Boftz

in Heidelberg M., von unſerer
Erpedition abgeholt 80 Pfg.





Auzeigeupreis: noſt· Zeitungs· reisliſte
Die oͤgefpaltene Petitzeile 10 Pfg. * * 7*— Ar. 771.
M I09. — Yeidelberg, Dienstag, den 29. geptember ISO6. 7. Iahrgang.



Ein neues Bierteljabr -
ſteht vor der Thüre. Deshalb wollen wir nicht
verſäumen, jetzt ſchon unſere Leſer und Freunde
an ihre Pflicht zu mahnen, nicht nur ſelbſt das


Badiſchen Voltsboten

rechtzeitig zu erneuern, ſondern auch durch Ge-


weiteren Kreiſen Eingang zu verſchaffen.
Das beſte Abonnement iſt das durch die


— jährlich frei ins Hais gebracht

nur 1.25 Mk.

2


Wir legten Euch kürzlich zur Erleichterung der


Euren Freundes und Bekanntenkreiſen zur Aus-
füllung zirkulieren und übergebt die Beſtellung
dder nächſten Poſtanſtalt oder dem Briefträger
_ — Ddie pünktliche und rechtzeitige Zuſtellung des
Badiſchen Volksboten iſt dadurch geſichert.
Werbet für Euer Blatt und Ihr habt nicht
nur uns, ſondern vielmehr Eurer gerechten Sache
einen großen Dienſt erwieſenn.

Mit deutſchem Heilgruß!

Die Geſchäftsſtelle

* des

„Badiſchen Volksboten“.







“ Pokiticher Teil.


(Bön De N Bogel) ‘ ;
Eine Reihe von Aufſätzen, welche unter der Auf-
ſchrift „Ddie Zukunft der nationalliberalen Partei-
gegenwärtig in der Bad. Landesz. erſcheinen, um auf
doiie Thaten vorzubereiten, welche der nationalliberale
Varteitag demnächſt vor den Augen des erſtaunten
Publikums verrichten wird, giebt uns Veranlaſſung,
uns wieder einmal mit dieſer Partei zu beſchäftigen,
welche — mehr durch die Verhältniſſe unſeres Heimat-
landes, als durch unüberbrückbare Gegenſätze politiſcher
Natur — unfere Feindin iſt. Denn daß dergleichen
unüberbrückbare Gegenſätze nicht beſtehen, beweiſt am
beſten die Leichtigkeit, mit der ſich während der Wahlen
nationalliberale Kandidaten die weſentlichſten Punkte
aantiſemitiſcher Flugblätter anzueignen verſtehen, und


Herrn Landgerichtsrat Fiefer, felbft vor unſerm Anti-
ſemitismus nicht halt macht, dafür hat man geradezu
verblüffende Beiſpiele.

Unſere politiſche Gegnerſchaft entbehrt daher —
renigſtens wenn die Waffen ruhen und des Wahltags
Stürme ſchweigen — nicht eines ſchön menſchlichen
Zuges von gegenſeitigem Wohlwollen. Hier im Süden
wenigſtens kommen wir ganz leidlich mit einander aus;
und wenn wir von den Juden reden — ich kann Ihnen
dieſe ſchmerzliche Wahrheit nicht verhehlen, Herr Fieſer!
— dann ſind alle nationalliberalen Toleranz-Edikte
aufgehoben, und die Nationalliberalen ſind, ganz
privatiſſime natürlich, meiſt mit uns ein Herz und eine
Seele; ein harmloſer Zuhörer würde uns kaum aus-
einander kennen. ;

Allerdings iſt dies etwas ſauer-ſüße Wohlwollen,
welches dort am klarſten in die Erſcheinung tritt, wo
nationalliberale Mandate ſo zu ſagen auf der Kippe
ſtehen, wenigſtens auf ſeiten der Nationalliberalen,


Eſchmack und gründet ſich mehr auf gemeinfame
Feindſchaft als auf gegenfeitige Freundſchaft. Wo
Freiſinn und Demokratie, dieſe entarteten Geſchwiſter








des braven und lammfrommen Regierungsliberalismus,
im ſchönen Bunde mit Sozialdemokratie und


daß wir Antiſemiten doch noch beffere Menſchen ſind,

jenen Spielarten des „bonns politicus“ gleichfalls
unſern natürlichen Gegner erblicken, alſo wenigftens


ſicher füx die „große Sache“ zu haben ſind. Biefe
„große Sache“ iſt die — Majorität im badiſchen

nicht ganz extra, redet von einer Kriſis und hat Au-
wandlungen von Todesgedanken. Einer ſolchen An-


wähnten Aufſätze ihren Urſprung, die man etwa „Be-


ſagte ſchöne Seele nun ſtellt ſich zunächſt einmal die


mich wieder einigermaßen herausmuftere“, oder — um
mich eines niederdeutſchen Ausdrucks zu bedienen:


— nennen wir ſie kurzweg: „Tolletten frage“ — ift
natürlich in letzter Inſtanz Sache des Parteitages;


Was die erſte Frage anbetrifft, ſo greift die
die ſchöne Seele — analog der Göthe'ſchen — vor
allem tief in ihren nationalliberalen Bufen und ent-


ſagt: „Sie gefallen mir nicht“ — und wir können


Freilich, freilich“, tönt jedoch gleich darauf, um
die Herbheit dieſer Selbſterkenntnis zu mildern, der
Klageruf der Klapprigen: „Die Welt! die arge Welt!“
Zur Zeit, als die Alte noch jung und ſchön war und


gegen die Gunſt oder Ungunſt der großen Menge; ſie
verſchmähte es, die „urteilslofe“ Maſſe durch ſchöne


Aber nett war's doch.
Je urteilsloſer die Menge war, ein deſto ſchär-
feres Uxteil entwickelte die holde Dame von „Bildung


die „Verfolgung feſter, klar erkannter und für das
Die
misera plebs contribuens hat bei der Sache nichts
zu thun, als auf ihre Worte zu ſchwören, gut national-


Mama.

Und ſie hat's redlich beſorgt. Die „liberalen Er-
rungenſchaften mehrten ſich wie eine Karnickelhecke:
Gewerbefreiheit, Freizügigkeit, Zollfreiheit, Handels-
freiheit, Religionsfreiheit, Gewiſſensfreiheit, Wacher-
freiheit, Lehrfreiheit, Preßfreiheit und ſo mit Grazie
weiter. Die Welt wurde frei und immer freier. Hand


Spitze trug die nationalliberale Schöne der Nation
„der Freiheit Himmelsfackel“ vorauf, die Judenſchaft,
Arm in Arm mit dem deutſchen Schätzle von „Bil-
dung und Beſitz! grinſte vor feitem Wohlbehagen.
Auch die „urteilsloſe“ Menge kam in den Genuß be-
Jagter Freiheiten; ſchade, daß ſie aus Mangel an
Bildung und Beſitz davon keinen gleich verteilhaften
Gebrauch zu machen verſtand. Frei wurde ſie — aber


das trug ihr der Jude hinten wieder heraus.
Mama ſchüttelt allmählich den von der „Verfol-


unbedingt notwendiger Zile“ ſtark angegriffe nen Kopf


liebſten Karnickelböcke zu ſchlachten oder zu kaͤſtrieren


fie mit ihren herrlichen Prinzipien kleine, Aber“ in den
Weg zu werfen beginnt, giebt ſie der Wucherfreiheit
einige ſanfte Schläge ins Genick, und das Mancheſter-
Karnickel wird eine zeitlang in den Stall geſperrt, bis






es auf Vorbitten von Papa Caprivi glücklich wiede ·
entlaſſen wird


richter, als die Kinder merken zu laſſen, daß Mama

dumme Streiche macht. :
Inzwiſchen jedoch ſind aus den Kindern Leute
geworden. Die Schwärmerei für ſchöne Ideen, wie


krummbeinige Judenbengel ſich als Sieger von Sedan
fühlte, noch lange im Volke weiter lebten, ſind in der
Erinnerung abgeblaßt, und die wachſende Sorge um
das Beſtehen im Kampfe ums Daſein haben Intereſſen
in den Vordergrund geſchoben, die weit abführen von

„idealen“ Zielen. —


Beſte? 7—
Jetzt erſt werfen Sie die Frage auf, ob Sie


loren haben?“
Zunächſt — geſtatten Sie dieſe etwas

verloren. Auf der anderen Seite ſteht — Ihrer Dar-


Ihrer zweifelloſen, auf Bildung und Beſitz gegründeten


Verzicht geleiſtet! Wie koͤmmen Sie — zum Henker! —
dazu, von Beziehungen zwiſchen Ihnen und deuͤr, Volke“
zu reden, als ob Sie etwas Anderes, etwas Beſſeres
wären, als das Volk, und wo in aller Welt ſuchen


die Fühlung verloren haben? Seien Sie doch auf-
richtig und ſagen Sie's rund heraus: Indem Sie, ohne


theoretiſierenden Liberalismus verloren, ſchwand Ihnen


Sie ſich krampfhaft an „ideale“ Ziele anklammern,
fühlen Sie mit einigem Grauſen, daß Sie im Begriff
ſind, nach einem „liberalen⸗ Wolkenkuckucksheim hins


aber in der That, dem ſozialiſtiſchen Wolkenkuckucksheiin
ebenbürtig iſt. Wo iſt der Unterſchied? Sie haͤben
ſich eine liberale Weltordnung a priori konſtruͤiert,
wie die ſozialdemokratiſchen Führer eine ſoziaiiſtiſche.
Sie haben experimentieri und Ihr Experiment iſt Ihnen
mißlungen, wie auch jedes ſozialiſtiſche Experiment mißs
lingen wird. Die urteilsloſe Menge, der es höchſt gleich
giltig iſt, ob ſie auf dem Wege derliberalen oder der fo-
zialdemokratiſchen Ideen zu einem beſcheidenen Genuſſe
ihres Daſeins kommt, iſt jetzt der liberalen Experi-
mente überdruͤſſig; ſie hat Haare genug dabei gelaſſen
und ſieht ſich jetzt einmal mit neugierigem Intereſſe
die Sozialdemokratie au

Zu ſpät kommen Sie zu der Einſicht, daß Sie
während der drei Jahrzehnte Ihrer politiſchen Be-
glückungsverſuche ſich an dem naͤrriſchen Problem ab-
gequält haben, den Bau der Kirche vom Wetterhahn
anzufangen: Sie wollten das Volk frei machen, ohne
ſich um die wirtſchaftliche Sicherheit und Unaͤb—
hängigkeit des Einzelnen zu bekümmern, ohne welche
jede Freiheit ein Meſſer ohne Stiel iſt, dem die Klinge
fehlt. Nun dämmerts Ihnen allmählich, und nachdem
Sie lange genug in den blauen Lüften Ihrer Ideale,
erhaben über der mühſam ringendea Menſchheit, „ur-


Sie Anker und Seile auszuwerfen und wären heilfroh,
wenn Sie den feſten Boden der Alltäglichkeit wieder
unter den Füßen hätten. (Fortſ. folgt.)

— Ein Sieg dex jüdiſchen „Genoſſen.“ Die
Palaſtrevolution im „Vorwärts“, die jetzt. durch eine
Erklärung dex Redaktion ſcheinbar beendet iſt, und bei
der der alıe Liebknecht ſo ſehr den kürzeren gegen die
jüngeren Redakteure, Braun re., gezogen hat, dürfte
nicht ohne tieferen Eiudruck geblieben ſein. Schon vor
dem Erſcheinen der Erklärung meldete der „Breslauer
General-Anz.“, daß es ſich um eine große Agitation
gegen Liebknecht handle, bei der auch Singer und
Bamberger beteiligt ſeien. zn Nebereinjtimmung
hiermit erfährt die „Stb. Ztg.“ jetzt, daß diefe Agitation
hauptfächlich darauf zurückzuführen iſt, daß Liebknecht
von zeher antiſemitiſche Neigungen hatte. Bereits
 
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