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Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden (7): Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden — 1896

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No. 111 - No. 120 (3. Oktober - 24. Oktober)
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https://doi.org/10.11588/diglit.42841#0471

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' Der „Eadiſche Yolksbote“ er-
— 8— —
Verlag und Leitung:

Heidelberg, Bahnhoffraße 9.







7

Vreis vierteljahrlich
durch den Briefträger frei in's
Haus gebracht Mk. 1.25, am Poſt-
ſchalter oder durch unfere Bolcn



— la md des Badilden Bauernbundes —
— — — ——— Sn — NS



M Iis.



Kückblik auf den Parteitag zu Halte.

Einter uns liegen die arbeitsreichen, aber auch
arbeitsfrohen Stunden des zweiten Parteitages der
deutſchfozialen Reformer. Mit froͤher Genugthuung
ſchauen wir auf ſie zurück. Dem Eiſenacher Einigungs
tage und der Erfurter
die Hallenjer Tagung ı (
ſchaulich vor Augen geführt, wie unfere Bewegung im
letzten Jahre nach außen hin ſich kräftig ausgebreitet,


feſtigt hat.

In fürſorglichſter Weiſe hatten die Geſinnungs-


ſtattung des Verſanmlungsraumes ſich bemüht. Ueber
dem Eingange des Gaſthauſes zuin Kronprinzen be-
grüßte ein leuchtendes „Heil“ alle die Gäſte, die von

horn und Straßburg, don Heidelberg und Flensburg
zuſammengekommen waͤren. Die freundlichen Bemüh-
ungen der Hallenſer Judenſchaft, die den Saal uns
abtreiben wollte, um dort „ein Feſt zu veranftalten“
waren mißlungen. Wer am Soͤnnabend dcachmittag
angekommen war, erhielt im Gaſthauſe durch den Em-
pfangsausſchuß die Feſtkarte, die Druckſachen und An-


dann die Feſtteilnehmer, um bei fröhlichem Trunke,
Geſang und mancherlei Anſprachen alte Freunde zu


Schon da zeigte es ſich, daß die Beteiligung eine
außerordentlich zahlreiche werden würde. Von rund


dieſen Tagen in Halle zuſammengefunden. Die


gehobene, ſprachen doch alle Vorzeichen für einen guten
Verlauf der Verhandlungen. Im Voraus können wir


geben, da es ſich bei unſeren Parteitagen nicht um
wohlberechnete und von vorne herein feſt geordnete
theatraliſche Schauſtellungen handelt, ſondern ſowohl


völlig freie Kundgebung unſerer Bewegung. Mit aller


treter der Wahlkreiſe das Wort ergriffen und ihre
Meinung ſcharf verfochten; die Grundiage und das
Ergebnis blieb aber ſtets die Einmütigkeit im Kampfe
für deutſches Leben gegen die drohenden Mächte des
Verderbens. Dieſe Einmütigkeit haͤtte ſich auch aufs
ſchönſte bewieſen im Zuſammenarbeiten der beiden
Füthrer der Partei im vergangenen Jahre unſerer Ab-
geordneten, von Liebermann und Zimmermann; ſie
affenbarte ſich in gleicher Weife in ihrer gemeinſamen
Viedexwahl, die mit faſt einſtimmiger Mehrheit erfolgte.


Partei hinaus in der geſamten deutſchen Bewegung der
Gegenwart vorhanden iſt, kam aufs erhebendſte bei
dem Kommerſe am Sonntag Abend zum Ausdruck.
In Gruß und Gegengruß bekannten ſich da zur ge-


Tivoliboden, der Bund der Landwirte, der Deutſch-
bund, der Verein deutſcher Studenten, der deutſch-
nationale Handlungsgehülfen⸗Verband und noch fo
manche Vereinigung, die mitarbeitet an dem großen
Ziele der Befreiung unſeres deutſchen Volkes.


Partei und die Thätigkeit der Abgeordneten. Den
Bericht über den erſten Gegenſtand erſtattete Dr. Gieſe,
der Leiter der Hauptgeſchäftsſtelle in Bexlin. Gerade
in ſeiner ſorgſamen und unermüdlichen Thätigkeit er-
blicken wir einen der wertvollſten Fortſchritte der Be-
wegung im letzten Jahre. Recht wohlthuend zeigte
ſich ſchon die Wirkung in der muſterhaften Vor-
bereitung des Parteitages. Daß wir in dieſen Dingen
— weiter gekommen {ind, beweiſt die Organiſation der
: Sandesverbände, die Bildung der Kreis-Wahlvereine,
die Vecſendung der Mitteilungen und Vortragsentwürfe,
die Einrichtung der Bon-Bücher und anderes mehr.
Legenüber dem liebenswürdigen Totſagen unferer
Partei von Seiten unſerer Gegner konnte der Bericht


noch erfreulichere innerliche Feſtigung feſtſtellen. Nicht
ganz unbeträchtlich iſt die Zahl der Wahlkreiſe, in
denen wir 1898 mit Erfolg einen Kandidaten auf-
zuftellen hoffen. Mit Freuden wurde da auch der
Bericht begrüßt, in dem uns Abgeordneter Hirſchel die
Landtagswahlerfolge in Heſſen mitteilte. Organi-
ſationsfragen waren es auch weſentlich, die von den











fam dabei am Sonntag Nachmittag zu einer fräftigen,



ſetzun
gewiſſen Spaß bereitete. Die Kaſſenführung wird
vom Abgeordneten Dr. Vielhaben beforgt und iſt alſo
in den beſten Händen. Alles in allem war der Ein-
druck, den man aus dieſen Verhandlungen erhielt:




verſammlungen, aber e& wird fleißig und

lationen in Handiwerk, Laͤndwirtſchaͤft und Kaufmann-


kräftig vorwärts.

Und nun noch ein Wort von dem zweiten Gegen-
ſiande der Verhandlungen: der Thätigkeit unferer AWb-
geordneten. Der Landtags⸗Abgeordnete Pf ift e r er
war leider am Erſcheinen verhindert.
Abgeerdnete Theuerkorn erzählte eingehend von der
Wirkſamkeit im ſächſiſchen Landtag; über die im

Jebermunn von Sonnenberg gab eine ſehr ausführliche
Darſtellung der Arbeit unferer Reichstaͤgsabgeordneten
eine Darſtellung, die in einem Nebenbericht durch
Zimmermann wirkſam ergaͤnzt wurde. Alle

folgreich von unſeren Volkserwählten im verfloſſenen
Jahre gerade auf dem Gebiete der Börſengeſetzgebung


worden iſt. Eine ſehr lebhafte und intereffante Bes
ſprechung entwickelte ſich bei dem Hamburger Antrag,
der das Eintreten der Fraktion gegen den Marximal-
Der Antrag fiel, während der
Parteitag auf der anderen Seite durch das Eintreten


warmes Herz für die Notlage unſerer Lohnarbeiter-
ſchaft hat Einen gleichen Charakter trugen die wert-
vollen und eingehenden Eroͤrterungen über Verſicherung
gegen unverſchuldete Arbeitsloſigkeit und über Laden-


einen breiten Raum einnehmen. Wir treten in unſerer
Paxtei wirtſchaftlich ein für den Schutz der deutſchen
Arbeit gegen das internationale Kapitäl, wir woͤllen
das Intereſle der einzelnen Berufskreife in unſeren
ſchaffenden Ständen wahren. Da iſt es unvermeidlich,
daß wir zu Punkten kommen, wo das Intereſſe der


Intereſſen im nationalen Sinne am beſten gewaͤhrt
werden. Bei ernſtem Willen wird das auch erkeichbar
Ein, und der diesjährige Parteitag hat jedenfalls den
Beweis erbracht, daß der ernſte Wille vorhanden iſt
in unſerer Bewegung, die nicht nur den Mittelſtand,
ſondern die geſamte deutſche Arbeit in Stadt und Land
vertreten ſoll. Wir buhlen nicht um die Stimmen
derer, die da in der Sozialdemokratie das Heil zu
finden meinen, aber wir wiſſen, daß die Zukunft
unſeres Vaterlandes gefährdet iſt, wenn wir nicht in
unſeren Arbeiterkreiſen Lebensverhältniſſe ſchaffen, die
das Aufwachſen und die Erziehung einer zuverläſſigen


bleibt unſere unbedingte naͤtionale
Pflicht, wenn wir auch gegenwärtig in erſter Linie
für den Schutz der wirtſchaftlich unaͤbhängigen kleinen
Exiſtenzen in Handwerk, Kaufmannſchaſt, Landwirtſchaft
und Beamtentum eintreten müſſen, um den Proͤle-
tariſierungsprozeß in unſerem Volke aufzuhalten.
Daß wir in dieſer Aufgabe zuſammenſtehen und
gemeinſam arbeiten wollen, das war das frohe Be-
wußtſein, das in den letzten Stunden des Parteitages
uns alle kraftvoll durchging. *

Mögen denn dieſe Beratungen uns neue Kraft
und friſchen Mut geben zu unſerer Arbeit auf wirt-
ſchaftlichem und politiſchem Gebiete. Tretet ein für
Handwerkervereine, den Bund der Landwirte, kauf-
männiſche Verbindungen organiſiert die einzelnen
Wahlkreiſe, daß wir 1898 mit unſeren Rüſtungen
fertig ſind! Zum Schluſſe in unmittelbarem Eindruck
des zweiten Parteitages der deutſchſozialen Reformer
die eine Mahnung: „Arbeitet!“ Dr. Lindſtröm.








7. Tahrgang.





Der echtaanmaltzwang.

Eine der Forderungen des Programms der Deutſch-
Reformpartei, welche beſonders dem Handwerker und
kleineren Geſchäftsmann zu Gute kommt, iſt die Herab-
minderung der Gerichts und Anwaltsgebühren und
die Beſeitigung des Anwaltszwanges Darzulegen,
welch berechtigle Forderung befonders die Beſeitigung
ſoll Zweck der nachfolgenden
Zeilen ſein. ——

Hekanntlich beſteht die Beſtimmung, daß bei ge-


300 Mark die Parteien ſich vor Gericht nicht ſelbſt
vertreten dürfen, ſondern gezwungen ſind, ſich vor
Eericht durch einen Rechtsanwalt dertreten zu laſſen.
Wie nachteilig dieſe Beſtimmung iſt, welche wir neben
der jüdiſch-

am beſten am nachfolgenden Beiſpiel:

.Ich bin Handwerker, ſagen wir Tiſchler, und
habe an Friedrich Müller für gelieferte Ausſtattungs-
möbel eine Forderung von 400 Mark. Müller zahlt
nicht oder kann nicht und da alle Mahnungen und


kleine Geſchäftsmann heutzutage leider Gottes nur zu


zu Fommen. Ich habe das Gericht einfach zu bitten,


zu verurteilen. Dieſen Wunſch auszuſprechen iſt nicht


Kunſiſtück fertig
der Rechtsanwalt, acht Semeſter auf einer deutſchen
Hochſchule aufgehalten zu haͤben. Aber der Staat
denkt hierüber anders. Er beruft mich zwar
zum Geſchworenen und überträgt mir dadurch eine
Entſcheidung über Vermögen, Freiheit und Leben
meiner Mitbürger, ohne daß ich einen Buchſtaben vom
Strafrecht verſtehe, aber Rechnungsklage von 400 Mt.
darf ich nicht ſelbſt aufſetzei. Wenn ich mein Geld

von Friedrich Müller haben will, muß ich zum Rechts-


Das thut der Mann gern, d. h.
nicht ſelbſt, ſondern er übergiebt die Sache einem ſeiner
Schreiber (nicht dem Aelteſten, denn diefer hat ſchwie-
rigere Sachen zu thun) und dieſer junge Mann, der
ebenſowenig Jurisprudenz ſtudiert, wie ich, wohl aber
unter Umſtänden die Fortbildungsſchule noch be-
fucht, macht ſie wunderſchön fertig, legt ſie ſeinem Herrn
Prinzipal vor, dieſer unterſchreibt ſie, ohne ſie viel-


mein Gegner Friedrich Müller geladen. Im Termin
kann ich erſt recht nicht allein auftreten, ſo würde das
Sericht mich als nicht erſchienen betrachten und meine
Anträge ignorieren, denn ich muß einen Rechtsanwalt
haben. Man müßte nun doch annehmen, das Gericht
eine Selbſtvertretung nicht zuläßt, daß mein Herr
Doktor Vertreiung perſönlich ausüben müſſe? Ja
und nein: nicht immer, oder richtiger, in den wenigſten
ſolcher Fälle kommt er perſönlich! Er ſchickt ſeinen
Schreiber hin und dieſer bittet einen im Gerichtszim-
mer gerade anweſenden Anwalt, ein paar Worte zu
ſprechen. Das genügt dem Gericht. Herr Friedrich


Mark verurteilt und da dies nicht freiwillig geſchieht,
gepfandet. Jetzt kommt das dicke Ende. Herr Fried-
rich Müller hat nichts und das Schlußergebnis ift fol-
gendes: Ich, der Tiſchlermeiſter N N., dem ſein Er-
werb ſchon aus anderen Gründen blutſauer genug iſt,
habe erſtens meine 400 Mark verloren, zweilens habe
ich dem Staat 15 Mark und an meinen Herrn Rechts-
anwaltswalts für die ſchreckliche Mühewaltung, die er
für mich gehabt, 21 Mark zu bezahlen. — Wenn einer
nichts hat, iſt er immer „ſchön 'raus“. Es giebt aber
noch immer Friedrich Müllers, die das nicht einſehen
und was haben, wenn ſie es auch im Augenblick nicht
zu Geld machen können. Verſetzen wir uns einmal
in die Lage eines ſolchen Friedrich Müllex. Er iſt
von mir verklagt, will zahlen, möchte por Gericht die
Klageforderung nicht ſtreitig machen, aber etwas Friſt
erbitten. Vielleicht habe ich ihm vorher gar eine Friſt
bewilligt und meine Klage iſt thatſächlich verfrüht.
Kann — Müller dieſe ſeine Wünſche nun ſelbſt
vor Gericht vortragen? Durchaus nicht! So wenig
wie ich ihn vor Gericht ſelbſt verklagen kann. Fried-
rich Müller muß ebenfalls zu einem Rechtsanwalt


 
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