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Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden (7): Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden — 1896

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No. 131 - No. 136 (20. November - 2. Dezember)
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https://doi.org/10.11588/diglit.42841#0523

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Der Ladiſche Volksbote er-
2 — wöchentlich.
Verlag und Leitung:
Beidelbers, Hauptflraße 25.
2 2 4 - Telegramm-Adreffe: — .
Yolksbote Heidelberg.
7 Amzeigenpreis:‘ .
Die 5gejpaltene Petitzeile 10 Pfg.






Preis vierteljährlidy
durch den Briefträger frei ins
Haus gebracht Mk. 1.25,am Poſt-

ſchalter oder durch unfere Boten
in Heidelberg 1 M., von un;erer_

Erpedition abgeholt 80 Pfg. .
— Poßft-Zeitungs-Preislifte
© ä”o 771.



— —
xolttiſcher deit




Die betannte Interpellation des Zenirums wegen


letzten Montag im Reichetag verhandelt worden. Die
Freinden des Fuͤrſten Bismarck haͤtten ſich der Hoffnunz

— bingegeben, den Altreichekanzler als Hochderräter“
brandmarken und moraliſch hinrickten zu koͤnnen. Dieſe


diie Erklaͤrungen vom Regierungetiſche aus und die ſich
daran knuͤpfende Debatte, bedeutete nichts Anderes al


A Eledrigeruhe
Der Reichskanzler Fuͤrſt Hohenlohe gab
- Mölgrnde Srtlärung ar R — ⏑ —Y — ⏑
7 MNeeber bie Verbandlungen, die von dem Jahre
1889 bis 1890 zwiſchen Rußland und dem Deuifchen
Reich ſtaltgefunden haben, iſt auf beiden Seiten un-
bedingte Geheimhaltung verabredet worden.


lann demnach von uns nicht einſeitig beſtimmt
werden. Ich bin dahr zur Zeit nicht in der Lage,
Über das Ergebnis dieſer Verhaͤndlungen amtlich Aus:
— Tunft zu erteiltn. Was fodann die Haltung der

deuiſchen Politik gegenuͤber Rußland ſeit Fruͤhlahr



des Auswaͤrtigen darzultgen, der damals an den
Beratungen teilgenommen bat. Nach ſorgzfaͤltiger
Ptaͤfung des vorhandenen Mattrials kann ich nickt
umhin, die Gruͤnde, die damals die deutſche Politik
leiteten, als vollwichtig arzuerkennen. Dabei kann ich


Veraͤnderung in unſeren Bezichungen zu Rußlaͤnd ſich
nicht fühlbar gemacht hat. Die Behauptung, daß
damals uͤberhaupt auswaͤrtige Einfluͤſſe mitgewirkt haben,
inuß ich als jeder Begrandungentbehrend
zuruͤckweiſen. (Beifall) Was die Wirkung betrifft,
die die juͤngſten Veröffentlichungen auf die Stellung
Deuiſchlands im Dreibunde und das Verhältnis zu


gezeigt hat, verſchwunden iſt (Beifalh und daß unſer
Verhaͤltnis zu unſeren Verbündeten nach wie vor ge-
tragen wird von unbedingtem gegenſeitigem Vertrauen.
Deegleichen haben unſere Bezlehungtn zu Rußland


zu ſein. (Allſeitiger Beifall)
Nach dem Reichskanzler
v.Marſchall das Wort und erklaͤrt, daß man von
ihm nicht Enthuͤllunzen erwarten bürfe; ſolche zu macken,
ſei er nicht ermächtigt. Er wolle nur die gegen die
Regierung erhobenen Anklagen entkräften. Dieſe gehen
einmal dahin, daß Dtutſchland mit dem Separatabkommen
eine Ftiebensgarantie preisgegeben habe und zpeitens,
daß eine Verabredung getroffen wurde, die mit den be-
ſtehenden Vertraͤgen ir Widerſpruch ſtand. Letztere Anlage
trifft uns an einer Stelle, we wir, wie wir mit Stolz
ſagen koͤnnen, am empfindlichſten ſind. Ich weiſe daher
zunaͤchſt dieſe Auklagen mit Entruͤſtung zuruͤck. Da
Abtommen ſtand weder dem Getſte, noch
dem Wortlaut nach in Widerſpruch mit
den Verträgen. Was verabredet wurde, ſollte
allein dem Frieden dienen (Beifal.) Das
Abtommen war ſomit durchaus vereinbar
mit dem Dreibunde. Wenn e& 1890 nicht er-
neuert wurde, ſo liegt das daran, daß wir damals mit
der Befuͤrchtung rechnen mußten, daß bei einem Konflikt
zwiſchen unſeren Nachbarn, bei dem nicht genau feft-
zuſtellen war, wer der Angreifer war, wir Partei (?) für
einen von beiden ergreifen, oder einen der Vertraͤge


Raͤckverſicherungsvertrag damals gefallen. Engliſcher Ein-
fluͤſſe haͤtte e& dagegen nicHt bedurft, um auf die Ent-
ſchließungen des Grafen Caprivi einzuwirken. Man hat
uns vorgeworfen, wir haͤtten damals dın Faden zerriſſen,
der uns mit Rußland verband. Es wird gewiß ein
großes Ver dienſt Fürſt Bismarcks bleiben, daß
er es verſtand, unſere Beziehungen zu Rußland
freun dlich und fruchtbar zu geſtalten,









Sie beruhen auf feſteren

Die Beziehungen zwiſchen

dies hat uns dabel witbeſtimmt. Die Linie der deutſchen
Politik war und iſt Mar vorgezeichnet; treues und un-


Rechte. Wr thun dies nach Naͤßgabe dır Actung, die


ſeinem gioßen Staatemann verdanken. (Beifall)
Vom „Berräter“ Bismarck iſt in den Erklaͤrungen


lohe des Fuͤrſten Bismarck Veröffentlichung dadurch


tralitaͤtsvertrag als den damaligen Abmachungen wider-

deutungslos iſt weil ja inzwiſchen über das Weſen des


viel bekannt geworden iſt, daß irgendwelche Unklarheit
nicht mehr aufkommen kann. Das weitaus Beſtimmteſte
in den Ausführungen der Regierungevertreter iſt die


Staaten im Jahre 1890 die Erneuerung des Neutra-


land nicht in Gefahr brächten, ſeine Beziehuͤngen mit


muͤſſen es glauben, wir wünſchen es lebhaſt, aber —
Bismack ſagt anders, und Bismarck kann ſozuſagen
mitſprechen. Endlich iſt die Verſicheruug gegeben, daß
durch die Hamburger Enthuͤllungen das Verhaͤltnis


erſchüttert ſei. Herr von Marſchall hat ſogar die An-
ſchauung verfochten, daß durch die Beziehungen vor 1890


geweſen waͤre. Das behauptet Fürſt Bismarck auch


den Altreichskanzler?


der jetzigen Regierung und den Artikeln des Fürſten


in beſter Ordnung, eine Erneuerung des Neutralitaͤts-
vertrages alſo überflüſſig; hier ſehen wir den alten ge-
treuen Ekkehardt des Reiches ſich im höchſten Greiſenalter
noch mobil machen, weil ihn die Sorge um die


laͤßt, weil er findet, daß eben nicht Alles in beſter
Ordnung ſei. Auf welche Seite ſollen wir uns ſtellen?
Das iſt eine Frage des Vertrauens, der erprobten Er-
fahrung, d. h. für uns keine Frage mehr.


Interpellant ſelbſt, das Zentrum, große Maͤßigung auf-
erlegt. Anders die Freiſinnigen, vertreten durch die
Herren Eugen Richter und Rickert, der Sozialdemokrat
Liebknecht und der ſüddeutſche Volksparteiler Haußmann;
dieſe ſuchten ihr Mütchen zu kühlen, und thaten dies,
wie von ſolchen Parteien nicht anders zu erwarten iſt,
in zum Teil roheſter und flegelhafteſter Weiſe. Alle
Vertreter der auf Hebung des Nationalbewußtſeins be-
dachten Parteien, von der Deutſch ſozialen Reformpartei
herab bis zu den Nationalliberalen und Freikonſervativen,
waren einig in der Anerkennung des letzten Verdienſtes


Keinesfalls
ſei Bismarck von kleinlichen pexſoͤnlichen Motiven geleitet
geweſen, er habe nur ſeinem Vaterland großen Dienſt









* Zahrgang ·







leiſten wollen. Aus dieſer Nundgebung Vorwurfe gegen


die Krone gerichtet
ſchaͤmtheit. * — *

Als Vertreter der deutſch⸗ſozialen Reformpartei
zußerte ſich der Abg. Liebermann v. Sonnenberg

habe, ſei der Gipfel der Unver-

Daß die Sozialdemokraten den Abg. gieblnecht


ſie woliten wohl offentlich darthun, daß ſie recht Hatten, -
wenn ſte ihm die Befaͤhigung zur Leitung dis Vor-
Abg. Richter hat von der anti-
ſemitiſchen Partei wegwerfend geſprochen.

mehr ab, und bald wird man frei nach Uhland ſagen
loͤnnen: Nur eine dicke Saͤule zeugt von veiſchwundener
Pracht. Geiterkeit). Die Freiſtnnigen haben nie den
richtigen Blick fuͤr Bismaichs SGröße gehabt, ihte Un-


beanſpruchen. Es iſt ſchon ganz richtig herüorgehoben
worden, daß eine wirkliche Beunzubigung bulh die

Enthuͤlungen der „Hamburger Nachrichten eigentlich
nirgends hervorgerufen worden iſt. Unſere Berbündeten
haben Kenntnis von dem Abkommen mit Rußland
gehabt. Was ein Staategebeimnis iſt, kann nicht


Fall daruͤber entfchieden werden. Diefe Eniſcheidung
ſteht aber nur einem Sachverſtaͤndigen zu, und der
heſte Sachverſtaͤndige iſt für mich der Fliſt Bismarct.
(Sehr richtig! rechts). Der Reickstag hatte alſo gar
keine Veranlaſſung, eine Beunruhlgung aus der Well
zu ſchaffen, die gar nicht eriſtirt hat. Fuͤrſt Biemard


bleihen. Er wird in dieſem Sinne uns immer der
unabſctzbare erſte Kanzler des Deutſchen Relches
bleiben. Eachen links) Ich will Sie nicht an das
bekannte Sptichwort erinnern, nach dem man eine
beſtimmte Art von Menſchen am vielen Lachen erkennt.
Fuͤrſt Bismarck wußte immer genau was er wollte, alle
Anfeindungen koͤnnen das nicht aus der Welt ſchaffen.
Quod licet Jovi, non licet — diis minorum
gentium, moͤchte ich ſeinen Gegnern zurufen.



— Neue Enthüllungen. Das, Neue Wiener Tage-
veroͤffenilicht ein Inteiview mit dem Fürnen
Bismarck. DOerſelhe ſagte betreffe der Enthüllungen,
durch den Beſuch des Zaren in Paris ſei die franzoͤſiſche
Frankreich glaubte ſich

der Herausforderung und damit eine ſtete Kriegsgefahr
vorhanden war. Unter dieſen Verhäͤltniſſen hätten die
Enthuͤllungen abkühlend wirken und als Verſtaͤrkung der


Biswarcks Antrag 1890 den neuen Vertrag angefertigt.
Da aber trat ein Konflilt ein. Bismarck habe den
Kaiſer gebeten, er möge ihn als Miniſter des Aus-
wärtigen behalten, bis die Verlaͤngerung des Vertrages
erledigt ſei, aber man Dränge ihn zum Rücktritt.


in Wien und Rom bekannt geweſen. Auf das Lombard-
Verbot gegen ruſſiſche Werte ſei Fuͤrſt Bismarck noch
heute ſtolz. — Graf Herbert Bismarck erkläͤrte zwar, daß
er dieſe Mitteilungen in diefer Form fuͤr apogryph
halte, aber inhaltlich haben fiz eine Wahrſcheinlichkeit

— Die Mißſtände am Mannheimer Gewerbe-
gericht und der Volksanwalt Genoſſe Süßkind. Die
Zentraliſation der Gerwerkſchaften in Mannheine hielt
am Montag Abend in der Gambrinushalle eine Proteſt-


Martin ab, In der nach einer längeren Jeremiade des


der klaͤgeriſchen Arbeiter folgende Reſoluiion angenommen
wurde:

„Die heutige oͤffentliche Arbeiter⸗Verſammlung haͤlt
die auf Veranlaſſung des Herrn Buͤrgermeiſters Martin
erfolgte Ausſchließung des Kaufmanns Suͤßkind als
Arbeitervertreter vor dem Gewerbegericht als im Wider-
ſpruch mit dem Geſetz ſtehend. Durch dieſe Maßregel
hat Herr Buͤrgermeiſter Martin das Vertrauen als un-
parteiiſcher Voiſitzender des Gewerbegerichts verloren.“

Es mag ja fein, daß am Mannheimer Gewerbe-
gericht verſchiedene Mißſtaͤnde herrſchen, die eine öffent—⸗
liche Ausſprache daruͤber notwendig machten, ſind doch auch
 
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