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Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden (7): Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden — 1896

DOI Kapitel:
No. 111 - No. 120 (3. Oktober - 24. Oktober)
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der — Yolkabote“ er-

ſched dreimal wöchentlich.

Verlag und Leitung:

Beidelberg. Hahuhof ſtraſte 9.
Telegramm⸗Adreſſe:

; Yolksbote Heidelberg.

Anzeigenpreis:
Die oͤgeſpaltene Petitzeile 10 Pfg.




— Preis vierteljährlich
durch den Briefträger frei in’s
Haus gebracht Mf. 1.25, am Poſt-
ſchalter oder durch unſere Boten
in Heidelberg 1 M., von unſerer

Erpedition abgeholt SO Pfg.

Loſt Zeitungs Vreisliſte

Ar. 721.






7. Zahrgaug.





Yolitilcber Teil.


Gon Dr. M %og'gr_) _ _


Gedankenlos — ziellos — planlos!
Merkzeichen, die nationalliberale Schutzmarke dieſer
pompöſen Artikel, welche der erſtaunten Welt den An-
bruch einer volkswirtſchaftlichen Morgenröte des
Nationalliberalismus verkündigen ſollen und ſtatt deſſen
Todesgeruch verbreiten. Immer hübſch sine ira et
Studio!
verpflichten, ſich vor allem den Rücken freihalten, Wohl-
wollen feilbieten nach rechts und links wie ſauer Bier,
bedeutſam ſchweigen und lächeln, wohlklingend reden,
geiſtige Heberlegenheit markteren — —: Flöte ſpielen
wollt Ihr auf dem deutſchen Volke, wie Güldenſtern
auf Hamlet, und könnt keinen Ton hervorbringen!
„Wetter!“ ſagt das deutſche Volk wie Hamlet, „meint
ihr, daß ich leichter zu ſpielen bin als eine Flöte?
— Ihr könnt mich zwar verſtimmen, aber nicht auf
mir ſpielen! — — —

Ich ſpreche vom Nationalliberalismus und nicht
von den Nationalliberalen? Der Nationalliberalismus
iſt eine Hoſe aus Gummi elaſtikum. Sie zieht ſich in
die Länge für die Langen und dehnt ſich in die Breite
für die dicken; kurz, ſie iſt die regierungsſeitig appro-
bierte normale Unterthanenhoſe, die ſich jeder brave
Badener auf den Leib zieht, um ſicher zu ſein, wahl-
fähig, hoffähig und dekorationsfähig zu werden. Ver-

boten ſind andere Hoſen gerade nicht; aber man ſieht
3

Die Leute dagegen, die darin ſtecken aus Rück-
ſicht auf die Bequemlichkeit oder die Mode, ſind von
recht verſchiedenem Kaliber. Bei aller Fähigkeit der
nntionalliberalen Hoſe ſich den unteren Extremitäten
anzupaſſen, ſchlottert ſie doch dem Einen wie ein aus-
geblaſener Luftballon und platzt beim Anderen gefährlich
aus den Nähten. ——
Außer als Hoſe von den beſchriebenen Eigen-


ſchon lange nicht mehr. Man ſtelle mir hundert
badiſche Leute vom Orden der elaſtiſchen Hoſe zur
Verfügung und verpflichte mich nachzuweiſen, daß
jeder von ihnen in den wichtigſten politiſchen und
ſozialen Dingen eine andere Anſicht hat — vorausge-
ſetzt immer, daß er überhaupt eine hat, was ja unter
Nationalliberalen kein unbediagtes Erfordernis iſt.
Nur in einem ſind ſie alle einig: Im Lobe der
Normalhoſe. '

So lange es noch Verehrer dieſes Kleidungs-
ſtückes giebt, welche es verzückt anſchauen, wie jene
Bupddhiflen, die ſich in die Betrachtung ihres eigenen
Nabels verſenken, iſt der Nationalliberalismus aller-
dings noch nicht tot. Allex Wahrſcheinlichkeit nach
wird er noch eine geraume Zeit hindurch aus dieſer
Betrachtung die Fülle jener politiſchen und ſozialen
Weisheit ſchöpfen, die uns aus den Artikeln der


Aber wenn das der Nationalliberalismus iſt, der
kommen ſoll, ſo rate ich dringend: Laſſen Sie ſich be-
graben! Es macht immer einen kläglichen Eindruck,
wenn das Alter den Verſuch macht, jung zu ſcheinen.
Die gute alte Zeit ruſt kein Parteitag zurück; tröſten
Sie ſich mit der Salomoniſchen Weisheit, daß alles
Ding ſeine Zeit hat!

Anſtatt der nationalliberalen Gummihoſe auf ıhrer
ſtark durchgeſeſſenen Partie einen volkswirtſchaftlichen
Flicken aufzuſetzen, bedenken Sie das praktiſche Bibel-

wort: „Man füllt keinen neuen Wein in alte
Schläuche!“ Entſchließen Sie ſich kurz und hängen

Sie das ſtark mitgenommene, arg zuſammengeſchnurrte,
ehrwürdige Kleidungsſtück in irgend einem National-
muſeum auf. Dort können Sie'z ja dann gelegentlich
mit ſchweigender Wehmut betrachten und dabei dem
in Abrahams Schoß ruhenden Lasker eine Thräne
pietätvolle Rückerinnerung weihen.

Den Jungen und thatkräftigen unter Ihnen aber,
welche den Mur dazu haben, mitzuthun, wo wir ver-
ſuchen, die Zukunft unferes Volkes kampf- und hoff-
nungsfreudig neu zu geſtalten, rufe ich mit Goethe zu:









Feiger Gedanken
Bängliches Shwanken
Macht uns nicht glücklich,
Macht uns nicht frei.

Allen 8 ;
Zum Trutz ſich erhalten *
Nimmer erkalten, *
Rufet

die Arme der Goͤtter herbei!
— Beitgefdhichte, ;
Deutſchlaud. Durch Kabinetsordre vom 30. September












worden Kontreadmiral v. Arnim iſt von dieſer Stelle
entbunden worden. Vizeadmiral Köſter, bisher Chef des


Marineſtation der Oſtſee, zum Chef des erſten Geſchwaders
ernannt worden. 2—
— Der Erhgroßzherzog von Oldenburg hat ſich in
Kiel mit der Prinzejfin — von Mecklenburg verlobt.
— Zur Ausführung des Börſengeſetzes liegen dem


tragung, die Veröffentlichung der Geſamtliſte u. ſ. w. be-


egiſter, Handelsregiſter,
Genoſſenſchaftsregiſter, erfolgen. Im Meichsamt des
Innern werden demnächſt koͤmmiſſariſche Beſprechungen


den verſchiedenen Börſen zum Gegenſtand haben werden.

Oeßerreidh-Angarn. Der neue ungariſche Reichs-
tag ſoll für den 20. November einberufen werden. Die
Wahlen beginnen wahrſcheinli

Jraukreich. Cherburg, Okt. {
Fremdenzufluß Hrömt nach Cherbourg, die Eiſenbahnzüge
kommen mit Verſpätung von mehreren Stunden ein,
wegen Ueberfüllung der Geleiſe. Von allen Seiten mar-
ſchiert Militär ein. Auf der Rhede ankert das Nordſee-
eſchwader. Soldaten aller Waffengattungen von der
See⸗ und Landarmee durchziehen die Straßen gruppen-


Frankreich!' Es iſt jetzt kaum möglich, ein Unterkommen
Für Zimmer werden unerhörte Preiſe ge-
fordert. Das Weiter iſt regneriſch. *

Türkei. Der „Köln. 3Zig.” zufolge ließ der Sultan
in den letzten Tagen den deutſchen Botſchafter zu ſich ent-
bieten, um ihn um Rat zu befragen. Der Botſchafter
habe ſehr ernſte Warnungen erhoben. Auf Anraten des
77 einer Macht, die ohne jelbſtſüchtige Zwecke der
Türkei

worden.


Unruhen untex den Wahehe erweiſen ſich, den „Berl.


ſtande oder allgemeinen Unruhen unter den Wahehe iſt
nichts zu bemerken. Dem Auſchein nach hat nur eine
kleine Abteilung derſelben einen Raubzug bis nach Ugogo
gemacht, zu deren Beſtrafung es keines großen Truppen-
aufgebots bedarf. *


ſeinen Begleitern auf dem „Seeadler“ nach Darzes-=


ſtierte. Wie es heißt, iſt der engliſchen Regierung bereits
vor mehreren Tagen amtlich die beabſichtigte Ueherführung
des Prätendenten nach der deutſch-oſtaftikaniſchen Küſtẽ
mitgeteilt worden. — — - x

— Nach einer telegraphiſchen Meldung des „Figaro“
aus Madagaskar iſt General Gallieni auf dem
nach Tananaripg in den Wäldern von aufſtändiſchen
Banden angegriffen worden. Drei Träger wurden ver-
wundet, der General kam wohlbehalten in Tananarivo
an und verhängte daſelbſt alsbald den Belagerungszuſtand.




partei für Baden, Pfalz und die Reichslande
welcher am Sonntag, 4. Oktober im Bellevuekeller zu
Mannheim ſtattfand, hat einen überaus erhebenden
Verlauf genommen. Aus 41 Orten der drei in Be-
tracht kommenden Länder waren Vertreter zu dem-
ſelben erſchienen und der Erfolg der Baratungen war
Indem wir uns

aufſparen, wollen wir für heute nur in großen Um-
riſſen ein Bild von den Verhandlungen geben. —

Gegen halb zwölf Uhr eröffnete in Stellvertretung
des 1. Parteivorſitzenden, Herrn Konſul Köſter!
welcher ſich augenblicklich auf einer größeren Reiſe be-
findet, Herr Karl Schilling-Mannheim den Parteitag.
Er begrüßte in herzlichen Worten die zahlreich er-
ſchienenen Parteivertreter und brachte dann — wie es
bei allen Tagungen und Verſammlungen unſerer
Deutſch-ſozialen Reformpartei Sitte iſt — ein drei-
faches Heil auf Kaiſer und Großherzog aus, in das
alle Anweſenden begeiſtert einſtimmten. An den Groß-










Wortlaut hatie: — 2
7 „Der in Mannheim im Bellevuekeller tagende
Parteitag der Deutſch⸗ſozialen Reformpartei für
Baden, Pfalz und die Reichslande entbietet Ew.
Königl.
Gruß.


„S. Kgl. Hoheit der Großherzog dankt den
Kundgebung. —4—
Frh. von Babo.“
Bevor in die Tagesordnung ſelbſt eingetreten
wurde, machte der Vorſitzende die von der ganzen Ver-
ſammlung mit großem Jubel aufgenommene Mitteil-
ung, daß in einer Vorbeſprechung zwiſchen Delegierten
pon Heidelberg und Karlsruhe die Verſchmelzung


daß die Leitung der Partei nunmehr wieder eine ein-


Heidelberg. Weitere Beſchlüſſe dieſer Vorkonferenz,


ſind nicht weniger erfreulicher Art.


ſind heſonders folgende hervorzuheben. Herr General-
ſekretär Goebel gah einen Ueberblick über die Thätig-


Parteitage.

wahlen die beſten Ausſichten auf Erfolg vorhanden
ſeien. Freilich ſer noch eine recht angeſtrengte Arbeit
nötig, und alle Geſinnungsgenoſſen hätten die Pflicht
überall in ihren Bekanntenkreiſen für die Partei zu
Auch in der bayriſchen Pfalz und in den
Reichslanden werde jetzt kraͤftig mit der Parteiorgani-
ſation vorgegangen, und auch dieſe beiden Länder
böten ein dankbares Feld für die Parteibewegung.
Im Anſchluß an diefen Vortrag wurde ein An-


in „Deutſch⸗ſoziale Reformpartei für Baden

Die zum all-
gemeinen Parteitage nach Halle zu entſendenden Dele-
gierten werden beauftragt, demſelben dieſen Beſchluß
zur Kenntnisnahme zu unterbreiten.


Thätigkeit auf die Pfalz und die Reichslande machte
ſich auch eine Erweiterung des Vorſtandes
nötig. Derſelbe wurde um zwei Mitglieder vermehrt,


landen gewählt wurde. Im übrigen wurde der bis-

herige Vorſtand wiedergewählt, mit Ausnahme eines


Arbeiten eine Wiederwahl ablehnte. An deſſen Stelle
wurde Herr F. Schmidt-Karlsruhe zum Vorſtands-
mitgliede wählt.

Von den zahlreichen Vorträgen erwähnen wir für
heute nur den des Herrn Schmidt-Karlsruhe über
die Handwerkervorlage der preußiſchen Regier-⸗-
ung, die der Redner, wenn ſie auch lange nicht das
erfülle, was man hätte erwarten können, für ſehr zweck-
dienlich hält. Es wurde folgende von ihm vorge-
ſchlagene Reſolution einſtimmig angenommen:
„Die heute in Mannheim verſammelten Ver-
trauensmänner und Delegirten der Deutſch⸗ſozialen
Reformpartei für Baden, Pfalz und die Reichslande
begrüßen den von der kgl. preußiſchen Regierung beim
Bundesrate eingebrachten Geſetzentwurf betreffend Or-
ganiſation des Handwerks, billigen die von der unterm


Handwerkerkonferenz hieran vorgenommenen Aender-
ungen, empfehlen die Vorſchläge den verbündeten
Regierungen zur geneigten Berückſichtigung und vitten
die Großh. Badiſche Regierung, daß ſie im Bundes-
rate ihre Stimme zu Gunſten dieſer Geſetzesvorlage
abgeben möge.“
Wie ſchon eingangs erwähnt, herrſchte — trotzdem
ſich an die einzelnen Punkte der Tagesordnung lebhafte
Beſprechungen anknüpften, ein durch und durch ein-
mütiger Geiſt in der Verſammlung, ſodaß dieſelbe
nicht durch den geringſten Mißton geſtört wurde.
Außer den aus Nahnnnd Fern herbeigeeilten Partei-
genoſſen bekundeten viele andexe, die durch ihre Ge-
ſchäfte ꝛc. am Kommen verhindert waren, durch herz
liche Begrüßungsſchreiben und-Telegramme ihr warme-
S




 
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