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Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden (7): Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden — 1896

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No. 21 - No. 30 (21. Februar - 14. März)
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https://doi.org/10.11588/diglit.42841#0085

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(Dienstags, Douner Stags und Samstags).
erlag und Seifung: Heidelberg, Bahuhofſtr. 5.

Telegramm-Adrefje: Volkshoie Heidelberg,
— Die Fheſpaͤltene Garmondzeile 10 Pfg.
















8— — —







8














S rets ber teſaͤhrſtch


ab 8 * 80 Pfs.

}
durch — —— Mk. 1.—,
Zoſt⸗ — Srelsliſte At.



















Heidelberg, den 21 Sebruar 856.

7. Jaheg.





Die dritte General⸗Berſammlung des
Bundes der Laudwirte

fand, wie ſchon mitgeteilt, am vorigen Dienſtag im

Zirkus Buſch zu Berlin ſtatt. Derſelbe war bis zu

den höchſten Bänken gedrückt voll. Der weitaus größte


Eittel mit der Mütze oder dem Reiſehut bekleidet.
Unter den Anweſenden bemerkte man eine große Zahl
von Mitgliedern des preußiſchen Landtages und des
Deutſchen Reichstages, insbeſondere die Vertreter der
Deutfch ſezialen Reformpartei und der heiden
konſervativen Parteien. An verſchiedenen Tiſchen
wurde allen Ernſtes behauptet, auch der — Abg. Lieb-
knecht ſei im Saal anweſend. Als gegen 1 Uhr der
Abg. Plötz, der Vorſitzende des Bundes, am Vor-
ſtandstiſche erſchien, wurde er mit
Hochrufen empfangen. Punkt 1 Uhr 10 Min. exöffnete
Hert v. Plötz die Verhandlungen. Das auf Seine
Majeſtät den Kaiſer ausgebrachte Hoch wurde mit nicht
endenwollendem Jubel aufgenommen. Die Rede des
Herrn v. Plötz wurde mit ſtürmiſchem Beifall begrüßt,
Lyonderẽ die Betonung der Reichstreue * Landwirte,
das Intereſſe der Landwirtſchaft für den Mittelſtand,
des — der Landwirtſchaft gegen die rote und
goldene Internationale und beſonders die Tukündiguͤng
der wiederholten fortgeſetzten Einbringunß
des Antrages Kanitz. Dr. Suchsland erſtattete
den Bericht über das verfloſſene Vereinsjahr und be-
merkte, die agrariſchen Beſtrebungen erfölgten auf
wiſſenf ſchaftlichẽr. bisher unwiderlegter Grundlage.
Caprivis Abſchied ſei kurz, aber ſchmerzlos geweſen.
Der hiervon und von der Audienz beim Kaiſer erhoffte
Erfolg ſei leider nicht eingetreten. Fürſt Bismard
habe am 9. Juni 1895 geſagt, daß die — Hilfen,
welche der Landwirtſchaft gewährt würden, nicht ſo
angewendet würden, wie es wohl woztich wäre.
Redner beurteilte den neugegründeien Städtebund ab-
fällig. Es ſei ſchlimm, daß ein Egenle⸗ zwiſchen
Stadt und Land konſtruirt worden ſei. Im weitexen
Verlaufe der Generalverſammlung des Bundes der
Landwirte wurde dem Vorſtand Entlaſtung erteilt.
Röſicke führke aus, der vom Bund angeſtrebte wirt-
ſchaftliche Lusgieſch ſei nur durch große Mittel er-
reichbar. Ueber ihre Königstreue erkennen die Mit-
glieder als Richter nur Golt und ihr Gewiffen an.
Cebhafter Beifalh. v Plötz führt aus, es ſolle ein
neuer Invaliditätsgeſeßentwurf als Initiativantrag
eingebraͤcht werden. An der weiteren Beratung be-
teiligten ſich v. Kröcher, Arenſtein, Graf 40* und
Dr. Dertel, Referent Lindftröm fordert zum Kampfe
gegen den ZwifchenhHandel auf allen Gebieten auf.


Regierung aufzufordern zu einem unverzüglichen Vor-
gehen in Sachen der Befeſtigung der Getreidepreiſe,
der Doppelmährung ſowie der Bekämpfung des
Differenzſpiels in Getreide und Muühlenfabrikation
wird einſtimmig angenommen.
Sodann wurde in der freien Ausſprache weiter
fortgefahren. Herr v. Dieſt⸗Daber ſpricht ſich ſehr
ſcharf gegen den Landwirtſchaftsminiſter aus, der ſich
auf ſeinen Dienſtreiſen beſſer hätte unterrichten ſollen.
Die gegenwärtige Regieruee gefalle dem Großjuden-
tum ausgezeichnet. — „Halten wir!, ſo ſchloß er, „feſt
— zufammen, dann werden wır auch dieſen Bann brechen.
(Stürmifcher Beifall.) Ganz außerordentliche Ovationen
wurden unſerm Reichstagsabg. Herrn Liebermann
5 v Sonnenberß dargebracht/ die ſich zu ſtürmiſchem
Jubel geſtalteten, als er das Wort ergriff.
Berr v. Liebermann beſprach in draſtiſcher Weiſe
die Vorgänge im Reichstage bei Beratung des An-
trages Kanitz! Es iſt geſagt worden, wir, die An-
hänger des Antrages, hätten gebrüllt. Das iſt nicht
waͤhr, da haben die Judenzeitungen wieder einmal ge-
— Sie brüllten, weil ich am Vorabende des
Juͤbelfeſtes des Deutſchen Reiches ein warmes
Kortdes Dankes an den Fürſten Bismarck
gebrauchte Da ſtürzten die Leute von links aus
den Wandelgängen herein und brüllten, ohne zu wiſſen,
—_ wa8 ich ſagie, und ſie brachten Töne hervor, wie man
ſie ſonſt im —— Reichstage hört. (Stürmiſche








ſteigert und habe den Lärm überſchrieen und darin
hatte ich recht. Großer Beiſall) Der Antrag Kanitz
wird wiederkommen, nur aber nicht die Leute, die in


gegen den Antrag ſtimmten (Beifall.) Wir appellieren
von der ſchlecht unterrichteten Regierung an die beſſer
zu unterrichtende. , Den Auzdruck „gemeingefähr-


ſerem Volke das aus dem Herzen reißen wollen, was


glauben Treue zum Fürſten. und zum ange-
——⏑ Herrſcherhauſfe. Wenn wir ſo den


wir unfere Aufgabe erfüllen, und die Leiter unſeres


Gott davor — Stürmiſcher, immer erneuter Jubel
und Beifall folgte dieſen Worten, Immer von neuem
erſcholl der Ruf: Hoch Liebermann! und der Jubel


maͤls voͤrtrat und fagte: „Meine Herren, ich bitte
treiben Sie keinen Perſonencultus, die Saͤche

gilt alles, die Perſon nichts. Von neuem brach ſich


Wort nahm, der in launiger Weiſe, an die Wahl des


rückt ſei. Und das ſei nötig, weil das Judentum
die Haupturſache unſerer wirtſchaftlichen Schäden ſei.


des. (Großer Beifall.)
Nach weiteren Anſhrachen der Herren Dr. *
Luck, Ring und Major Engel wurde die Verſammlung


dem üblichen Huch geſchloſſen. Die eingegangenen An-
träge wurden, da der Cirkus geräumt werden mußte,
dem Vorflaͤnd übexwieſen. — Die Teilnehmex ver-


lung zu einem gemeinſamen Mitlagsmahle in Keller' $
Feſtfälen.
Die von der Verſammlung angenommene Reſo-


1. Der Bund der Landwirte nimmt zu den ſoge-


a) Der Bund der Landwirte ſteht nach wie vor
auf dem Standpunkt, daß der Körnekbau die naͤtür-


daß von den zu ſeiner Erhaltung und Hebung vorge-
ſchlagenen Mitteln dex Geſetzentwurf über die Befeſtig-
ung der Getreidepreiſe auf mittlerer Höhe zu einein


klagen die ſchroffe Zurückweiſung unſexex Anträge ſei-
tens der verbündeten Regierungen, insbeſondere feitens
des preußiſchen Landwirtſchaftsminiſters, umſonehr, als
von demſelben nicht beliebt worden iſt, in eine ſachliche
Beurteilung der von uns vorgebrachten Gründe einzu-
treten. Die Ausführungen der Vertreter der verbün-
deten Regierungen haben unſere Ueberzeugung von der
Durchführbarkeit und Wirkſamkeit der von uns vor-
geſchlagenen Maßnahmen nicht zu erſchüttern vermocht.

b) Der Bund der Landwirte bedauert es auf das
tiefſte, daß, obwohl die Landwirtſchaft in allen Gold-


ungsverhältniſſe leidet, bei der 444 des Herrn
Reichskanzlers im Richstg die deutſche Landwirtſchaft
nicht einmal erwähnt iſt. Der von den verbündeten Re-
gierungen zur Löſung der Währungsfrage eingeſchlagene
Weg konnte nur zu einem 44 führen und muß
den Eindruck erwecken, daß eine Löſung zur Zeit nicht


daß die verbuͤndeten Regierungen unverzüglich und mit
aller Kraft an die Löſnng der Währungsfrage heran-
treten werden, ſobald von Seiten Frankreichs, Nord-
anierikas oder Englands die Bereitwilligkeit, in Ver-
handlungen einzutreten, verlautbart.






“ e) Die Forderung einer gründlichen Reform der

Geſetzesentwurf, noch das Auftreten der Vertreier der-
ſelben bei den Berathungen der Reichstagskeumifſion
kann den berechtigten Forderungen genügen. Das Diffe-
** in Getreide und Mühlenfabrikaten iſt zu ver-
ieten

3. Was die fogenaunten kleinen Mittel —
ſo kann der Bund der Landwirte von Dder
Durchführung derſelben einen bedeutſamen Erfolg nicht
erhoffen. Der Bund wird trotzdem nicht nur ſeinerſeits
ſon-
dern auch die von anderer Seite gebraͤchten eingehend-
ſter Prüfung unterziehen. Wir erwarten von den zu -
ihrer Beratung berufenen Körperſchaften, daß auch ſie


badiſche Organ, die nationalliberale „Karlsruher Ztg.“
einen heftigen Angriff auf den Bund der Landwirte,
deffen Wirken ſie „gemeingefährlich“nennt, und gegen den
Antrag Kauitz. Man ſieht alſo vieder daß es ein
Unding iſt, wenn Kalonalliberaie, die außer


Landwirtſchaft, betreiben, dem Bunde angehoͤren. Eben-

ſo aher iſt es auchein Unding, daß Ladiſche Bauern
dem Bund der Landwirte, wie er in Yaden beſchaffen
iſt, beitreten. Die Ntidnalliberalen haben ſich bekannt-
lich der Leitung desſelben hemachiet un Bauern:
Die wahre Vertretung des badi-
ſchen Landwirtys iſt 2 * der —

Bauernbund.





R — 7— en
— Eine Mede des Aeichskanzlers. Mittwoch
fand im Kaiſerhofe zu Berlin ein Feſtmahl ſtatt,
belhes der Bundesrat aus Anlaß ſeines 25jährigen
Beſtehens abhielt. Dabei brachte der Reichskanzler
i}urft Hohenlohe folgenden Toaſt aus: „Meine Herren!
Ich darf es als eine beſondere Gunſt des Schickſals


Bundesrat die Feier ſeines 25jährigen Beſtehens be-


auszubringen. Wer auf Bicheihe politiſche Thätig-


ſeit ich in die Bayeriſche Kammer der Reichsräte ein-
geführt wurde — und wem das Zeugnis nicht verſagt
werden kann, daß er ſich während dieſer Zeit fters
vom nationalen Gedanken der Wiederaufrichtung und


darf den heutigen Tag auch als einen Ehrentag für
ſich betrachten. Fürchten Sie aber, meine Herren, keine
Ueberhebung meinerſeits; ich weiß wohl, daß heute au
dieſer Stelle ein anderer, ein beſſecer und größerer
Mann ſtehen ſollte, der Mann, in dem das
deutſche Bolk, nächſt dem großen Kaiſer
Wilhelm, den Gründer ſeiner Einheit


Tage; — ich weiß wohl, daß mein Anteil an der
Reichsarbeit ein beſcheidener war, und daß es mir
nur vergönnt war, teilzunehmen an den Vorarbeiten,


Jahre 1870 die Feſtung emporwuchs. Aber, auch
jene Anfänge waren als Einleitung unentbehrlich, und
ich freue mich, daran Teil genommen zu baben. Zu-
dem verdanke ich jener Zeit eine wertvolle Erfahrung;
ich verdanke ihr das Verſtändnis für die Opfer, welche
die deutſchen Fürſten gebracht haben, als ſie in patrio-
tiſcher Hingebung ſich dem deutſchen Reiche anſchloſſen.
Wenn Sie zurückblicken auf die Geſchichte der letzten
zwei Jahrhunderte, jg auf unſere ganze deutſche Ge-
ſchichte, fo tritt vor Ihr Auge die allmähliche Erſtark-
ung der deutſchen Fürſtenmacht — freilich war es
nicht immer zum Nutzen des Reichs, — und Sie be-
greifen dann — vom rein menſchlichen Geſichtsxunkte
aus — das auf hiſtoriſcher Grundlage beruhende
Selbſtbewußtſein der einzelnen Staatengebilde. Mit
dieſem Selbſtbewußtſein mußte die nationale Beweg-
 
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