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Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden (7): Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden — 1896

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No. 61 - No. 70 (9. Juni - 30. Juni)
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https://doi.org/10.11588/diglit.42841#0257

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Der „Badifdye Yolksbhote“ er-
ſcheint 3ntal möchentlich (Diens-
‚1ag, Donnerstag und SamStag). .

‘ — AD ⏑ .

Beidelberg gahuherſtvaße s5.
ECLelegramni Adreſſe::

Yolksbote Heidelberg, -







7 Yreis vierteljahrlich
‚ durch den Briefträger frei ins
„ Haus gebracht M 1.25, am Bojt=-
ſchalter oder durch unfere Boten
in Heidelberg 1 M, von unſerer
Expedition abgeholt 80 Pfg.





ARAwetgeuurets. ; 4 Poß-Zeitungs-Preislißte
Die Sgefpaltene Petitzeile — 4 — * A f / OM — D
EA 2 Deidelberg, Dienstag, den 16, — - 90000

Rolttiſcher Teil. .
— + Cine Yede des badiſchen Finanz-
miniſters guchenberger
. 5 Die Abgeordneten der bad Kamwer und Mit-
glieder der Regierung machten am vorigen Dienstag
„ einen Ausflug nach Badenweiler. . Unter den vielen
Reden und Toaften, die bei dieſem Aulaß gehalten
purden, haben die Worte des Finanzminifters Buchen-=
berger große Beachtung gefunden. Er führte nach
verſchiedenen Zeitungsmeldungen ungefähr aus:
) „Wir leben in einer wirtſchaftlich und politiſch
Ehr erregten Zeit, in einer Zeit die man wohl charakteri⸗—
ſieren kann, als die Zeit eines wirtſchaftlichen, ja welt-
wirtſchaftlichen Uebergangsprozeſſes, unter dem wohl
nur deshalb ſo viele leiden, weit ihnen die nötige Au-
paſſung an die völlig veränderten Verhäliniſſe noch
_ nicht oder noch nicht völlig gelungen ift. In folchen
kritiſchen Zeiten wirtſchuftlichen Nebergangs erhebt ſich
ganz naturgemäß der Ruf, daß der Stäat ausgleichend,
lindernd, helfend einſchreite. Dies Verlangen ift ein
Zanz gerechtfertigtes und es iſt gut, daß der Staat
ſeine Aufgabe, die Aufgabe einer ſchützenden, ſchirmen-
den Interbentionspolitik begriffen und von den Wegen
“ einer gedankenloſen Politik des Gehen- und
Heſchehenlaſſens abgewichen iſt. Mindergut aber
iſt es, wenn jedes neu auftauchende Leiden, jede neu
ſich einſtellende wirtſchaftliche nnbehaglichkeit!
ſoſert zum Ausgangspunkt einer Bewegung gemacht
wird, die verlangt, daß die Geſetzgebungsmaſchinerie
yon MNenem in Bewegung geſetzt wird, weil folche
Augenblicksſtimmungen entftammenden Geſetze durch
den Gang der wirtſchaftlichen Ereigniſſe oft ſchon nach
kurzer Zeit wiederholt zu werden pflegen und weil
manche Erfahrungen dafür zu ſprechen ſcheinen, daß
ſolche nach wenigen Jahren ſchön als abänderungsbe-
dürftig erkannten Geſetze häufig nicht das erfuͤllen,
was man ſich von ihnen verſproͤchen hat. Minder gut
iſt auch, wenn in der Bevölkernng die Wirkung ſtaat.
Ucher Geſetze überſchätzt wird, wenn man ſich verleiten
läßt, an eine faſt myſtiſche Kraft von Geſetzen zu
_ glauben, als ob die Thatſache der Erlaſſung eines Ge-
Etzes allein ſchon imſtande ſei, Leiden und Schwierig-
keiten die oftmals mehr in der individuellen Natuͤr
des Einzelnen, als in der Allgemeinheit der Dinge
mwurzeln, von heute auf morgen zu beſeitigen. Minder
gut ift das alles weil der Ruf nach einer, das wirt-
ſchaftliche Leben bis in alle Einzelheiten reglementiven- |
den Gefeggebung ſchließlich zu einer wirtſchaftlichen
— und fozialen Staatsallmacht führen müßte, die den
fulturellen Fortſchritt nicht ſowohl foͤrdert als
hemmt, _ Alfo_ ftaatliche Interventionspohtit (Gin-
miſchung aber innerhalb vernünftiger @renzen, Schuß
und Förderung aller wichtigen Intereſſen, aber auch
nur diefer; und ſelbſt innerhalb dieſer Grenzen jeder?
eit vorfichtige. Erwägung, ob denn die Heilmittel, die

— zeitigt, auh wirkliche Heilmittel find, —⏑

Zur Crinnerung an den 16, Inni IS?I.
Dieſes und das verfloſſene Jubiläumsjahr hat
uns eine reiche Fülle ſtoͤlzer Erinnerungen an
Dden von den verbündeten deutſchen Volksſtämmen gegen
Fraukreich geführten glorreichen Krieg gebracht.. Auch
der 16, Juni iſt wert, daß man ſeiner gedenkt.
Tee Waffen ruhten; heim zogen, mit-Lorbeer ge-
ſchmückt, Die deutſchen Krieger in die jubelnde Heimat.
deftesraufchen, flatternde ſchwarz⸗ weiß-rote Fahnen,
mit Waldesarün und Blumen geſchmückte Feftfiraßen,
jauchzende Volksmengen überall im jungen Deutfchen
Reiche Aber am glänzendſten geftaltete ſich doch vor
nun 25 Jahren der Einzug der Garde und der Depa-
tationen des gefamten deutſchen Heeres durch das

Berlin, und an der Spitze der 42000 Mann des
vberſten Kriegsherrn, Kaiſer Wilhelms. Auf dem
Tempelhofer Felde hatte er die Einzugstruppen be-
fichtigt, denn ſetzte ſich der Zug in Bewegung durch
die Belle-Alliance Straße . zum Haͤlliſchen, durch die
Königgräßer Straße zum Brandenburger Thor. Auf
dem Asfanijchen Plage tönten dem Kaiſer aus 10000
jugendlichen Schülerkehlen von einer Rieſentribüne
herunter der begeiſterte Geſang der „Wacht am Rhein“
—— e e —





oh nicht einzelne unter den angeregten zu ſolchen ge-
hören, die in das Gebiet voͤlkswirtſchaftlicher
Quacſalbereien zu verweiſen find. Und immer
wird bei aller Notwendigkeit, daͤs politiſche und wirt-


dankeninhalt zu erfüllen, der alte Wahrheitsfpruch be-
ſtehen bleiben: „Selbſt iſt der Mann!“. —


faatsmännifche Rede - erſter Klaſſe bezeichnet worden,


regierung von ſelbſt verſtehen jollte. Es iſt ganz klar,
daß nicht bei jeder „mwirtfhaftlihen Unbehaͤglichkeit“
die Staatsmaſchine in Bewegung geſetzt werden darf,
ſoͤndern nur dann, wenn ſich weile Volksklaſſen auf
einem ſo rapiden Wege des Niedergangs befinden, daß


wirtſchaft und dem Haͤndwerk, welche durch eine
fehlerhaft geleitete Staatsmaſchine (wir erwaͤhnen nur
die Capriviſchen Handelsverträge und die von den
Liberalen aller Schattirungen durchgeſetzte Gewerbe-
freiheih an den Rand des wirtſchafklichen Abgrunds
gebracht worden ſind. Wenn die gefetzgebenden Körper-
ſchaften Dummheiten begangen haben, jo wäre es eine
neue Dummheit, wollte man die dadurch geſchaffenen


muß die intereſſierte Maſſe der Wähler vielmehr darauf


Koͤrperſchaften wieder — ſoweit es überhaupt noch
möglich iſt — wieder gut gemacht werden, d. h. fie


Kammier wählen, die die Staatslokomoͤtive von dem


des Berrn Miniſters: „Selbſt iſt der Mann!“
Jeder Staatsbürger ſoll ſich bei den Wahlen nach
ſeiner Ueberzeugung richten und ſich nicht beeinfluffen
laſſen durch nationalliberale Oberamtmänner und in
Demut erſterbende nationalliberale Bürgermeiſter.
Selhſt iſt der Mann! und hat der Bauer, der Hand-
werker, der kleine Geſchäftsmann nicht den Mut, aus
Beſorgnis vor kleinen Unannehmlichkeiten, durch
offenes Eintreten für das große Geſamtwohl des
Mittelſtandes zur Beſſerung der wirtſchaftlichen Lage


Auch wir ſind Feinde „mwirtfchaftlicher Quack-
ſalbereien! und deswegen begnuͤgen wir uns nicht mit
den kleinen Mitteln zur Hebung der Landwirtſchaft,
ſondern wir wollen eine durchgreifende Befferung
herbeiführen, wie ſie der Antrag Kanig in ſich ſchließt
.. Wir wollen dem Handwerk ebenfalls nicht wit
Quackſalbereien helfen, ſondern wir verlangen, daß
dasſelhe gefräftigt. wird durch Aufhebung der zügel-
loſen Gewerhefreiheit, die ſchön längft zur Gewerbe-
frechheit ausgeartet iſt, und durch Schaffung einer
feſten Organifation in Geſtalt von Handwerksinnungen,
die nicht mit den alten und veraltelen Zünften zu der-
wechſeln ſind. Wenn der Herr Miniſter Bucheuberger

Brandenburger Thor; dicht vor dem Kaiſer ritten die
drei Paladine: Bismarck, Moltke, Roon; dem Kaiſer
folgten unmittelbar der Kronprinz, Prinz Friedrich


worunter auch der Großherzog von Baden, nun die
Truppen, an ihrer Spitze die eroberten Feldzeichen.
Die Muſik tönte, die Glocken läuteten, das Volk be-
gleitete den Zug mit immer wieder erſchallendem


Brandenburger Thor wurde dem Kaiſer von einer


hatte er ihn in Empfang genommen, da fiel ſein Auge
auf eine Tribüne, die mil verwundeten Offizieren be-
ſetzt war Da wandte er ſein Roß dorthin und über-


Buut vergoſſen hatten, mit huldvollen königlichen
Worten Lorbeerkränze.


ausgeſtatteten Linden entlang, deren ſchönſten Schmuck
aber die eroberten feindlichen Geſchütze bildeten, die
längs der Straße aufgefahren waren. Am Blücher-
Standbild auf dem Opernplatze machte Kaiſer Wilhelm
Halt und ließ die Truppen an ſich vorüberziehen; an
ihm zogen auch vorüber, weithin im Winde flatternd
und rauſchend, die ſeidenen fünfundfünfzig eroberten
franzöſiſchen Fahnen, mit ſtürmiſchen Hurraͤs von der







_7 Bahrgang. —




und mit uns der Wert-
44 Mittelſtand in Baden, ihm großen Dank
wiſſen. * 4— *

Aus dem ueuen birgerlichen
Geſetzkuche. .

Gegen den Entwurf des neuen — Ge-


Neichstagstommiffion beinahe gar Feine Einwendungen


dem Erbrecht der unter der Herrſchaft des Code civil _


Beſtimmungen.

Eine der wichtigſten Neuerunge des Eutwurfs


Nach dem Code civil iſt der Ehegatte
Erbſchaft berufen, wenn der Erblaffer weder erbfähige
Erben, noch anerkannte natürliche Kinder hinterläßt. -
Der Ehegatte des Verſtorbenen geht daher bezüglich
der Erbſchaft des vorberſtorbeneuͤ Ehegatten in der


ſelbſt in dürftigen Vexmögensverhältniſſen iſt. Diefe
Därte hat nun der Entwurf des neuen Bürgerlichen
Beſetzbuches gemildert. ‘
Ehegatten beträgt, wenn Erben erfter Ordnung —


jaft, und wenn der überlebende Ehegatte nur mit


die Hälfte der Erbſchaft.
dritten oder weiterer Ordnungen vorhanden ſind, kann
der überlebende Ehegatte den ganzen Nachlaß erben:


der zweiten Ordnung oder Großeltern Konkurriert, ge-
bühren ihm noch ferner die zum ehelichen Haushalte
gehörenden Gegenſtände und die Hochzeitsgeſchenke als
Voraus. * * ——
Dieſes dem überlebenden Ehegatten von dem Ent-


innigen Lebensgemeinſchaft, wie jie durch die Ehe be= -


in denen es teilweije nicht beſtand, wohl ohuͤe Bweifel


Eine weitere einſchneidende Verſchiedenheit des


leßteren die Seitenverwandten bis zum zwölften
Grade erben, der Entwurf nur den Seitenvermandten
his zum fünften Grade ein Erbrecht gewaͤhrt Der


hinaus das Bewußtſein der Familienzufammengehörigleit
nicht mehr vorhanden ſei und der Uebergang des Ver- *

*) NMachdruck nur mit Genehmigung geſtattet.

Menge begrüßt. Dann ordnete ſich alles im weilen
Kreife um das noch verhüllte Denkmaͤl König Friedrich
Wilhelms III. im Luſtgarten. — R
Die franzöſiſchen Feldzeichen wurden am Fuße
des Denkmals niedergelegt; die Hülle fiel, RKaifer
Wilheln ſalutierte, das edle, tief ergriffene Antlit zu


zogenem Degen, die prinzlichen Feldmarfchälle begrüßten
mit ihren Marfchallsftäben das Bild des Großvaters;
die Truppen präſentierten, die prenßiſchen Fahnen


pielten: Heil dir im Siegerfranz“; alle Glocken
läufeten, und 101 Kanonenſchilſſe erſchiltterten die Luft.
Dann erfchoX der Choral: , Nun danket alle Gott!”,
in den die Anweſenden tiefbewegt einftimmten,., Abends
erglänzte die Stadt in einem wahren Lichtmeer. Wohl
manche treffende Inſchrift gab das wieder, was aller
Herz an dieſen Tage bewegte, aber treffender konnte
dies nicht geſchehen, als am Hauſe Bismareks. Dort
wehte eine mächtige Fahne mit den Schillerverfen:
Wir wollen ſein ein einig Volk von Brüdern,
‚yn keiner Net uns trennen und Gefahr! ; ..
und darunter ſtand mit des Kanzlers markigen Schrift-
Leopold Eduard Otto von Bismarck,. ı .
geb. zu Schönhauſen in der Altmark am 1. Apiil 1815.
 
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