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Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden (7): Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden — 1896

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No. 61 - No. 70 (9. Juni - 30. Juni)
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Der „Barilhe Molkahote“ er-
ſcheint Zmal wöchentlich (Diens-
tag, Donnerstag und Samstag).
Verlag und Leitung:
Beidelberg. gahuhofſtraße 9.
Telegramm-Adreſſe:
Yolksbote Heidelberg,








Vreis vierteliahrlich
durch den Briefträger frei ins
Haus gebracht Mh 1.25, am Poſt-
ſchalter oder durch unfere Boten
in Heidelberg 1 M, von unſerer

Expedition abgeholt SO Pfg.



Anzeigenpreis: Polt-Zeitungs-Preislifte
Die ögefpaltene Petitzeile 10 Pfg. ; * Ar. 755.
Heidelberg, Donnerstag, den 25. Juni 1896.

M 68.



Zolitiſcher Teil.
Die Würde des ä»i:}]fiugä:


wohl noch nie daͤgeweſenen Weiſe verletzt worden, ſo
erflärte der freiſiinige Vizepräſident Schmidt in der


nannten Abgeordneten einen Ordnungsruf.


Sozialen Blätter“ ſprechen ſich über die Angelegeu-
heit folgendermaßen aus: Der Abg. Bebel hattẽ in
einer Rede zu der Jeſuiten⸗Interpellation des Zentrums
den Fürſten Bismarck einen kleinen, jammervollen
Stümper genannt und hatte, als bei den National-
liberalen und auf der Rechten ſchüchterne Proteſtrufe




dieſe Beſchimpfung wiederholt. Herr Schmidt ſaß
auf dem Präſidentenſtuhle mit leuchtenden Augen und
freute ſich! Als nun der Abg. v. Liebermann in ſeiner
Rede den Spieß umkehrte und die Ausdrücke Bebels über
Bismarck auf das Präſidium anwandte, das derartige Be-




ließe, da ſprang Herr Schmidt kirſchrot auf, laͤutetẽ,


Dieſe Gegenüberſtellung allein kennzeichnet die Unhalt-
barkeit der Auffaſſungen Herrn Schmidts. Die Würde
des Hauſes war allerdings verleßt, aber die Thäter
waren die Herren Bebel und Schmidt geweſen. Herr
Schmidt auf dem Präſidentenſtuhle iſt überhaupt eine
dder ſeltſamſten Erſcheinungen, die man ſich denken kann.
Alle die Eigenſchaften, die man vorzugsweiſe von einem

Präſidenten verlangen kann, als Geſchäftskenntnis, Un-


bei ihm durch vollſtändige Abweſenheit. Seine Ge-
ſchäftskenntniſſe zeigten ſich im hellſten Lichte vor


Zurückſtellung der dritten Leſung des Depotheſetzes ge-
wünfcht, und er ſich darauf in oͤffentlicher Sitzung von


gerade das Gegenteil zuträfe. Unparteilichkeit von
ihm zu verlangen, hieße dem wütendſten Parteigänger
Eugen Richters zu viel zumuten. Geiſtesgegenwaͤrt
kann ſchließlich nur eine innexlich ruhige Natur beſitzen,
wänhrend Herr Schmidt bei jeder Gelegenheit in große
Aufregung gerät. Was ſchließlich den Takt anbekrifft,
ſo braucht man nur an die berühmte Trinkgelderrede
auf dem Dampfer Columbia, an das von Herrn
Schmidt veranſtaltete „deutſchfreiſinnige“ Sektfeft, bei






zur Verwendung kam, an die Mitteilung geheimer Be-
ſchlüſſe aus dem Seniorenkonvent an freiſinnige Jour-
naliſten u. dergl. zu erinnern. ;
Mit der Würde dieſes Reichstages iſt es über-
haupt ein eigenes Ding. Beim Einzuge in ſein neues
prunkvolles Heim konnte er die antimoͤnarchiſche Kund-
ebung der Bebel, Liebknecht und Genoſſen nicht ver-
— und fand auch nicht den Entſchluß, vermittelſt
einer durchgreifenden Aenderung der Geſchäftsordnung
ſolche Vorgänge zu verhindern. Er trat dann feine
Würde mit Füßen, als er mit Mehrheit beſchloß, dem
Gründer des Deutſchen Reiches den Glückwunſch zu
ſeinem 80. Geburtstage zu verſagen. Er bedeckte ſich
nicht gerade mit Ruhm, als er ſich durch die Auf-




Sozialdemokraten⸗Führer keine Spur eines Beweiſes
für ſeine Behauptungen beibringen konnte). Herr
Schmidt hätte alſo klüger gethan, wenn er ſtatt die
verletzte Würde des Reichstages lieber die Verletzung
ſeiner eigenen Perſon betont hätte. Wir geben auch
. gern zu, daß der Abg. v. Liebermann beſſer gethan hätte,

bei ſeinen Ausführungen ſtatt Präſidium Präſident
zu ſagen und dadurch der jetzt verſuchten Deutung die
Spitze abzubrechen, als hätte ſich der Angriff gegen
das geſamte Präſidium gerichtet. Es unterliegt für
uns keinem Zweifel, daß der Herr Vizepräſident Spahn,
wenn er gerade amtiert hätte, die Beſchimpfungen

*) Bezüglich des Dr. Petexz haben wir unſere An-
chten ſchon lange mitgeteilt, Wenn ſich auch die Angaben
Behels zum Teil nicht beſtätigt haben, fo iſt doch von
anderer Seite ſo ſchwer belaſtendes Material, gegen
Dr Peters vorgebracht worden, daß eine Wiederanſtellung
desſelben in deutſchen Staatsdienſten für immer ausge-
ſchloſſen erſcheint. — D. Red. des „Bad. Volksb.“



Bebels gertigt haben würde. Und auch Herr v. Buol
würde ein Gleiches gethan haben, denn wie Eingangs
erwähnt wurde, ſprach Herr Bebel ſehr laut und wieder-
holte ſeine Beſchimpfung zweimal. Daß Herr Schmidt
ſeine Sache als Präſident nicht gut gemacht hat, kann
man auch aus der geſamten antiſemitenfeindlichen Preſſe
erſehen; man beſchimpft zwar den Abg. v. Liebermann,
aber man wagt es nicht, Herrn Schmidts Verhalten
zu loben.
Vorfall ſchweigen. Wie das Land aber über dieſe
Angelegenheit denkt, das hat der Abg. v. Liebermann
aus Kundgebungen erfahren können, die aus allen
Gegenden Deutſchlands telegraphiſch und brieflich bei
ihm einlaufen, und zwar iſt es nicht der antiſemitiſche
„Pöbel“, wie das „Berl. Tagebl.“ ſchreibt, der ihm
Beifall zujubelt und begeiſterte Zuſtimmungserklärungen
ſendet, ſondern ſie kommen bis zu diefem Augenblicke
(19. Juni mittags) faſt ausſchließlich aus Kreiſen, die


Wir wollen zum Beweiſe dafür einige nähere Angaben
über das erſte Dutzend der eingegangenen Kundgebungen,
die ſchon am 18. früh eingelaufen waren (die Zahl


anfügen. Eine Depeſche mit markigen Verſen aus
einer großen Stadt des Oſtens geht aus von einer
Beſellſchaft, die ſich in ihrer Mehrzahl aus aktiven


Einen anderen Drahtgruß ſendet ein akademiſch-
landwirtſchaftlicher Verein aus einem Vorort Berlins.
Aus einer Provinzialhauptſtadt telegraphieren die


Krankenhauſes.
Aus einer großen rheiniſchen Stadt gratulieren


namens aus der Mark ſeine herzliche Zuſtimmung.
Aus Hamburg kommt die Zuſtimmung von vier
deutſchen Mädchen.


Ihnen geſellt ſich zu ein Hauptmann und Kompagnie-
Chef aus der Nachbarſchaft von Berlin.


in einer ſehr großen Stadt ſagt ſeinen Dank durch den


haben, wie wir zu Ehren des deutſchen Volkes an-
nehmen, der großen Mehrzahl desſelben aus der Seele
geſprochen.
Ein bekannter hexvorragendex Künſtler ſendet mit
warmherzigen Worten ſein Bild und bittet um Gegengabe.
Ein Regierungsaſſeſſor iſt der elfte, ein Gelehrter,


Auch
ihrer Herkunft ein ähnliches Gepräge. Das iſt der „anti-


Genugthuung von anderer Seite erfahren, hat auch der
älteſte Sohn des Altreichskanzlers, Graf Herbert
Bismarck, den Herrn Liebermann von Sonnenberg
ſeines ausdrücklichen Dankes für die mannhafte Art
verſichert, in der Herr v. Liebermann das Vorgehen
des Herrn Bebel und das Verhalten des Reichstags-
Präſidiums zurückgewieſen hat.

8 gaprivi Aeichstagsabgeordneter Der deut-
lichſte Beweis dafür, wie tief Caprivi an ſtaats-


uuter ſeinem großen Vorgänger im Kanzleramte ſteht,
iſt die Thatſache, daß er ſeit ſeiner Verabſchiedung
ein politiſch toter Mann iſt. Niemand redet von ihm,
keiner weiß von ihm etwas Bedeutungsvolles zu er-
zählen, in den Kampf der politiſchen, wirtſchaftlichen
und ſozialen Gegenſätze vermag er weder direkt noch
indirekt — durch ſeine früheren Anhänger — be-
ſtimmend einzugreifen! Wie ganz anders ſteht Bismarck
da! Es giebt keine Frage von vaterländiſcher Be-
deutung, zu der er nicht das Wort ergriffe, um ſeinem
Volke mit ſeinem Rat und ſeiner reichen Erfahrung
zu dienen. — Nun plötzlich ſoll der verſchwundene
Caprivi wieder aus der Verſenkung hervorgeholt werden.
Nach neueren Nachrichten hegt man in den Kreiſen


die Hoffnung, dieſer werde ſich bereit finden laſſen, bei
den nächſten allgemeinen Wahlen ein Mandat zum
Reichstage anzunehmen. Graf Caprivi nehme an der
Entwicklung der politiſchen Dinge auch ſeit ſeinem Aus-
ſcheiden aus dem aktiven Dienſt lebhafteſten Anteil.
— Reichstagsabgeordneter Graf Caprivi — nicht




* Zahrgaug.

übel! Doch finden wir vorerſt auf zwei Fragen noch
keine Antwort: 1) Welcher Wahlkreis fchickt Herrn
v. Capripi inden Reichstag? — und?) Welche Partei
nimmt ihn in ihren Reihen auf? Die des Herrn


Die deutſchnationale Jugend. In der deutſchen
Jugend macht der nationale Gedanke immer neue ers


Univerfität die Wahlen für das Direktorium der
Akademiſchen Leſehalle ſtatt, die vollſtändig zu gunſten
des „Vexeins deutſcher Studenten“ ausfielen, ſodaß
dieſer und ſeine Verbündeten die Entſcheidung in allel
Fragen haben.

idealen Beſtrebungen, die die „deutſchen Jugendbünde“


daher herzlich über dieſen Sieg des „V. d. St.“ über
ſeine jüdiſchen und judenfreundlichen Gegner.
‚. * er ift der Rürdigſte!„Iſt wo ein Lump,
der noch kein Denkmal hat?” ſo fraͤgt das deutfch-nat.
Witzblatt „Deutſcher Michel“ anlaͤßlich der Ent-
ſGeidung des Berliner Magiſtrates, die Simon
Bladſſche Erbſchaft anzunehmen und dem „edlen“ Erb-

laſſer dafür ein Denkmal zu ſetzen. Derſelbe Magiſtrat
hat jetzt dem Ausſchuß für das Treitſchke-enk-
mal, der ihn um einen ſtädtiſchen Beitrag erfucht
hatte, geantwortet, daß hierzu für die Stadigemeinde

As ſolche kein genügender Anlaß vorliege, eine


—— Mattionaliberale Selbflerkenutnis. Der fort ·-
währende Stimmenverluft, den die nationalliberale


urſacht begreiflicherweiſe eine tiefgehende Katerſtimmung


„Nationalztg. ausgedrückt finden. Sie klagt darüber,


handelt, faſt immer eine innere Spaltung eintritt,


Fraktionsbeſchlüſſe nichts, deren Einmütigkeit nur ganz
außerlich iſt, und welche von einem großen Teil der


Verantwortlichkeit damit verbunden, daß auf ſolche Art
der Regierung eine der Stützen vorenthalten wird, deren
ſie zum Widerſtande gegen die Agrardemagogie bedarf.
Vor fünfzehn Jahren hatte Neutralität in wirtſchaft-


damals, ob man für oder gegen etwas höhere Zölle
war, wenn man nur in allen nationalen und politifchen
Fragen einig war! Wie heute die Dinge liegen, iſt
das nicht mehr angängig. Eine große Partei darf
ſich in den wichtigſten Fragen des Tages nicht zur
Bedeutungsloſigkeit verurteilen laſſen, und die National-
liberalen ſind heutzutage in wirtſchaftlichen _
Kämpfen ohne Bedeutung, gleichviel, ob ſie im
einzelnen Falle ſich teilen oder behufs einer „ein-
mütigen“ Haltung eine vorhandege agrariſch⸗reaktionäre
Mehrheit verſtärken. Es iſt nicht möglich, dies zu
vertufchen.“ . . . Gewöhnlich iſt Selbſterkenntnis der
Anfang zur Beſſerung, bei den Nationalliberalen iſt
der Marasmus aber ſchon ſo weit vorgeſchritten, daß
an eine Geſundung d. h. an feſte Grundſätze in


K Deutſch und Daitſch. In Nr. 60 hatte der
„Bad. Volksb.“ die Mitteilung der „Bad. Landes⸗Ztg. .
wiedergegeben, daß der frühere nationalliberale Reichs⸗-
tagskandidat Oberſt a. D. Rheinau gelegentlich der
Karlsruher Stadtratswahl geſagt hat: „Kein Jude ge-
hört auf das Rathaus, die Juden ſind eine inter-
nationale, keines Patriotismus fähige Geſellſchaft, die
ein Deutſcher und Nationalliberaler nicht zu einem
Ehrenamte wählen kann.“ Wir haben damals unſere
Freude über dies mannhafte deutſche Wort ausge-
ſprochen und es nur bedauert, daß bei den Herren
Nationalliberalen die Thaten ihren Worten ſelten nach-
olgen.
* des Herrn Oberſt Rheinau ein freudiges Cho
finden, und ebenſo ſelbſtverſtändlich iſt es, daß Die
„daitſchen“ Staatsbürger koloſſal erboſt darob ſind.
Vom KRhein geht uns von einem unſerer Freunde
folgende Mitteilung zu: Die „Vereinigung badiſcher“
 
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