Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden (7): Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden — 1896

DOI Kapitel:
No. 91 - No. 100 (18. August - 8. September)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.42841#0393

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext



Dex Badiſche Yolkabote“ er-
ſcheint dreimal wöchentlich.
Verlag und Leitung:
Heidelberg, gahnhof ſtraße 9.
Telegramm⸗Adreſſe:
Nolksbhbote Heidelberg.




Preis uierteljührlidy
durch den Briefträger frei ins
Haus gebracht ME. 1.25, am Poſt-
ſchaltek oder durch unſere Boten
in Heidelberg! M., von unſerer

Erpedition abgeholt SO Pfg.



{ is: ;
E * — —
2 98. Heidelberg, Zonnerstag den 3, Feptember 1896. * Zahrgang.







Ein republikaniſcher Miniſter-


In der franzöſiſchen Stadt Rémiremont fand
kürzlich eine, vom landwirtſchaftlichen Verein veran-
ſtaltete Ausſtellung, verbunden mit der Verteilung von
MAuszeichnungen an Ausſteller und Landarbeiter, ſtatt.
Hierbei nahm der Miniſterpräſident Moline, gleich-

zeitig Depulirter des gleichnamigen Arrondiſſements,
Gelegenheit, eine agraxiſche Rede zu halten, welche nach
— ihrem Gehalt an krefflichen Hedanken und ihres frei-

mütigen agrariſchen Glauͤbensbekenntniſſes halber, ver-
— dient — in ihren Hauptzügen wenigjtens — auch in
— Dentfehland bekannt zu werden. Meline führte etwa
Folgendes aus: „Ich habe nicht ohne tiefere Abſicht
die Würde eines Landwirtſchaftsminiſters mit der-


daduͤrch jenes Amt, welches man bisher gewohnt war,


allererfte erhob. Ich wollte damit darthun, daß in
Frankreich die

jamten Wirtſchaftsleben einnähme und daß eine demo-


wenden ſollie. In andern Ländern mag man ſie ſich


darf man dann nicht, weil der Landban der Urquell
und das Geheimnis von allem iſt. Die Landwirtſchaft
bildet nicht allein ein unverſiegliches Reſervoir unſerer
Volkskrafte, ſie liefert nicht nur unſerer Armee die
kraͤftigften und ausdauerndſten Soldaten, denen ſie in
Folge der innigen Beziehung jener zu der bebauten
Scholle gleichſam ein Etwas von ihrer unerſchöpflichen
RKraft verleiht und denen ſie tief im Herzen die ge-
heiligte Liebe zum Vaterlande entzündet. nein, nicht
genug damit, fie hält überdies alle die anderen Zweige


Die Induſtrie
Es find die 20 Millionen ländlicher Verbraucher, die,
_ indem ſie die Erzeugniſſe der Induſtriearbeiter kaufen,
unſeren Fabriken den ſicherſten Abſatzmarkt bieren:
kennen doͤch die hier anweſenden Induſtriellen beſſer
als ſonſt wer den Einfluß eines günſtigen oder un-
— günftigen Ernteausfalles auf den Gang ihrer Geſchäfte.
— Somit ſtellt die Landwirtſchaft den gemeinſamen Boden
dar für die enge Intereſſenhaymgnie, welche alle Arbeiter
Frankreichs mit einander verbindet, für eine Intereſſen-




weiſe überſieht, wenn ſie ſich abmüht, die Arbeiter als
eine Klaſſe für ſich zu iſolieren und ſie den übrigen entgegen-
— zuftellen, Das Wohlergehen der Arbeiter unterſteht dem all-
gemeinen Geſetze: es hängt ab von dem Gedeihen der
Landwirtfchaft, welche die Verwendung der Arme in
det Induſtrie regelt; es hängt weiter ab pom Kapital,
das man tagtäglich als den Feind verdächtigt. Darum
muß man züm Wohle der Gefamtheit die Landwirt-
ſchaft ermutigen und begünſtigen, denn ſie iſt in Wahr-
heit die große Schöpferin dex Kapitalien. Sie iſt es,
welche durch ihre raſtloſe Arbeit, durch ihren be-
wunderungswürdigen Spartrieb die Wohlfahrt Frank-
reichs unaͤusgeſeßt wieder herſtellt. Gewiſſermaßen




öffentlichen Kredit erſchüttern, ſetz die ſtille Arbeit des
Landmannz ein. Sie füllt die Lücken aus und ver-
breitet wieder überall hin eine Prosperitat, ähnlich der
Natur ſelbſt, die auf verwüſteten Schlachtgefilden
Saaten und Blumen aufſprießen läßt.
uns daͤher nicht, für die Landwirtſchaft viel zu thun,
denn was man ihr zuteil werden läßt, das giebt ſie
huͤndertfaͤltig wieder.“ Des weiteren führte Redner
au8: „Die Geſetze, welche in den letzten 15 Jahren
zu gunſten der Landwirtſchaft erlaffen ſeien, hätten
das MNationalvermögen um hunderte von Milionen
vermehrt. Die durchgeführte Organiſation des land-
wirtſchaftlichen Kredits wirke bereits ſegensreich; um
das gepiante Werk zu volenden, werde er mit ganzer
Kraft für die Geſetzentwürfe eintreten, durch welche
das landwirtſchaftliche Verſicherungsweſen pon Staats-
wegen geregelt werde und Landwirtſchaftskammern ge-
ſchaͤffen werden ſollen.“ So ſpricht ein demokratiſcher
Minifterpräfident im republikaniſchen Frankreich. Wie
ſchaut's dagegen im monarchiſchen Deutſchen Reiche aus?!





. Mationalliberale Schwnbkonkurrenz.
Die Nationalliberalen ſpielen ſich bekanntlich als


geben ſie ſich den Anſchein, als ob ſie das ehrliche Ge-
werbe zu unterſtützen beſtrebt ſeien. Wir haben ſchon
wiederholt nachgewiejen, daß ſie nur gezwungen und
aus Fuͤrcht vor dem Bankerott der Partei in den


Mittelſtandes nachgeben. So haben ſie auch dem He-
ſetze gegen den unlauteren Wettbewerb ihre Zu-


entſpricht die Praxis bei den Nationalliberalen, wie


überein. Und es ſind nicht etwa obſture Vextreter der


ſprechende Abgabe der Stimme ihre Zugehörigkeit zu
derſeiben bekunden, welche ſich des Verſtoßes gegen das
bei ehrlichen Gewerbetreibenden herrſchende Anſtands-


Landtagsabgeordneten Wohr-BWahrenfeld haben wir


fann man doch, wenn — wie kaum zu zweifeln iſt —
die „Wormſer Zeitung“ recht berichtet, die Schmutz-


gehört, daß ſeitens der nationalliberalen Paxteileitung

irgend welche Schritte gegen den Margarine · Mohr ein-

geleitet‘ wurden jind. *
Ein neues Stückchen „nationallibexaler Konkurrenz“,


ſchon kurz erwähnt und wollen heute etwas ausführ-
licher darauf eingehen. Unter dem Titel „Schmutz


Karlsruhe einen Arlikel, dem wir folgendes entnehmen:
Eine badiſche Zeitung, die ſich erſt kürzlich über
die Kamſchgeſchäfte und Großhazare weidlich entrüſtete
— mit jenen Ausführungen hatte ſie allerdings recht —,
veriendet an Inferenten, die in badiſchen Blaͤttern u. a.
auch im „Badiſchen Landesboten! Annoncen aufgeben,
Birkulare, in welchen ſie ſich erbietet auf jedes Inſerat
einen Nabatt von 75 Prozent (!) zu gewähren.

- Dabei wird nicht etwa gefordert, daß Dder hetreffende
Zuferent mehrmals annonciert;
Prozent erhält vielmehr Jedexmann, der — auf das
Zirtutarx hereinfällt, Nun übertrage man einmal


— Was würde man von einem Kaufmgnn, von einem
Saͤndwerker halten der fjeine Waren, feine Arbeit zum
Dierten Teil des angekundigten Preiſes verfchleudert ?


fagen, daß die Ware,
— niedrigen Preiſe angeboten wird, wenig oder garnichts
taugen kann. Was will einer durchgängigen Kabatt-


mancher
— Ddeuten? Welcher Wettbewerb kann noch unlauterer fein
al8 Ddiejer? Feder anjtändig und rechtlich denkende
Manı wird die lebhafteſte Entrüfjtung über ein ſolches
Gefchäftsgebahren empfinden, das, wie geſagt, auf ſolider
SGrundlage nicht beruhen kann, und Leuten die ſich mit
ſolchen Offerten an ihn herandrängen, kurzer-
hand die Thür weiſen.
Wenn die Nationalliberalen ſich wieder einmal im
Landlag als Beſchützer des Handiwerks und der In-
duftrie auffpielen wollen, daun ſoll ihnen das uns vor-
liegende Zirkular als. ein Beweis, wie die National-
liberalen ihre Worte in Thaten umjegen, nicht vorent-
halten werden. Denn es handelt ſich hier nicht etwa
um ein objfures Blättchen jener Art, welche unter der
Biagge der „Unparteilichfeit” im Trüben zu fiſchen
Juchen, ſondern um eine Zeitung, welche zu den
Mitgliedern der uationalliberalen Partei-
feitungenge Beziehungen hat und deren Geiſtes-
rößen ſich als die berufenen Wortführer des badiſchen
_ Nationalliberalismus gerieren. Es muß „etwas faul
im Staate Dünemark” fein, wenn die hier geſchilderten
Mittel von nationalliberaler Seite an ewandt werden
müffen, um — Gimpel ins Netz zu lo en !” !
Sedermann, auch ein Laie, wird zugeben müſſen,
daß einen Rabatt von 75°/o NUr ein Schmutzkonkur-
rent anzubieten wagen kann! Wer aber iſt es, der ſo
handelt? Die „Bad. Landpoſt? gibt darauf folgende
Antwort:
Es iſt hier offenbar die „Baziſche andesztg.“
gemeint. Man kann ein, ſolches Vorgehen, das der
Bad. Landesbote“ mit richtigen Worten charakteriſiert,
mur auſs entſchiedenſte verurteilen. Unter dem Macklot-
ſchen Verlag war die „Badiſche Landeszeitung? —
was wir ſchon in früheren Fabren in mehrfacher
Polemik gegen das Geſchäftsgedahren der „Badiſchen
Preſſe“ hervorgehoben hatten, — geſchäftlich ein




nobles und anſtändiges Blatt, das duͤrch Preis-


Höhe hielt. Die „Badiſche Landeszeitung“ ging be-
kanntlich in einer mit Poſaunenſtößen und Berliner
Tageblatts⸗Reklame angefündigten Vornehmheit“ in
die neue Verlagsära über. „Nobel“ war Trumpf;
alles mußte „nobel“, „vornehm“ fein; die „Vornehm-
heit“ war förmlich idioſynkratiſch geworden bei den


maͤhlich änderte ſich aber das Bild, die Polemik blühte
auf, wie das Unkraut auf dem Felde; keine Nummer


und formloſer geworden, als ſie es früher war. In
früheren Zeiten ſaßen ab und an die Grazien an den
Tintenfäſſern landeszeitunglicher Polemik, heute aber


„Landeszeilung dem Gelächter ganz Deutſchlands preis.
Um das Bild zu vervollſtändigen, giebt die, Landesztg.“
nun auch noch 75 Proz. Inſeraten⸗Rabatt. Gründlicher
kann man das Paradepferd der Vornehmheit! mit
der abgetriebenen Roſinaͤnte des Geſchäftsmachens nicht
vertaufchen.“ —
Es waäre ſehr intereſſant, zu erfahren, ob die


genommen hat, der ja freilich einige
langt; wir glauhen es nicht. — *
Wie im Gewerbe, ſo kann man auch in der


Wir erinnern nur an die „berühmte? Rede des


er gelegentlich der Zimmermann Verſammlung am 8.
MAuguft d. I. in der Debatte gehalten hat. Wie wir
ſchon mitgeteilt haben, hat dieſer Herr Punkte des
Programms der Deutfch-Jozialen Reformpartei für die
Natlonalliberalen in der Weiſe ausgeſchlachtet, daß


von partei-offizieller Seite — verſchiedenen Amtsver-
kuͤndigern zum Abdruck zugeſandt. Wer von den Teil-
nehmern an der Verſanimlung dieſelbe las, mußte ob
diefer famoſen Rede laͤcheln, denn ſie enthielt nicht
das, was Herr Wolfhardt wirklich geſagt hatte,
ſondern was er vielleicht geſagt haben machte. *

Wir halten die oben angefuͤhrten Manöver nur


nationalliberalen Partei. Durch folche „noblen“ Ge-
pflogenheiten, wie ſie einex Paxtei von „Sildung und
Beſitz“ „ſehr würdig“ ſind, läßt ſich der Krach viel-


verineidlich. Den Beweis werden die nächſten Waylen
liefern.



— Zur inneren Cage wird der „Danz. Ztg.“
von einer Seite, „wleche genau eingeweiht zu ſein ver-
fichert“, mitgeteilt, auch die Tage des Generals von
Haͤhnke ſeien gezählt, er fei der intimſte Gegner des
Rititär⸗ Strafprozeß⸗Verfahrens geweſen, „abex der
kraͤftige Flügelſchlag ſeines Einfluſſes auf den Kaiſer
ſcheins gebröchen zu ſein.“ Ueber die Vorgeſchichte
der Berkündigung über das Militär⸗Strafprozeß Ver;
fahren teilte derſelbe mit, daß nach einem Vortrag des
Fürfien Hohenlohe der Kaiſer nach kurzer Beratung
mit General v. Hahnke und Herrn v. Lucanus den


rifirte. Im Laufe des Vortrages habe Fürſt Hohen-
lohe in der ihm eigenen konzilianten Form ſeinem

Kaiſerlichen Neffen den Wunſch auf Entbürdung vom

Amte zu erkennen gegeben und dieſen Wunſch mit
feinem Alter und feinem Engagement in der Militär-

Strafprozeß-RKeform motiviri Außerdem habe Fürſt

Hohenlohe ſchon früher darauf hingewieſen, daß er ſich

aͤußer Stande fühle, die parlamẽntariſchen Geſchäfte

ohne die Einbringung der Vorlage zu leiten. Der
Kaiſer, auf den bejonders die Aeußerungen der ſüd-

deutſchen Zeitungen tiefen Eindruck gemacht, habe ſich

daun entfchloffen, dem Reichskanzler das Opfer zu

bringen.

Das 15. Alauen· Aegiment, das Opfer einer

Kamarilla! Unter Kamaxilla“ verſteht man bekannt-

iich die Umgebung eines Fürſten, die großen politiſchen


zutreten, ohne alſo auch eine Verantwortung fuͤr ihre
 
Annotationen