Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden (7): Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden — 1896

DOI chapter:
No. 11 - No. 20 (1. Februar - 20. Februar)
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.42841#0077

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext




Der Zaͤdtſche Bolkshote erſcheint zmal wöchentlich
(DienstagsS, Donnerstags und Samstags).

Jerlag und Leitung: Seidelberg, Bahnhotitr. 5.
Telegramm Adreſſe: Bolksbote Heidelberg.

Anzeigenpreis: Die 5geſpaltene Garmondzeile 10 Pfg.
























Freis vierteltaͤhrlich
durch den Briefträger frei in /s Haͤus zebracht Mk. 1.25,
. Büureg wiſern Boten Mk 1.—,
Am Poſtſchalter od. unferer Expedition ahgeholt 80 Pfg.

Soſt· Zettungs · relsliſte Ar. 755.




























P
Ka
} 8— —




















Au der de

X 19.









* Jahrg.





Politi ſche Wochenrundſchau.

Immer noch iſt es der Entwurf eines bürger-
lichen Geſetzbuches, der das öffentliche Intereſſe am
meiſten beſchäftigt. Und wer ſollte ihm wohl größere
Wichtigkeit und Bedeutung beilegen, als wir deuiſch-
ſozialen Reformer, die wir uns die Aufgabe geſtellt
haben, dem deutſchen Volke auch ein deuiſches
Hecht zu geben, in deſſen klarem Spiegel es fein
eigenſtes Inneres rein und lauter erkennen würde?
Darum haben wir alle Urſache, darauf zu dringen,
daß der Entwurf nicht in patriotiſcher Hurrah-
Stimmung angenommen und zum Geſetz erhoben
wird, daß nicht die freudige Begeiſterung mit dem
kühl wägenden Verſtaude durchgehe! „Der Wahn iſt
kurz, die Reu' iſt lang? — wir wollen, ſoviel an
uns liegt, dem deutſchen Volke den Katzenjammer er-
ſparen, der auf eine übereilte Annahme des Entwurfs
ohne Zweifel folgen müßte. Was wir an dem Ent-

wurf auszuſetzen haben, läßt ſich kurz dahin zuſammen-
faſſen: zu viel formales Recht — zu wenig Anpaſſung
an die praktiſchen Bedürfniſſe des Lebens; zu viel
ſcharfſinnige Logik — zu wenig Berückſichtigung der
germaniſchen Eigenart; zu viel unverſtändliche Ju-
riſtenſprache — zu wenig gute deutſche Form; zu
viel Juriſtenwerk, das dem Volke ſtets fremd bleiben
wird — zu wenig Volksrecht, zu dem das Volk Ver-
trauen hat, weil es ſeinem innerſten Rechtsbewußtſein
entſpricht. Das ſind ſchwere und bedenkliche Mängel.
Hoffen wir, daß ſie in der Kommiſſion ſo viel als
möglich beſeitigt werden!

Gerüchte, daß eine ſtarke Vermehrung der
deutſchen Kriegsſotte von der Reichs Regierung beab-
ſichtigt ſei, gingen ſeit einiger Zeit durch die geſammte
Preſſe. Am 7. Fehruar kamen dieſe Regierungspläne
vor der Bndgetkommiſſion des Reichstags zur Sprache,
und Staatsſekretär Frhr. v. Marſchall erklärte, in
gegenwärtiger Seſſion werde dem Reichstage eine Voc-
lage über den vorliegenden Etat hinausgehend nicht
unterbreitet werden. Erwägungen über die Vermehr-
ung unſerer Flotte finden an den maßgebenden Stellen
ſtatt, ſeien aber noch nicht abgeſchloſſen. In der aus-
wärtigen Politik ſei weder eine Aenderung eingetreten,
noch werde dieſelbe beabſichtigt. Es handele ſich ein-
fach darum, die Deutſchen im Auslande urd unſere
Intereſſen zu ſchützen. Es ſei die Pflicht des Reichs-
tags, eine Stärkung der Flotte im gleichen Verhältnis
zu ber ſteigenden Ausfuhr zu bewirken. — Wir können
dazu nur bemerken: Gäbe es nur noch einen wohl-
habenden Mittelſtand, wären Handwerk, Landwirtſchaft
und kleiner Gewerbebetrieb nicht durch die Mancheſter-
wirtſchaft zu Grunde gerichtet, ſo würde dem deutſchen
Reich auch die Flotte nicht ſehlen, deren es bedarf.

Dem deutſchen Reichstage iſt über das bekannte
engliſche Attentat auf die Transvaalrepublik ein Weißbuch
vorgelegt worden. Es ergiebt ſich daraus, daß das Deutſche
Reich nichts weiter durchſeinen auswärtigen Vertretr hat
erklären laſſen, als daß es die Verletzung der von England im
Jahre 1884 ſelbſt anerkannten Unabhängigkeit der
Transvaalrepublik als eine beträchtliche Schädigung der -
deutſchen Intereſſen in Transvaal anſehen müſſe. Außer-
dem hat dann noch der Kaiſer bekanntlich den Räuber-
zug Dr. Jameſons mit gerechten Worten beſtraft.
Weiter iſt, wie die Aktenſtücke beweiſen, nichts von
unſerer Seite geſchehen, und auch dies geſchah erſt, nach-
dem die engliſchen Brutalitäten und Rechtsverletzungen
vorgekommen waren. In London hat man dies ge-
wußt, man hat amtlich ſelbſt erklärt, daß man die ver-
tragsmäßige Unabhängigkeit Transvaals nicht antaſten
wolle, Jameſons Zug ganz entſchieden mißbillige, ſo-
daß alſo beide Regierungen genau ein und derſelben
Anſicht waren. Und krotzdem iſt in London die wütendſte
Hetzerei entſtanden, trotzdem haben engliſche Miniſter
in Tafelreden Andeutungen gemacht, als wolle Deutſch-
land die engliſchen Rechte antaſten. Aus allem folgt,
daß das böſe Gewiſſen drüben bei unſeren Vettern eine
große Rolle ſpielte. Jetzt, wo im eben wieder eröff-
neten britiſchen Parlament die Dinge zur Sprache ge-
kömmen ſind, haben die Herren Miniſter offene und




ehrliche Tadler gefunden und ſie ſelbſt haben ſich auf
Verlegenheitsphraſen beſchränkt. Bei uns aber hat ſich

der Reichztag mit der ruhigen und beſtimmten Halt-
ung der Reichsregierung, die weder der Ehre, noch den
Intereſſen des veutſchen Reiches etwas vergab, durch-
aus einperſtanden erklärt. Erwähnt mag hier noch gleich
ſein, daß es doch wenig wahrſcheinlich geworden iſt, daß


handlungen nach London kommt. Der energiſche Mann
iſt zu Hauſe nötiger, denn wenn auch zur Stuͤnde die
unzuverläſſigen Elemente im Johannesburger Goldrevier
Huhe helten, bauen kann man auf ihr Wohlverhalten
ebenſo wenig, wie auf die Treue einer Katze.

Der Reichstag arbeitet im Plenum, wie in den


Leſung der neuen Novelle zur Gewerbeordnung, welche
beſonders für Hauſierer und Detailreiſende wichtige
Beſtimmungen hietet, iſt glatt beendet, im Intereffe
einer ſchnellen Genehmigung, für welche eine beträcht-
liche Mehrheit ſicher ift, wird die zweite Beratung
gleich im Plenum des Hauſes ſtattfinden. Ausführ?
lich erörtert iſt die vorwöchentliche Erklärung des
Reichskanzlers Fürſten Hohenlohe zur Währungsfrage,
es bleibt aber dabei, daß nichts weiter geſchieht.
Ebenfalls ſehr ausführlich verhandelt iſt die Inter-
pellation, welche an den ſoeben ausgebrocheuen Streik


Bei der Beratung des Etats der Ailitärver-
waltung im Reichstage interpellierte der Abg. Baſſer-
mann bezüglich des Kaſernenbaues in Mannheim.
Der Kriegsminiſter ſtellte für die nächſte Seſſion eine
erſte Entwurfsrate in Ausſicht. Weiter beantragte der
Herr Baſſermann, das in Heidelberg ſftehende


verlegen. Werden ſich da die nationalliberalen Heidel-
berger Stadtväter über dieſe Forderung ihres Ge-
finnungsgenoſſen freuen! Die Studenten Heidelbergs
ſollen dann wohl ihr Jahr in der Judenſchußz-
truppe, von der ſich ein Koͤntingent ja auch in
Heidelberg befindet, abdienen. Nun, dieſelben würden
ſich dafür ſchön bedanken und einfach nach einer
anderen Univerſität gehen, wo ſie ſolche national-
liberalen Liebenswürdigkeiten nicht zu erwarten haben.


Etatberatung wieder zu einer langer Jeremiade über
angebliche Soldatenmißhandlungen, Ausſchreitungen
von Offizieren und anderen Mißſtänden. Der Kriegs-
miniſter Bronſart v. Schellendorf wies ihm in


früheren Mitteilungen über ähnliche Vorkommniſſe —
vielleicht allerdings in gutem Glauben an die Wahr-
heit deſſen, was er vorbrachte — teils 8

ir
können dem Herrn Kriegsminiſter nur beiſtimmen,
wenn er die falſchen Angaben des Herrn Bebel
zurückweiſt, dagegen können wir es nicht unterlaſſen,
unſere Mißbilligung darüber auszuſprechen, wenn er
Dinge, denen allem Anſcheine nach thatſächlich unge-
hörige Vorkommniſſe zu Grunde liegen, in humoriſti-
ſcher Weiſe mit kurzen Worten abfectigt. Bebel hatte
ſich nämlichu. a. aufSchriften von früheren Offizieren be-
rufen. Nach der Frankf. Ztg. antwortete der Kriegs-
miniſter darauf Folgendes: —

Nun hat der Herr Abgeordnete auch noch über die
Selbſtmorde in der Armee geſprochen und ſeine Befriedi-
gung darüber ausgedrückt, daß ſie abgenommen hätten
äuf Grund der Beſchwerden, die hier gegen Mißhand-
lungen vorgebracht ſind, und infolge der Verminderung


eines Hauptmanus Miller herufen, um daraus gewiſſer-
maßen ſeine Rückſchlüſſe auf die Armee zu ziehen. Ich


an ſolcher Lektüre gefunden hat unDd wenn er glaubt, daß
er dadurch ein Urteil über die wirklichen Zuſtände in der
Armee gewinnt, ſo befindet er ſich im Irrtum., Hat er
aber Vergnügen an der Lektüre dieſex Axt, ſo kann ich
ihm noch eine ganze Anzahl ſolcher Schrijten geben, ich
habe ſie hier alle züſammengebunden erſt Edmind Miller
dex er wohl meint, dann Franz Otto Klaus, Hauptmann
a. D. u. ſ. w.; ich habe ſie alle hier! (Der Kriegsminiſter


e *

— Sie können ſie alle hekommen. (Eberſtlieutenant
Gäde überbringt dem Abg. Bebel die Bücher, die dieſex
dankend ablehnt. Große Heiterkeit) Die Verfaſſer find

xte die ihren Beruf verfehlt baben, die nicht leichten
Schiffbruch, ſondern große Havarie erlitten haben. Wenn
er aus dieſen Büchern Kenntnis ſchöpfen will, ſo iſt das
dgerade ſo, als wenn er ſein Angeſicht in einem konkav
ddex konpex geſchliffenen Spiegel jehen wollte. Das
ſchöne Ebenmaß

(Große Heiterkeit.)

Mit dieſem Heiterkeitserfolge hat der Herr Kriegs-
miniſter zwar bewieſen, daß er ein Reduͤer iſt, der
unter den beſten Rechtsanwälten Seinesgleichen ſucht,
aher damit ſind die Schäden nicht aus der Welt ge-
ſchafft worden, die jene militäriſchen Autoren ver-


freuen uns von ganzem Herzen darüber, daß dem ſo
iſt, aber es iſt traurig genug, wenn in einzelnen
Armeekorps ähnliche Verhältniſſe obwalten, wie ſie
z. B. von dem Hauptmann a. D. Claus gefchildert
worden find. Man kann darüber getheilter Anſicht

3u vertuſchen, und wenn dabei auch mancher wackere
Soldat, mancher brave Offizier ſeeliſch und körperlich

nicht billigen, daß man darüber mit einem Scherzworte

bereits in einem großen Theile des Volkes herrſcht,
daß die Sozialdemokraten vielleicht doch nicht ſo ganz

miniſter hat von den Verfaſſern als von Leuten ge-
ſprochen, die ihren Beruf verfehlt und mit ihrem

in gewiſſen Fällen durchaus beſtreiten. Denn iſt
nicht gerade das ein Beweis dafür, daß ſich jemand
ganz beſonders zum Soldaten, zum Offizier eignet,
wenn er, trotzdem er es mit übermächtigen Gewaͤlten
zu thun hat, muthvoll für ſein vermeintliches Recht
bis zum letzten Athemzuge kämpft?! Erſt vor kurzem
iſt in München ein Mann geſtorben, der — wie Kleiſts
Michel Kohlhaas — vergeblich ſein — wie er und
viele andere gute Deutſche feſt glaubten — gutes Recht

Gebote ſtehen, vertheidigte. An anderer Stelle kommen
wir auf dieſen Mann, den Oberſtleutnant a. D.
Slevogt, noch näher zu ſprechen. Aehnlich ergeht
es dem früheren Hauptmann Claus, und es iſt nur

hat, welcher ihn gegen die geringſchätzigen Aeußerungen

zukommen, ſo beklagte er ſich auch darüber, daß ver-
heirathete Soldaten dazu angehalten werden, ihre
Kinder taufen zu laſſen, und äußerte dabei: „Wir
Sozialdemokraten ſtehen auf dem Boden der Toleranz.“
In dieſem Punkte können wir dem Herrn Kriegs-
miniſter nun zuſtimmen, der unter dem Beifall von
rechts und dem Zentrum erklärte: „Er (Bebel) klagte
ferner, daß wir einen Gewiſſenszwang ausüben wollten

rathet waren. Wenn dieſe Leute infolge der verderb-

ſo kann man ſich nur darüber freuen, wenn in der
Armee verſtändige Leute dahin wirken, daß ſie das
nachholen.“ *
Wenn ein Bebel von religiöſer Toleranz
der Sozialdemokratie ſpricht, ſo weiß man nicht,
ob man ſich mehr über dieſe Uuverfrorenheit luſtig
machen oder die Dummheit der ſozialdemokratiſchen

Unwahrheit als volle Wahrheit demütig in Empfang
nimmt. Wer hetzt (außer dem Judenfreiſinn und
einem Teile anderer „Liberaler“) mehr gegen das
Chriſtenthum wie die Sozialdemokraten? Wer fordert
das „arbeitende Volk“ immer von neuem auf, aus
der Landeskirche auszutreten, wenn nicht die ſozial-
demokratiſche Preſſe? Von einer Aufforderung, aus
der Synagogengemeinde auszutreten, haben wir
dagegen in einer ſozialdemokratiſchen Zeitung noch



nie etwas geleſen. Toleranz gegen das Judenthum,












\
 
Annotationen