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Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden (7): Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden — 1896

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No. 51 - No. 60 (9. Mai - 6. Juni)
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Geheimrat Becker mehrfach vorgeladen, aber er iſt
niemals erſchienen.“ Ein Hude darf alſo derartig mit
der Regierung umſpringen; das iſt doch unerhört.
Der Laͤndwiriſchaftsminiſter nimmt von einem Straf-
antrag Abſtand, denn „es nützt ja doch nichts; der
Mann windet ſich ja doch heraus.“ Schön! Becker
felbſt ſagt: „Wenn ich etwas erreichen will, ſo ge-


haͤbe den Staat in meiner Taſche. „Ich fordere
Sie auf, den Baurat Dempwolff und den Bergerei-
auffeher Wolle zu entlaffen.“ Daß man ſich von
einem Juden daͤs bieten ließ, weißt zum mindeſten
auf eine große Nachſicht hin, die man nicht für mög-


ſteinfabrikanten große Poſten Bernſtein auf einmal zu
willkuͤrlich verſchiedenen Preiſen zu kaufen. Sie
durften nur von ihm kaufen, niemand durfte Bern-
ſtein graben, nicht einmal auf ihrem eigenen Grund
und Boden. Der Fabrikant Liedike fagte: „Das


Luͤgengewebe.“ Becker verklagte ihn wegen dieſer
Woͤrte Liedtke wurde aber vom Gerichte freigeſprochen.
— (Die Juden ſind ja imiaer mit einer Klage gleich bei
der Hand, wenn jemand ihrem gewiſſenloſen Treiben
entgegentritt) Als der Rittergutsbeſitzer Leiſtkorn
einmal den Becker verklagen wollte, ſagte dieſer: „das
können Sie ſich ſparen, ich habe die Bonitirungs-
beamten alle beſtochen.“ Und ein andermal: Es
iſt bei uns nicht beffer als in Rußland. Für Geld
iſt alles zu erreichen. Wenn ich etwas erreichen will,
dann laffe ich nicht davon ab, und wenn es Hunderte
und 2 koſtet.“ Wenn ſolche Charakterfiguren,
wie
oͤffentliche Gerichtsverfahren präſentiert werden, darf
man ſich nicht allzuſehr darüber wundern, daß die
antiſemitiſche Bewegung immer wieder neue Nahrung
bekommt.
—Zur ſozialdemoßratiſchen Maifeier. Zwiſchen
den Druckern der ſozialdemokratiſchen ,Volksſtimme“
in Frankfurt a. M., der Firma Schmidt u. Kobiſch,


renzen wegen der Feier des 1. Mai. Die Firma ge-
ſtattet die Feier, will aber Arbeitslohn für den Tag
nicht bezahlen, das Perſonal verlangt dagegen einen


ddi Druckerei des Parteiblattes dazu in erſter Linie
verpflichtet ſei. Auch in dieſem Jahre wurde wieder
die Bezaͤhlung des Taͤges verweigert, worauf das Per-

ſonal erklärte, nicht feiern, ſondern arbeiten zu wollen,
was denn auch geſchah. Am letzten Mittwoch ſtand
dieſe Angelegenheit in der Mitgliederverſammlung des
Sozialdemokratiſchen Vereins zur Beratung. Das Ver-


ſcharfen Kritik unterzogen. Verſchiedenerſeits hob man
hervor, daß auch die übrigen feiernden Arbeiter auf


beſſer, bringen. Die Debatte wurde jedoch nicht zu
Ende geführt und die Sache in einer zweiten Sitzung


eine Refolution an, in der das Verhalten der Buch-


ſchärfer verurteilt wird, als ihnen Gelegenheit gegeben
war, die Arbeit ruhen zu laſſen! Es wird ſodann
erklärt, daß der Verein nicht in der Lage ſei, die
Firma zu veranlaſſen, den 1. Mai als Feiertag zu


— Firma in Zukunft ſo handein werden, wie es fozial-
demokratiſchen Parteigenoſſen geziemt. Verſchiedene


lung abgelehnt worden.
Zur Zeitg eſchichte.

— Deutſchland. Berlin, 26. Mai. Anläßlich
des Krönungstages des ruſſiſchen Kaiſerpaares fand
* eine größerẽ Frühſtückstafel im königlichen Schloſſe

Deutſche Glasiuduſtrie.

(Aus dem Engliſ chen)




ſtadt; der Welt, Sonnenberg, iſt der Sitz der thüring-
ſchen Glasinduſtrie. Die Eifenbahn bringt uns ducch
den lieblichſten Teil Thüringens, durch Thäler, be-


Lauſcha, einem kleinen, weitverzweigten Orte, der, in
einem Thale gelegen, von hohen Bergen umgeben wird.

Lauſcha ſieht durchaus nicht wie ein geſchäftiger
Induſtrie⸗Mittelpunkt aus. Die beſonderen Merkmale
eines ſolchen Platzes, die großen Fabrikſchornſteine,
fehlen faſt ganz und gar, und die Einwohner, welche
man in den Hauptſtraßen trifft, machea nicht den Ein-
druck von Leuten, deren Energie von Geſchäftsſorgen
in Anſpruch genommen wird.

Und doch iſt dieſes kleine Dorf nicht allein der
Mittelpunkt aller Glaswerke in Thüringen, ſondern
es nimmt ſogar eine wichtige Stellung in der Glas-
induſtrie der garzen Welt ein und ift in gewiſſen
Spezialitäten tonangebend. Jahr um Jahr lenken
britiſche und andere Händler ihren Weg nach dieſem
entlegenen Weltdorfe, um Glasblumen, Schmuckgegen-
ſtände für den Chriſtbaum, Glasperlen, Glaskugeln,
Puppen und — vor allem künſtliche Augen einzu-
kaufen. Lauſcha verdankt ſeine Exiſtenz der Glasin-
duſtrie. Gegen Ende des ſechzehnten Jahrhunderts







ſtatt. Die Tafelmuſik wurde von der Kapelle des
Kaiſer⸗Alexander⸗Garde⸗Grenadier⸗Regiments ausge-
führt. Während der Tafel erhob ſich der Kaiſer zu
einem längeren Trinkſpruche auf das ruſſiſche Kaiſer-
paar. Er betonte in demſelben, daß das Ezarenpaar
in dieſem Augenblicke ſich die Krone auf's Haupt ſetze
und mit dem heiligen Oele geſalbt werde, und daß in
das Jauchzen des ruſſiſchen Volkes ſich der Jubel der
anderen Voͤlker, welche durch beſondere Abordnungen in
Moskau vertreten ſeien, miſche. Nicht zum Mindeſten
der unſrige. Der Kaiſer gab in erhebenden Worten den
innigſten Segenswünſchen für das ruſſiſche Kaiſerpaar
Ausdruck und ſchloß mit einem dreifachen Hurrah
auf dasſelbe, in welches die feſtliche Verſammlung be-
geiſtert einſtimmte.

‚— Der Kaiſer verlieh dem Staatsſekretär von
Poſadowsky den Kronenorden 1. Klaſſe.

— Die feierliche Enthüllung des Bismarck-
denkmals auf der Rudelsburg nahm unter zahlreicher
Beteiligung alter Herrea und aktiver Mitglieder der
Studentenkorps bei günſtigem Wetter einen glänzenden
Verlauf. Um 10 Uhr ſetzte ſich der Feſtzug in Be-
wegung von Koeſen aus; am Denkmal brachte Hans
von Hoſchen das Hoch auf den Kaiſer und den Für-
ſten Bismarck aus. Unter den Klängen des „Landes-
vaters“ fiel die Hülle des Denkmals, darauf wurde


mus igitur“ geſungen. Später waͤren die Teilnehmer
zu einem Feſtmahle vereint. Fürſt Bismarck erhielt
ein Huldigungstelegramm.

— Auf dem Niederwalde ſoll am Sonntag
nach Pfingſten vor dem Staadbilde der Germania eine
burſchenſchaftliche Kundgebung unter freiem Himmel
ſtatifinden. Wie das Blatt der Burſchenſchaften an
den Techniſchen Hochſchulen, „Deutſcher Burſchen-
ſchafter!, mitteilt, wird dabei auch Deutſchöſterreich
und Vlaamland vertreten ſein, ſo daß ſich Südoſt-
und Nordweſtmark des Deutſchtums die Hand reichen.
Als Sprecher der Deutſchöſterreicher wird ein alter
Herr der ſoeben aufgelöſten Wiener Burſchenſchaft
„Bruna⸗Sudetia“ erwartet.

— Berlin. Die Chronik der chriſtlichen Welt
ſchreibt, daß Hintzpeter keineswegs die Stellung des
Frhrn. von Stumm zur Sogial⸗Reform teile; auch ſei


Telegramms des Kaiſers.

— Mit Entſchließung der Königl. bay ı.
Regierung wurde eine neue ortspolizeiliche Vor-
ſchrift, nach welcher das Blut geſchächteter Tiere, wel-
ches die Juden gewöhnlich den Gojims zum Eſſen
ließen, zu Nahrungsmitteln nicht mehr verwendet wer-
den darf, als vohziehbar erklärt und hat mit 1. Juni
in Kraft zu ⏑

— Der Verband der deutſchen Schutzvereine


Die Be-
deutung des organiſirten unentgeltlichen Arbeilsnach-
weiſes für die Gefangenen⸗Schutzfürſorge.
erſtatter: Paſtor von Koblinzki⸗Düſſeldorf und Regier-
ungsrath Dr. von Engelberg⸗Mannheim; Welche Be-
deuͤtung haben die Arbeiterkolonien oder ähnliche Zu-
fluchtsſtätten für Strafentlaſſene beiderlei Geſchlechts,


und arbeitslos ſind? Berichterſtatter: Paſtor Heiners-


Pfarrer K. Krauß, Strafanſtaltsgeiſtlicher in Freiburg


Mitarbeit bei der Löſung der ſchutzvereinlichen Auf-
gaben heranzuziehen? Berichterſtatter: Profeſſor Dr.


geiſtlicher in Nürnberg.
— Der Sozialiſtenführer Liebknecht,


einer agitatoriſchen Gaſtſpieltournee durch England
verwendet, debutirte am Dienstag⸗Abend in London
mit einem Vortrage in engliſcher Sprache, der darauf
berechnet war, ſeinen Zuhörern einen möglichſt hohen
Begriff von dee Bedeutung der ſozialdemokratiſchen



wahrſcheinlich — durch den Reichtum an Holz
auf den Thüringer Bergen. Dieſe beiden Männer er-




ſedoch bald in ſeine jetzige Lage — dies war im Jahre
1597 — und gründeten das weltberühmte Dorf.
Dieſe beiden Männer ſcheinen die Vorfahren von
wenigſtens der Hälfte der gegenwärtigen Bevölkerung
Lauſchas zu ſein. Dies hat ungefähr 4000 Einwoyner,


weniger den Namen Müller tragen. Dies iſt ziemlich
unangenehm für den Geſchäftsperkehr; und daher haben


zunehmen müſſen.

Große Fabriken giebt es in Lauſcha nicht; die
Arbeit wird meiſtens zu Hauſe gethan. Einige kleine
Fabrikräume ſind da; aber die Arbeit, welche dort ge-
than wird, beſteht meiſt im Fertigmachen der Artikel,
welche von „Hausarbeitern“ gebracht worden ſind.

Das Glashaus, welches alle Arbeit mit dem
Rohmaterial verſieht, ſteht in der Mitte des Dorfes,
in ziemlich gefährlicher Nähe verſchiedener anderer Ge-
bäude. Es gehört jetzt, wie faſt ſeit ſeiner Gründung,
* Familien, welche das Geſchäft gemeinſam be-
treiben.





Bewegung in Deutſchland beizubringen. Mit den Be-
klenimungen der Engländer wegen der wachſenden Be-
deutung unſerer Weltmachtſtellung wohlbekannt, ver-
ſäumte es der Führer der „deutſchen? Sozialdemo-
kratie nicht, in bekannter vaterlandsloſer Weiſe den
nationalen Aufſchwung zu begeifern. Er donnerte
gegen „Krieg“ und „Eiſenfreſſerei?, definirte die weit-
auSfchauende deutſche Kolonialpolitik als „Räuber-
politik“ und deren Anhänger als „Clique“. Der
Beifall ſeiner Zuhörer war natürlich groß, wurden
doch ihre engliſchen Gehäſſigkeiten von einem vater-
landsloſen Deutſchen unterſtützt. Die Leiſtung Lieb-
knechts iſt um ſo verächtlicher, als ſie in einem Augen-
blick erfolgt, wo alles deutſche in England auf das
bitterſte geſchmäht wird. /

— Oeſterreich Angarn. Prinz Karl von
Baden und Herzog Nikolaus von Württemberg er-
hielten anläßlich ihrer Anweſenheit beim Leichenbegäng-
niſſe des Erzherzogs Karl Ludwig das Großkreuz des
Stefansordens.

Außland. Moskau, 26. Mai. Heute Vorm.
gegen 11 Uhr verkündete Glockengeläute und Kanonen-
donner, daß der Kaiſer ſich und der Kaiſerin die
Krone auf's Haupt geſetzt hat. Abermaliges Läuten
und Kanonenſaͤlven verkündeten ſodann, daß die heilige
Salbung an dem Kaiſerpaare vollzogen ift. Gegen
121 Uhr war die Krönungs⸗Ceremonie beendet Das
Kaiſerpaar begab ſich darauf zu der Verkündigungs-
Kathedrale und dann nach der Archangelsk-Kathedrale
zum Gebete und zog ſich gegen 1 Uhr in das Palais
zurück. Das Wetter iſt herrlich. Der Kaiſer und
die Kaiſerin wurden jedesmal bei ihrem Erſcheinen
von der Menſchenmenge jubelnd begrüßt.

— Das „Journal de St. Petersburg“ ſchreibt
anläßlich der Krönung, daß ſich das große Ereigniß,
welches die Blicke der geſamten Welt auf ſich lenkt,
inmitten des tiefſten Friedens vollzieht. Allenthalben,
wenn man von auswaͤrtigen Dingen zu reden hätte,
wäre das die bezeichnendſte Charakteriſtik, welche man
von der gegenwärtigen Lage geben könne. Rußland
ſehe in den Umſtänden, unter denen dieſe Feiexlichkeit
ſtattfinde, ein neues glückliches Vorzeichen für die
Zukunft.

— Zraukreich. Die Pariſer Getreidebörſe hat
einſtimmig beſchloſſen, den Tag der ruſſiſchen Kaiſer-
krönung zu feiern, und zwar weil fie, wie ſie ſich in einem
Telegraͤmm an die Petershurger Börfe ausdrückt, die
ruſſiſchen Feſte wie franzöſiſche anſehe. — Aecht jüdi-
ſcher Servilismus!

— Serbien. Bei den jungften Beratungen, die


hatte, handelte es ſich nach der „F. Zig.“ darum, das


Der König wünſcht, daß die
bisherige Beſtimmung, wonach die Königin von Serbien
dem griechiſch orthodoxen Glauben angehören müſſe, in
die neue Verfaſſung nicht aufgenommen werde

Aus dem Parteileben.

Aus dem Wahlkreiſe Aeuruppin gemplin liegt
das Endergebnis nunmehr vor. Es erhielten:
Schückerk 2 Reformp.) 2421, von Arnim

conſervativ) 7136, Leſſing (freif) 4730, Apelt (Soz.)
3750 Stimmen. Durch die ſeit unſerer letzten Mit-
teilung hinzugekommenen Schlußreſultate iſt die Ent-
ſcheidung von den Sozialdemokraten zu den Anti-
feiniten hinübergerückt. Wenn, wie zu hoffen ſteht,
unſere Paͤrteigenoſſen in der Stichwahl für den Kon-
ſervativen einkreten, ſo dürfte deſſen Wahl geſichert
fein. Der Aufſtellung der antiſemitiſchen Sonder-
kandidatur iſt es alſo zu danken, wenn hier ein
Waͤhlkreis den Sozialdemokraten entriſſen und für die
ſtaaiserhaltenden Parteien zurückgewonnen wird. Mit
Hilfe der deutſch⸗ſozialen Reformer wird es vermutlich
den Konſervativen gelingen, einen Wahlkreis zu ge-
winnen, den ſie aus eigener Kraft nicht gewonnen
hätten. Denn ſollten etwa konſervative Blaͤtter den




Spielzeuge, in allen Größen und in jeder erdenklichen
Farbe, werden jedes Jahr in Lauſcha hergeſtellt; dann
werden ſie in Warenhäuſern aufgefpeichert, nach Cent-
nern verkauft und nach allen Teilen der Welt verſandt.

Vor den großen Schmelzöfen ſehen wir die
Arbeitsleute ſtehen. Einer nimmt ein bischen des noch
weichen Glaſes und rollt es auf, zuſammen mit an-
deren Proben von verſchiedenen Farben, und erhitzt


beſtimmter Geſtalt kleine Stückchen und drückt ſie in


von wo ſie dann in den Kühlofen gebracht wird, um


*

wird, wird gewöhnlich in Form von langen Stöcken


zu fertigen Gegenſtänden verarbeitet werden. Das
Ausziehen des Glaſes findet in der offenen Straße
ſtatt! Ein Glasbläſer kommt heraus mit einer Pfeife
im Munde und mit einer Glasmaſſe am Ende der-




während ſein Genoſſe bläſt. Wenn das Glas ge-


auf eine hölzerne Unterlage gelegt und dann nachher
in die gewünſchten Längen zerſchnitten. Betreten wir






 
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