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Heidelberger Zeitung — 1900 (Juli bis Dezember)

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Nr. 255-280 (01. November 1900 - 30. November 1900)
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am Militäretat anbeirifft, so machte Staatsminifier von
Mittnacht zunächst interessante Mitteilungen über die Ver-
sailler Verträge. Danach ist die Militärkonvention von
Kriegsminister v. Suckow entworfen worden, Preußen hat
daran keine Aenderung vorgenommen, und v. Mittnacht
habe sie erst auf besonderes Verlangen zur Durchsicht er-
halten, einen Tag vor der Besprechung mit Bismarck.
Was das Ersparnißrecht anbetrifft, so war früher für
Württemberg eine Bauschsumme vorgesehen und die
Ersparnisse davon fielen laut Convention an Württemberg.
Seit ein spezialisirter Etat aufgestellt wird, kommen die
Ersparnisse dem Reich zu gut, und Mittnacht selbst ließ
cs zweifelhaft, ob das Ersparnißrecht überhaupt noch zur
Anerkennung zu bringen sei; praktisch würde es in diesem
Falle durch die Etatsaufstellung gewiß erheblich beein-
trächtigt werden. Da hat der Minister ganz recht. Fallen
die Ersparnisse an Württemberg, dann wird man von
Reichswegen den Etat aufs allerknappste aufstellen, so daß
Ersparnisse überhaupt nicht mehr gemacht werden können.
Die Kammer blieb dabei, daß die Ersparnisse Württemberg
gehören, und nahm den Antrag der Kommission an: Die
Kammer billigt den von der Regierung vertretenen Stand-
punkt, wonach die auf Grund des Art. 12 der Militär-
convention am württembergischen Militäretat gemachten
Ersparnisse für die württembergische Staatskasse
zu beanspruchen sind, und ersucht die Regierung,
erforderliche Schritte zu thun, um diesen Anspruch in ge-
eigneter Weise zur Geltung zu bringen.
Hessen. Darmstadt, 1. Novbr. Der ehemalige
Finanzminister Küchler ist gestern Abend nach langem
schwerem Leiden an Kehlkopfkrebs gestorben.
Bayern. Bamberg, 30. Oct. Nach den Münch.
Neuesten Nachrichten ist das Verfahren gegen den Pfarrer
Mich. S (Hüpferling wegen Anstiftung zum Falscheid
von der k. Staatsanwaltschaft eingestellt worden. Das
Gerücht, Schüpferling sei nach Amerika geflüchtet, bestätigt
sich nicht. Er befindet sich bei Verwandten in seinem Ge-
burtsort Ermreuth bei Forchheim. Allerdings ist gegen
Schüpferling noch ein Verfahren wegen Verleumder i-
scherBeleidigung beim hiesigen Landgerichte anhängig.
Es handelt sich um den Denunziationsbrief, den er durch
seine Köchin an das Oberbahnamt Bamberg schreiben ließ.
Preußen. Die Nordd. Allg. Ztg. meldet: Von ver-
schiedener Seite weiden Klagen laut über den Mangel
an Volksschullehrern. Im Kultusministerium wird
der Angelegenheit sorgfältige Beachtung gewidmet. Der
Minister nahm die vorgebrachten Klagen zur Kenntniß.
Erwägungen sind im Gange, um da, wo es nöthig ist,
Abhilfe zu schaffen. (Abhilfe ist leicht zu schaffen: man
gewähre den Lehrern anständige Bezahlung, anständige
Wohnung und anständige Behandlung, dann wird es an
Zudrang zum Lehrerberuf nicht fehlen.)

Ausland.
Oesterreich. Aus Prag wird berichtet, daß der alt-
katholische Priester Dr. Jschka, während er
die Messe las, verhaftet und in vollem Ornate
auf das Polizeikommissariat geführt wurde. Nach der
Bohcmia liegt dem Vorfall Folgendes zu Grunde: Die
von dem von der katholischen Kirche exkommunizirten
Geistlichen Dr. Jschka gesammelte altkatholische Gemeinde
hatte in Prag eine Kapelle errichtet, die kürzlich eingeweiht
wurde. Plötzlich theilte die Statthalterei dem altkathol.
Synodalrath mit, daß Jschka nicht bestätigt sei und daher
keinen Gottesdienst abhalten dürfe. Der Synodalrath ant-
wortete, daß er Verwahrung dagegen einlege, daß dem
Priester die Ausübung gottesdienstlicher Funktionen unter-
sagt würden; die wettere Seelsorge allerdings werde der-
selbe nun bis auf Weiteres auch nicht ausüben. Als nun
Dr. Jschka doch die Messe las, wurde er vom Altar weg
verhaftet und abgeführt. Nach seiner Vernehmung kehrte
er zurück und setzte das Meßopfer fort. Zum zweiten
Male wurde er in Haft genommen und erklärte nun, auch
am nächsten Tage wieder die Messe lesen zu wollen, wenn
seine kirchlichen Oberen dies nicht verbieten werden. Da-
rauf hat der altkatholische Synodalrath telegraphisch beim
Unterrichtsministerium protestirt und um sofortigen Schutz ge-
beten. Nach den in Oesterreich bestehenden Gesetzen ist
das Vorgehen der Statlhalterei nicht gerechtfertigt. Daß
sie den Geistlichen vom Altar weg verhaften ließ, ver-
schlimmert die Sache. Was wird wohl die deutsche Cen-

trumspresse zu dem Vorfall sagen, die über diocletianische
Kirchenverfolgung zu jammern pflegte, als in Preußen
die Maigesetze noch in, Kraft waren?
Türkei. Konstantinopel, 31. Oct. Ein Jrade
ordnet die Einbehaltung eines Monatsgehaltes der Aerzte
der internationalen Sanitätskommission zu Gunsten des
Mekkabahnbaues an. Hiergegen haben die Aerzte
irr oorxors Verwahrung eingelegt, erstens weil der Befehl
illegal ist, und dann besonders, weil die Gelder doch nicht
dem besagten Fonds zufließen, sodann eine anderweitige
Verwendung finden würden. Die Ottomanbank ge-
währte übrigens als augenblickliche Aushilfe der Re-
gierung einen Vorschuß von hunderttausend Pfund gegen
Verpfändung der Jmmobilientaxe.
Afrika. Kroonstad, 28. Okt. Ein Burenkommando
von 150 Mann umzingelte heute früh einen eng-
lischen Außenposten von 90 Mann in der Nähe von
Geneva und nahm denselben gefangen, griff den Kap-
städter Postzug an, plünderte denselben und zündete ihn
an. Ein Panzerzug von Geneva verjagte die Buren.
Zwölf Buren wurden gefangen genommen. Die englische
Feldwache wurde wieder freigelassen.
Amerika. Die Vereinigten Staaten haben ihr
volles Einverständniß mit den Artikeln 1 und 2 des
deutsch-englischen Abkommens kund gegeben. Was
den Art. 3 betrifft, durch den sich England und Deutsch-
land weiteren Beschluß Vorbehalten, falls eine andere
Macht in China Landerwerbungen vornimmt, so erklärt
Amerika, daß es nicht berufen sei, seine Meinung über
diesen Punkt, der speziell nur jene beiden Mächte angehe,
auszusprechen.

Aus Stadt und Land.
Heidelberg, 2. November.
Aus dem Stadtrath. In der Stadtrathssitzung
vom 31. v. M. wurden u. A. folgende Gegenstände zur Kenntniß
bezw. Erledigung gebracht:
1. Nach der Zusammenstellung der Kasse und den Aufzeich-
nungen der Verwaltung des Schlacht- und Viehhofes wurden im
September 877 Stück Großvieh, 2127 Stück Kleinvieh und
2 Pferde im Schlachthause geschlachtet, auf dem Viehhofe aber
65 Stück Großvieh und 1596 Stück Kleinvieh zum Verkauf ge-
bracht.
2. Die Verbrauchssteuern haben im September d. I.
13 685 21 ertragen.
3. Folgende Vorlagen an den Bürgcrausschuß wurden fest-
gestellt.
a) Erneuerung des Stiftungsrathes für die Kleinkinderanstalten
in Heidelberg und Schlierbach.
b) Erbauung einer evangelischen Kirche in der Weststadt.
o) Sicherung und Verbesserung der alten Neckarbrücke.
<t) Verwendung der am 31. December 1899 vorhanden ge-
wesenen Ueberschüsse der Städtischen Sparkasse.
s) Höhe des Zinsfußes der Einlageguthaben zur Städtischen
Sparkasse sowie Termin des Beginns ihrer Verzinsung.
k) Einrichtung von 2 Lehrsälen in dem früher Hormuth'schen
Hause für die Oberrealschule.
Z) Abhör der städtischen Rechnungen für 1898.
tr) Verkündung der Rechnungen der städt. Kassen für 1899.
4. In der Moltkestraße soll eine öffentliche Straßenlaterne
aufgestellt werden, ebenso in der Kirchstraße auf der Strecke
zwischen Bergheimer Straße und Eppelüeimer Landstraße.
5. Das Bauvorhaben des Herrn Dr. Alfons Pilzecker am
Schloßberg wird nicht beanstandet.
6. Die Beschwerde einer größeren Anzahl hiesiger Einwohner
über die Art des Betriebs der Nebenbahn in der Bergheimer-,
Sophien- und Brückenstraße hatte der Stadtrath dem Großh.
Ministerium des Großh. Hauses und der auswärtigen Angelegen-
heiten mit dem Ersuchen um geeignete Abhilfe vorgelegt.
Hierauf hat das genannte Ministerim erwidert, die Direktion
der Süddeutschen Eisenbahn-Gesellschaft sei veranlaßt worden,
die Zugs-Signale mit der Glocke auf das Nothwenvigste zu be-
schränken und als Ersatz für die bisher häufiger gegebenen
Warnungssignale die Fahrgeschwindigkeit von 12 auf 9 Kilomtr.
zu ermäßigen. Der Vorschlag, die Signale der Lokomotiven
gänzlich fallen zu lassen, und als Ersatz dafür einen Mann jedem
Zug vorausgehen zu lassen, sei vom Standpunkte der Betriebs-
sicherheit nicht empfehlenswerth, weil dann der Lokomotivführer
seine Aufmerksamkeit außer auf Maschine, Gleis und den Straßen-
verkehr noch auf diesen Mann und seine Signale zu wenden
hätte. Ueberdies sei das Läuten durch den Lokomotivführer nach
den Bestimmungen in Z 21 Ziff. 4 und 5 der Bahnordnung für
die Nebenbahnen in ganz Deutschland obligatorisch. Das
Ministerium könne daher, selbst wenn es dies für angängig
hielte, nach den bestehenden deutschen Normativ-Bestimmungen
nicht gestatten, daß die akustischen Signale, wie bei der Ketten-
schifffahrt auf dem Neckar, völlig beseitigt und optische dafür
eingeführt werden. Die vom Stadtrathe ausgesprochene An-
schauung über die Mißstände, die der in fortwährender Steigerung
begriffene Schotterlranspork zwischen Dossenheim und Heidelberg
im Gefolge habe, theile auch das Ministerium, welches eine
Abhilfe in nicht zu ferner Zeit für geboten e r-
achte. Es seien zu diesem Zweck Verhandlungen

Kleine Zeitung.
— Friedrichshafen, 31. Oct. Während dieser Tage das
Gerücht umging, der Z eppelin'sch e Ballon werde an die
preußische Militärverwaltung verkauft und nach Berlin verbracht,
verlautet jetzt, daß 16 Arbeiter bcibehalten und im kommenden
Frühjahr die Probefahrten fortgesetzt werden. Die Ballonhalle
und die Pontons sind reparaturbedürftig.
— Berlin, 29. Oct. Von freundlichen Beziehungen
zwischen Nord und Süd gibt folgende Geschichte Zeugniß,
die das Berl. Tagbl. erzählt: Ein bekannter Lehrer in Berlin
erhielt vor einiger Zeit aus W ür tte mbe r g folgende Post-
karte: „Sehr geehrter Herr College! Da wir Heuer in Würt-
temberg ein außerordentlich rei ches Obstjahr haben,
und meine Schüler einigen ihrer Kameraden in der Großstadt
Berlin, welchen Obst etwas Seltenes ist, gern eine Freude be-
reiten möchten, so gestatte ich mir, bei Ihnen, weither Herr
Kollege, anzufragen, an welche Adresse wir unfern Obst-
korb richten sollen. Wir liefern den Korb franco bis Berlin.
Dort müßten Sie, eventuell der betreffende Klassenlehrer für die
billigste Beförderung in die Klasse sorgen. Der Korb muß wegen
des Portos nicht retournirt werden. In der Hoffnung, von
Ihnen bald eine Antwort zu erhalten, bin ich mit kollegialischem
Gruß Ihr . . Das Anerbieten wurde selbstverständlich dankend
angenommen, und so gelangten bald darauf zwei Körbe mit 56
Mo der württembergischen Aepfel in Berlin an. Die Vertheilung
der Spende in der Schulklasse erregte natürlich den größten
Jubel, und dankbarst wurde der freundlichen württembergischen
Schulkameraden und Schulkameradinnen gedacht, aber auch gleich-
zeitig beschlossen, sich entsprechend zu „revanchiren". Mit den
leeren Körben wanderte eine Sammlung von Schulartikeln
und Jugend sch riften, die zum Theil aus einer freiwilligen
Sammlung und aus Beiträgen in natura zusammengebrachl
war, nach Württemberg zurück. Daß die Sache Gelegenheit gab,

die freundlichen Beziehungen, die heule zwischen Nord und Süd
bestehen, mit der früheren Abgeschlossenheit der einzelnen deutschen
Stämme gegen einander zu vergleichen, versteht sich von selbst.
— Prinz Wilhelm von Wied, der in Potsdam beim Gardes
du Corps steht, ist unlängst bei der Schleppjagd nicht ungefähr-
! lich gestürzt. Das Pferd rutschte an einem Moorgraben mit den
I Vorderbeinen ab, überschlug sich, der Reiter flog sehr unglücklich
über seinen Hals auf das Gelände und zog sich eine schwere
Verletzung der Kniescheibe sowie eine Gehirnerschütterung zu.
— Der älteste aktive Soldat der deutschen Armee, der 71jähr.
Musikdirektor des Mecklenburg. Füsilierreg. Nr. 90, Lenschow,
feierte, wie das Milttärwochenbl. meldet, am 1. November sein
50jähriges Dienstjubiläum. Am 2. Dec. 1870 führte Lenschow
bei Loigny sein Musikcorps mit gezogenem Degen taktirend zum
Sturm vor. Durch die Klänge des Marsches stürzte olles wie
elektrisirt auf den Feind. 3 todte und 5 verwundete Hoboisten
deckten das Schlachtfeld Der 71jährige hat das letzte Manöver
in voller Frische mitgemacht.
— Auf dem Hoerder Bergwerks- uud Hütten-Verein weilten
am Dienstag gegen 25 Herren aus Frankreich und Belgien zu
Besuch, um die elektrische Centrale zur Ausnutzung der Hochofen-
Gichtgase, dieses Wunderwerk der modernen Technik, zu studiren.
Der Besuch hatte den Zweck, die demnächstige Lerwerthung dieser
bahnbrechenden Einrichtung in den genannten Ländern, überhaupt
in dem gesammten Miltelmeerbeztrk, vorzubereiten. In der
Hoerder Anlage, die nach Fertigstellung 6400 Pferdekräfte er-
zeugen wird, werden zur Zeit drei Zwillingsmotoren, System
Oechelhäuser, von je 600 Pferdekräften, mit Hochofengasen be-
trieben und dienen zur Erzeugung des elektrischen Stromes für
die Licht- und Kraftanlagen auf der Hermannshütte. Ein vierter
Motor zu 600 und vier solcher zu je 1000 llk. sind zum Theil
jetzt bereits in der Montage begriffen. Unter den fremden Gästen
befanden sich auch mehrere Vertreter der neugebildeten Gesellschaft ^
„I-'sosrgis xar ls in Brüssel, die die Verwerthung der Oechel- i

mit der Süddeutschen Eisenbahn-Gesellschaft
bereits eingeleitet, welche die Herstellung
einer besonderen, bei Handschuhsheim ab-
zweigenden und in südwestlicher Richtung über
den Neckar nach dem Bahnhofe zu führenden
Güterbahn im Auge hätten.
* Eine dritte Brücke über den Neckar. Mit großem Interesse
wird man hier überall die Notiz aus dem Stadtrath lesen, wo-
nach die Erbauung einer dritten Brücke über den
Neckar in Aussicht genommen ist. Die Brücke wird zunächst
zwar für die Nebenbahn erbaut, allein wir erachten es als selbst-
verständlich, daß sie auch dem sonstigen Verkehr dienen wirb-
Die neue Verbindung zwischen den beiden Neckarufern ist mit
großer Freude zu begrüßen, ebenso die geplante Fernhaltung des
Schotterzüge der Nebenbahn von der jetzigen neuen Brücke, wobei
dann für sie auch der Weg durch die Sophienstraße und die
Bergheimerstraße sortfällt.
I Aus dem städt. Rechenschaftsbericht für 1899. VI. Nach
der Üebersicht über den Gang der Kapitalaufnahmen, sowie
der Abtragungen hieran in den Jahren 1890 bis einschl 1899
betrug in der Zeit vom 1. Januar 1880 bis 1. Januar 1910 die
Summe der aufgenommencn Kapitalien 13160258 abgezahlt
wurden 5111958 Stand der Anlehensschulden auf 1. Jan. 1909
8048300 Was die Steuerkapitalien anbetrifft, so waren irll
Jahre 1890 vorhanden: 41050 700 Grund- und Häusersteuer-
kapital. 17956 700 Gcwerbsteuerkapital, 9569700 Ein-
kommensteueranschlag, 70797 200 Kapitalrentensteuerkapital,
im Jahre 1900 dagegen 58392300 Grund- und Häusersteuer-
kapital, 25 880 000 Gewerbsteuerkapital, 14279500 Ein-
kommensteueranschlag, 121277400 Kapitalrentensteuerkopital.
— Was die Armenpflege anbeirifft, so belief sich die Zahl
der im Berichtsjahre unterstützten Personen (ohne Einrechnung
der Empfänger von Leseholzscheinen und ohne Zählung der wit-
unterstützten Angehörigen) im Ganzen auf 1299 gegenüber 1609
unterstützten Personen im Vorjahre; davon batten den Unter-
stützungswohnfitz in hiesiger Stadt 985 Personen, während 1898
1057 hier unterstützungsberechtigte Personen Unterstützung em-
pfingen. Von den hier unterstützungsberechttgten Personen waren:
ledig 247 Personen, verheirathct 358, verwttlwct 266, geschieden
oder getrennt lebend 24 Personen. Der Grund der Hilfs-
bedürftigkcit war: Krankheit und Tod des Ernährers in 359
Fällen, körperliche und geistige Gebrechen in 164 Fällen, un-
eheliche Geburt in 33 Fällen, Verlassen der Eltern in 8 Fällen,
große Kinderzahl in 37 Fällen, geringer Verdienst und Arbeits-
losigkeit in 145 Fällen, Trunk und Arbeitsscheu in 31 Fällen,
Haft- bezw. Gefängntßstrafe in 8 Fällen, Altersschwäche in "b
Fsllen. Unterbringung in eine Besserungsanstalt in 17 Fällen,
sonstiqe Ursachen in 17 Fällen.
Die neuen Bestimmungen über die medizinische Doktorpro--
motion. In Bezug auf gemeinsame Bestimmungen über die me-
dizinische Doktorpromotion haben die Bundesregierungen eine
Vereinbarung getroffen, die folgende Grundsätze aufstellt: Der
medizinische Doktorgrad darf nur verlieben werden auf Grund
einer durch den Druck veröffentlichten Dissertation und einer
mündlichen Prüfung. Eine xromotäo irr sbssutia findet unter
keinen Umständen statt. Durch die Dissertation soll der Kandidat
sich darüber ausweisen, daß er die Befähigung erlangt hat, selbst-
ständig wissenschaftlich zu arbeiten. Die Dissertation ist in
deutscher Sprache abzufassen. Die Anwendung einer anderen
Sprache ist mit GeneHmigung der Fakultät zulässig. Am Schluffe
der Dissertation ist der Lebenslauf des Kandidaten anzufügen.
Die mündliche Prüfung besteht nach Verschiedenheit der Fälle
entweder in einem einfachen Colloquium oder in einem Lxawsn
rigorosum. Die Zulassung zur Promotion von Inländern
darf in der Regel erst erfolgen, nachdem sie die Approbation als
Arzt für das Reichsgebiet beigebracht haben. Ausnahmen können
in besonderen Fällen durch ' einstimmigen Beschluß der Fakultal
mit Genehmigung der AufsiHtsbehörde zugelaffen werden, wo die
Erfüllung jener Vorbedingung' dem Kandidaten aus gewichtigen
Gründen nicht zuzumuthen ist. Auf Ausländer, welche die
ärztliche Approbation für das Deutsche Reich erlangt haben, finden
bezüglich der Promotion dieselbe!.: Vorschriften Anwendung, wie
auf die in gleicher Lage befindlichen Inländer. Ausländer, welche
die ärztliche Approbation für das Deutsche Reich nicht besitzen,
haben sich bei der Fakultät behufs ihrer Zulassung zur Promo'
tion darüber auszuweisen: 1. daß ihnen eine Vorbildung zu Theil
geworden ist, welche in dem Staate,' dessen Angehörige sie sind,
für die Erwerbung des medizinischen Doktorgrades und die Ab-
legung der ärztlichen Prüfung erforderst wird; fehlt es in dieser
Beziehung in ihrem Heimathsstaate an bestimmten Festsetzungen,
so haben sie durch vorgelcgte Reifezeugnisse, uöthigenfalls unter
Beifügung inländischer ErgänzungszcugnW mindestens eine Vor-
bildung nachzuweisen, welche den Anforderungen für das Zeug-
niß der Reife an deutschen Realgymnasien' entspricht; 2. daß sw
nach Erlangung dieser Vorbildung s) so viel Semester, ww
in Deutschland für die Zulassung zur . ärztlichen Prüfung
vorgeschricben sind, an einer gut eingerichteten medizinisches
Fakultät ein geordnetes medizinisches Studiulm, ähnlich wie es
in Deutschland üblich ist, geführt und b) mindestens eines dieser
Semester an derjenigen deutschen Universität, bei welcher sie
promovircn wollen, studirt haben. Von letzterem Erfordernis
kann, wenn der' Kandidat der Fakultät genauer, bekannt ist, ui»
Genehmigung der Aufsichtsbehörde ausuahmS-weise abgesehen
werden. An Stelle der zur Genehmigung »^gedruckt vorzu-
lcgenden Dissertation kann nach Ermessen der Fa kultät auch eine
bereits durch den Druck veröffentlichte wissenschaftliche Arbeit des
Kandidaten treten.
** Der Friedhof war am gestrigen Allerheilige'Ntage trotz der
nicht besonders günstigen Witterung stark besucht. Wie stets,
waren auch diesmal die Gräber schön geschmückt. » .
** Der Zitherverein veranstaltet morgen, SaiMtag, Abend
anläßlich fernes Stiftungsfestes in der Westendhalleftein^orwert,
Häuser-Patente im größten Stile für Frankreich, Bel gien und die
Mittelmcerländer erfolgreich in Angriff genommen hat. DW
Herren verweilten etwa 3 Stunden auf dem Hochofwnwerk und
sprachen sich einstimmig dahin aus, daß sie von dem', Gesehene»
hochbefriedigt seien. ,
— Das Schwetzerdorf in Paris hat schlechte Geschäfte ge-
macht. Den Garantiezahlern werden nur 15 Proc. zurÄckerstatter
werden können. (
— Von den außergewöhnlichen Kräften der chinesischen
Knlis in Tsingtau erzählte Dr. Phil. Kurt Boeck (der bekannte
Verfasser der .Indischen Gletscherfahrten") am 16. October in
der deutschen Kolonialgesellschaft, Abthetlung Dresd en. Gleich-
sam spielend verladen sie die Lasten bis zu 10 Zentnern und be-
fördern sie auf elenden Wegen in merkwürdig gestürmten ein-
rädrigen Korbkarren. Als das Geheimniß dieser stoch von Ge-
schlecht zu Geschlecht vererbenden herkulischen Musk elkraft be-
zeichnte der Redner die gänzliche Enthaltung der iKulis von
Alkohol und selbst von dem bet den wohlhabenderes Chinese»
beliebten Reiswetn. ' .
— Getreidepreise im Alterthum. Ein in Aejfira aut-
gefundener und in Athen veröffentlichter griechischer ^Text des
Edikts Diocletians über den Maximalprets ldes
trei des gibt, wie die Köln. Zeitung mittheilt, den bisher ver-
mißten Preis selbst an: er stellt sich nach heutiger B-erechNUNS
auf Mk. 10.29 für das Hektoliter Weizen und Mk. 6.1a7 für dos
Hektoliter Gerste. .
— Caracas, 31. Oct. Die Orte Santa Simiro l'Cua un
Charallave sind d urch das Erdbeben völlig zerstört. D,ie Jnfe»
tn der Mündung des Neveri-Flusses sind verschwunden. -1':
Tacarigua, Rio Chico und C uriepe sind viele Personen, getofte
oder verwundet worden. Großer Sachschaden ist an de? Eist»
bahn verursacht. Das Telephon zwischen Carancero und ROH-
ist unterbrochen. Das Erdbeben dauert fort.
 
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