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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 5.1894

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Volbehr, Theodor: Das Kunstgewerbe und die Künstler
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https://doi.org/10.11588/diglit.11721#0020

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Seite 6.

Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Znnen-Dekoration.

Zanuar-!)eft.

^and, der beleidigt geradezu das Kunstgewerbe. Und da solcher
Glaube wie jeder Glaube das Bedürfniß hat, proselyten zu
machen, so vermag er in der empfindlichsten Weise das Kunst-
handwerk zu schädigen, vor Allem den Respekt vor demselben zu
mindern. Denn Achtung kann man nur vor dem Streben haben,
das aus sich selbst heraus die Kraft fluid die Berechtigung des
Daseins schöpft, nicht aber vor Erscheinungen, die ihr Bestes
fremder Gabe danken. Des-
halb soll der Künstler nicht
Maler, nicht Bildhauer,
nicht Architekt sein, wenn
er Entwürfe für das Kunst-
handwerk fertigt, sondern
er soll schöpferischer Kunst-
handwerker sein. Er soll
sich ganz in den Zweck ver-
tiefen, dem das Geräth, der
Gegenstand, den er zeichnet,
dienen soll, und er soll sich
in das Wesen des Stoffes
vertiefen, aus dem das aus-
geführte Werk gefertigt
werden soll. Seine Künstler-
begabung aber soll er da-
durch bethätigen, daß er
etwas schafft, das dem Stoffe
und dem Gebrauchszweck
in der denkbar vollendetsten
Weise entspricht, das von
jenem undefinirbaren künst-
lerischen bjauch umschwebt
ist, der aus die Sinne der
Menschen so wohlthuend
einwirkt.

Der Künstler vermag
auf solche Weise auch den
Dank abzustatten, den er
dem Kunstgewerbe schuldet.

Ich will nicht von der künst-
lerischen Anregung sprechen,
die das Kunstgewerbe zu
bieten vermag — man denke
an zahllose Atelier-Einrich-
tungen, an Smyrna-Tep-
piche und japanischeWaaren
— es sei hier nur der ge-
radezu unmeßbaren erzieh-
lichen Bedeutung des Kunst-
handwerks für den Ge-
schmack des Publikums ge-
dacht. Mhne die erste Lon-
doner Weltausstellung im
Zahre s85s mit dem iin-
ponirenden Prunk des orien-
talischen Kunstgewerbes, der
dem europäischen Auge den
Staar stach in Bezug auf das Verständniß für farbige Wirkungen,
ohne diese Ausstellung wäre die Kunst eines Makart geradezu
unmöglich gewesen. And ohne die unermüdlichen Pionierdienste
des Kunsthandwerks würden Gemälde und Skulpturen noch weit
schwerer Eingang in die päuser der Reichen finden, des bürger-
lichen peims ganz zu geschweige»!.

Durch die Leistungen des Kunsthandwerks wird das Znteresse
an einer Verschönerung der Umgebung geweckt; und erst wo dieses
geweckt ist, wo der Geschmack angeregt worden ist, erst da wird

das Verlangen nach den Leistungen des Künstlers entstehen. Es
ist ja eine banale Wahrheit, daß ein Geschmack sich verfeinert,
wenn inan ihn an besonders gut zubereitete Speisen gewöhnt, und
daß er nach immer höheren Genüssen greift, wenn seine Genuß-
fähigkeit ausgebildet wird. Aber diese banale Wahrheit müßte
jedem Künstler klar machen, daß für die Kunst die kräftigste Unter-
stützung des Kunstgewerbes eine Forderung — nicht der Nächsten-
liebe, sondern des Selbst-
erhaltungstriebes ist. Das
Kunsthandwerk kann auch
dort Samen ausstreuen, wo
für die Kunst kein Boden
ist; überall verinag es ein-
zudringen, in den Palast
wie in die pütte; und überall
wirkt es wie der Sonnen-
strahl, das Leben verschö-
nernd, die Lust am Leben
erhöhend. Wo aber die
Lebensfreude wächst, da
wächst auch die Freude an
demSpiegelbilde des Lebens,
an der Kunst.

Kunst und Kunsthand-
werk sind durch allerlei
ästhetische Spitzfindigkeiten
künstlich getrennt worden.
Das blieb unseren» klugen
Jahrhundert Vorbehalten.
Und doch gab es niemals
zwei wackere Kameraden,
die »»»ehr für einander ge-
schaffen waren. Vereint
können sie getrost den Kampf
mit dem Leben wagen, tren-
nen sie sich, dann geht es
Beiden höchst betrüblich.
Ein Blick in die Geschichte
könnte es ja lehren, aber
bekanntlich hatdieGeschichte
kein Lehrtalent. So wird
es denn die nüchterne prak-
tische Wirklichkeit weiter
thun, wie sie es schon seit
Langem thut. Dort, wo
Künstler sich nicht für zu
gut halten, für das Kunst-
handwerk zu arbeiten, und
wo der Kunsthandwerker
in dem Künstler seinen besten
Rathgeber und Freund sieht,
da wird die Kunst und wird
das Kunstgewerbe fröhlich
gedeihen, wo aber der
Künstler vornehin herab-
sieht auf das Kunstgewerbe,
und der Kunsthandwerker in müdem Schlendrian hundertmal Ge-
arbeitetes wieder und wieder kopirt, da werden Kunst und Kunst-
gewerbe vegetiren, statt zu leben. Ist aber dem so, dann hat
der Künstler, eben deshalb weil er Künstler ist, hohe Pflichten
übernommen. Sich ihrer bewußt werden, ist der erste, wichtigste
Schritt, sie auszuüben, der zweite Schritt auf den» Weg, der zur
gesunden Freundschaft zwischen Kunst und Kunsthandwerk führt.

Nirgends ist man so leicht dem Mißverständnisse ausgesetzt,
als auf den Gebieten, »vo es sich um ideale Forderungen handelt.


Abbildung Nr. 850. Eingangs - Th »1P in Schmiedeeisen.
 
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