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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 5.1894

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Zimmermann, Ernst: Das Bild als Wandschmuck
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https://doi.org/10.11588/diglit.11721#0109

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Mai-Heft.

Seite 77.

Hauptsache anerkennt, von vornherein in seiner Auswahl beschrankt. Aber
es bleibt doch Spielraum genug, um persönliche Neigung zum Ausdruck
bringen zu können.

Originale und Reproduktionen, letztere in mannigfachster Art, pflegen
wir heute je nach unseren Mitteln zum Zimmerschmuck zu verwenden, hin-
sichtlich des Inhalts gelten für beide dieselben Regeln, hier darf man nicht
vergessen, daß das Bild an der wand diese fürs Auge beleben soll, auf keinen
Fall aber erregen darf. Die Wohnung ist »ns heute mehr denn je die
Stätte, wohin wir uns zuriickflüchten aus dem unendlich nervösen, lärmenden
Getriebe der Welt, um Ruhe und Frieden zu finden. Genug des ruhelosen,
dramatischen Treibens da draußenl hier soll uns nichts in diesem Frieden
stören! Die Bilder an der
wand, die man ja ohne
Unterlaß sehen muß, dürfen
daher nicht dramatisch er-
regte, pathetische Darstel-
lungen sein, die den Be-
schauer, er mag wollen oder
nicht, mit sich sortreißen,
ihn erschüttern oder doch
wenigstens seine Gedanken
für einige Zeit pachten. Auch
sie müssen Ruhe und Frie-
den dem Auge bieten, indem
sie in Ruhe verharrende
Dinge und Menschen schil-
dern. Die Existenzmalerei,
wie man eine derartige
Malerei früheren Jahrhun-
derts bereits genannt hat,
dürfte sich daher zur Aus-
schmückung unserer Zimmer
am besten eignen.

Also keine Stürme,
keine Feuersbrünste, keine
pathetischen Geschichtsbilder
und keine sentimentalen
Rührseligkeiten mehr in
unseren Zimmern! vor
Allem aber hüte man sich
vor den meisten so ein-
schmeichelnde» Werken un-
serer deutschen Genremaler,
die man schon längst mit den
Schlagworten „Novellenbil-
der", „Anekdotenmalerei"
richtig karakterisirt und ab-
gethan hat. Mer wird sich
gern im gewöhnlichen Leben
tagtäglich dieselben Ge-
schichten, dieselben Mitzchen
wieder und wieder vorer-
zählen lassen? Nichts Bes-
seres aber fügt sich der zu,
der sich mit Werken eines
Defregger, Grützner, Vau-
tier u. A. seine Wände voll-
hängt, ja nur noch Schlim-
meres; denn hier wird
meistens nur und immer
nur die Pointe wiederge-
käut. Die alten Holländer
verstanden die Genrekunst
einst besser, von einigen

wenigen abgesehen, deren lebhaftes Temperament sic zu Auswüchsen trieb
— vor Allem ist hier an Jan Steen zu denken — haben sie meist nur das
mehr oder weniger behagliche Sein der verschiedenen Gesellschaftsklassen in
seiner Alltäglichkeit geschildert und prächtige Existenzbilder, wahre Kunstwerke
geschaffen, da sie die Gleichgültigkeit des Inhalts zur feinsten koloristischen
Auffassung führte. Unsere Zeit und speziell unser Vaterland hatte dagegen
die rein künstlerische Erscheinung meist hintangesetzt und glaubte mit einer
möglichst getreuen Wiedergabe einer Erzählung genug gethan zu haben.

Freilich kann man in dieser Beziehung schon einen Umschwung in
weiteren Kreisen konstatiren. wer es sich leisten kann, pflegt zwar noch —
meist schon uin des lieben Namens willen — mit einem Knaus, Defregger nsw.
seine wand zu schmücken, Andere hängen Fotografien nach diesen Meistern
auf, wenn sie es nicht schon vorziehen, dieselben in Aasten zu legen oder in
sogenannte Staffeleien, die ja eigens für solche Sammlungen erfunden wurden;

Abbildung Nr. gz;. Treppenhaus NN kaiserlichen Institut in Lalrntta. von Arch. Thomas.

aber oft genug kann man doch schon in Kunstausstellungen und Salons die
persönliche Abneigung der Einzelnen ausgesprochen hören, solche Genrebilder
zu kaufen und dann dauernd um sich zu sehen. Allgemein schon wird heute
die Landschaft allen übrigen Kunstgattungen vorgezogen, jenes Stoffgebiet,
das mit überraschender Schnelligkeit alle seine Rivalen aus dem Felde ge-
schlagen hat und typisch zu werden scheint für die Kunst der Gegenwart und
der der Zukunft, hier aber haben wir ja schon an sich für gewöhnlich die
Existenzmalerei in ihrer größten Durchführung, die Malerei des scheinbaren
Friedens der Erdoberfläche, über welche die Erregungen und Bewegungen
des Lichtes und der Luft gleichsam umspielend und ohne den Beschauer im
tiefsten Innern zu erdrücken, Hinweggleiten. Namentlich aber in dex jüngsten

Phase der modernen Ma-
lerei, dem Bleis-sir, wo
man keine himmelstürmende
Alpen, keine Sündfluthen,
Wolkenbrüche und Orkane
mehr malt, vielmehr gerade
in der friedlichen Stimmung
eines Fleckchen Erde das für
die Kunst allein werthvolle
und Brauchbare erblickt.

Dadurch ergibt sich von
selber, daß für die Aus-
schmückung unserer wohn-
räume das Landschaftsbild
entschieden am geeignetsten
ist. Freilich braucht man
sich darauf nicht ausschließ-
lich zu beschränken. Das
französische Genre, d. h. vor
Allem die Bauernmalerei,
wie sie in Frankreich seit
Millet, seit Breton allge-
mein üblich und nun auch
bei uns in Folge der Hell-
malerei Nachahmung findet,
erfüllt, da sie in die Natur
das ihr noch am nächsten
stehende Individuum in
seiner arbeitsvollen aber
ruhigen Thätigkeit stellt,
nicht minder dieselben
Zwecke, wie auch Porträts,
Stillleben,Thierstücke u.a.m.
Ls ist gut, daß es hier noch
Abwechslung gibt; denn der
Feinfühlige wird einerseits
einer Eintönigkeit imBilder-
schmucke zu entgehen suchen,
andrerseits, wo es geht, den
Inhalt des Bildes den Be-
stimmungen der Räume, die
es ziert, anpassen, ihn gleich,
sam zum Spiegel des in
diesen sich abspielenden Le-
bens, der sich dort tummeln-
den Gedanken machen. So
wird man z. B. gern das
Speisezimmer mit Stillleben
aller Art, mit Iagddarstel-
lungen und Thierstücken
schmücken, dem Wohnzim-
mer, dem Mittelpunkte der
Familie, dagegen die Fa-
milienporträts zuweisen. In das Arbeitszimmer, in dem für gewöhnlich
der Ernst des Lebens sein heim aufgeschlagen hat, müssen vor Allem würdige
Bilder hinein, Werke alter Meister oder wenigstens Nachbildungen derselben,
deren tiefen, vielsagenden Gehalt heutzutage doch kaum irgend ein Meister
zu treffen vermag, mährend mau iu den Salon, wo sich das leichte, gefällige,
gesellschaftliche Leben abspielen soll, Bilder leichten Inhalts, ja wenn es sein
muß, „unsere" Genrebilder hängen darf, die dann dort an den wänden
gewissermaßen den Prachtwerken entsprechen, die der Franzose in seinen
Salons zum müßigen Durchblättern auflegt.

In gleicher weise hat man so bei Originalen und Reproduktionen auf
den Inhalt zu achten; in gleicher Weise aber auch auf ihre äußere Erschei-
nung. hier gilt es darauf zu sehen, daß das schmückende Bild in Farbe
und Ton mit seiner Umgebung in voller Uobereinstimmung stehe. Das Bel-
gemälde mit seinen Farben darf nicht zum mißtönenden Farbenflecke, die
 
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