Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 5.1894

DOI article:
Schliepmann, Hans: Zwei Hauptmotive amerikanischer Innen-Dekoration
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.11721#0156

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Seite ss6.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

August-Heft.



-4»








^ X






8


Abbildung Nr. 980. Siehe erläuternden Text.

hervortreten, wenn letztere Flächen
ebenfalls nur geschliffen, oder nur
theilweise, nach Art besonderer
Musterung, polirt würden — ein
beherzigenswerthes Beispiel, daß nicht Kostbarkeit,
sondern — Stileinheitlichkeit ästhetisch werth-
voller ist! Ein sehr wesentlicher zweiter Gesichts-
punkt dabei ist ferner, daß bei solchem Sägeschnitz-
werk nicht die Holzflächen, sondern die durchbrochenen
Theile, die Hellen Löcher, die Hauptsache für den Eindruck sind.
Es ist bei Weitem nicht so wesentlich, daß die dunklen bandartigen
Holzlinien eine fortlaufende erkennbare Zeichnung geben, als daß
sich die Löcher rhythmisch und den Linien nach klar und wechselvoll
gruppiren. Es ist dies ein Prinzip,
welches bei den arabischen Gitter-
werken klar hervortritt, welches
an gothischen Maßwerkfenstern,
namentlich für deren Haupt-
wirkung, diejenige vom Inneren
der Räume aus, vorzüglich be-
obachtet werden kann, das aber
in neuerer Zeit vielfach übersehen
worden ist. Die fehlerhafte Wirkung vieler moderner Balluster-
reihen z. B. ist hierauf zurückzuführen.

Wir haben uns damit dem Hauptreiz des amerikanischen
Gitterwerkes genähert: der Umrißlinie. Nur in selteneren Fällen
begnügt man sich drüben damit, einfache rechteckige Füllungen
herzustellen und mit Holzwerk auszusetzen. Das Allerwesentlichste
ist, daß in eine Geffnung zwischen zwei Räumen ein Abschluß
hineingesetzt wird, der zwar die eigentliche streng architektonische
Form der Geffnung noch erkennen


läßt, innerhalb dieser aber einen
zarteren und reicher bewegten
Umriß herstellt. In dieser Rich-
tung erstreben die in den Abbil-
dungen Nr. ß80, 982 und 986
dargestellten Gitterwerke, deren
Einzelheiten dem strengeren Em-
pfinden gewiß manches Kopf-
schütteln abnöthigen können, ihren

Reiz, und er fehlt ihnen in der Wirklichkeit nicht. Immer ergibt
sich durch die allmähliche Ueberleitung der dunklen Mauerflächen
zur Hellen Geffnung (umgekehrt, wenn gegen einen unbeleuchteten
Raum gesehen) vermittelst der Halbtöne des Gitterwerkes ein
Eindruck weichen, wohnlichen Behagens, malerischer Abgedämpft-
heit und reicher Linienwirkungen. Mit Recht hat der talentvolle
Zeichner unserer beiden Sonderbeilagen gerade diesen Reiz auf-
gegriffen und als Hauptmotiv für seine Raum-Dekorationen ver-
werthet. Die selbständige Art, in der dies geschehen, sollte ein
Beispiel geben, wie wenig wir gezwungen sind, nunmehr das

prächtige amerikanische Motiv,
momöglich noch mit einem Mund
voll schlecht ausgesprochener
Fremdwörter für die lieben dumm
zu machenden Kunden, sklavisch nachzuahmen. Erst
durch Neubildung eignen wir uns Fremdes an.

Als solche Neubildung ist denn auch der glückliche
Gedanke zu bezeichnen, das Gitterwerk zu ver-
doppeln, wobei sich natürlich noch reichere Effekte
ergeben; nur ist darauf zu rücksichtigen — wie in den Entwürfen
von Werle geschehen — daß die perspektivischen Neberschneidungen
den Reiz der Umrahmungslinien nicht zerstören, sondern eher
erhöhen, wie viel endlich die Zuhülfenahme der Farbe bei

unserem Motive noch zur Berei-
cherung beitragen könnte, braucht
wohl kaum angedeutet zu werden.
In Amerika, das sich ja eines
erstaunlichen Reichthums aller
möglichen kostbaren Nutzhölzer
von mannigfachster Naturfarbe
erfreut, ist eine Bemalung des
Gitterwerkes nicht üblich; selbst
die Politur ist weniger als bei uns gebräuchlich; neben mattem
Holzwerk findet man geöltes, besonders häufig aber lackirtes.

Den Reiz bunterer Farbe aber gibt das zweite Motiv, von
dem ich sprechen wollte und dem ich mich jetzt zuwende: die
Schnur-Borhänge (vergl. die Abbildungen Nr. 99l und 992).
Ich kann mich hier weit kürzer fassen, denn die ästhetische Absicht,
in der das Motiv zur Verwendung kommt, ist der des Gitter-
werkes ganz nahe verwandt. Auch hier soll der Uebergang von

Licht zu Schatten zwischen Geff-
nung und Umrahmung vermittelt,
weicher, belebter gestaltet werden;
auch der Reiz halber Verhüllung,
ein Trennen, das doch noch eine Zu-
sammengehörigkeit zweier Räume
erkennen läßt, und damit zugleich
also das Gefühl der Raumabge-
schlossenheit und doch der Weit-
räumigkeit, einer halb mystischen
Perspektive erweckt, ist durch dieses Motiv gegeben. Es stammt
höchst wahrscheinlich aus Japan, von jenen perl- oder Frucht-
kornschnüren oder Aufreihungen verschieden gefärbter Binsen-
stückchen, bei denen die Reihenfolge der einzelnen Elemente der
Schnüre eine bestimmte Musterung, wohl gar ein Bild ergibt.
Muß letztere Absicht entschieden schon als eine barocke und etwas
abenteuerliche bezeichnet werden, so ist die Herstellung einfacher
Drnamentlinien, die durch Knoten oder Agraffen, Quasten und
Aehnliches in verschiedener Höhe bei den einzelnen Schnüren
hergestellt wird, ästhetisch durchaus zu rechtfertigen, denn hier
 
Annotationen