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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 5.1894

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Statsmann, Karl: Plauderei über Kunstschmiede-Arbeiten
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Seite s82.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Dezember-Pest.

wie eine tiefere Schulung. Aber diese eine Erklärung reicht nicht
aus. Was die Werke gefällig macht, liegt in den Formen selbst,
nicht außerhalb derselben. Zunächst vermeiden sie eine Anwendung
des Akanthus. Diese deutschem Boden fremde Pflanze vermochte
da aus ländlicher Erde nicht Wurzel zu fassen. Wan erinnert
sich vielmehr lieber an unsere einheimische Pflanzenwelt und ver-
knüpft das Aufgebaute nach sinniger, formschöner Weise. Auch
die Farbe kommt zu ihrem Rechte und man begnügt sich nicht
mit dem einfachen Schwärzen des Eisens, sondern bemalt die
Einzeltheile je nach ihrem Werthe und ihrer Bedeutung. Bei
diesem naiven Aunstschaffen kommen auch Absonderlichkeiten vor,
wie etwa die ungekünstelt naturalistische Farbgebung der Blätter
und Blüthen. Solche nehmen wir indeß eben so gerne hin wie
die satten Auftragsarben Anzengruber'scher Volksschauspiele.
Neben dem Polperigen und Urwüchsigen nimmt sich das Gemessene
recht schmuck, herzerhebend
und versöhnlich aus. Die alte
Geschichte von den Gegensätzen,
welche in der Natur wie in der
Aunst leitend sind, und die noch
unterstützt und gehoben werden
durch die Gnaden unserer Be-
herrscherin Sonne, ihrer Aeuße-
rungen: Licht und Schatten.

Wenn wir so wollen, trägt das
ganze Weltall und im Aleinen
die Natur um uns, im Einzelnen
die Aunst der Menschen die Art
und Aeußerung jener Gegen-
sätze an sich. Zn der einfachsten
Form erkennen wir die Gegen-
sätze am Unterschiede von gerader
und gekrümmter Linie, porizont
und Firmamentkuppe, Meer und
Weereswoge, See und Gestade,

Flußthal und Bergrücken, Stengel
und Ranke, Stab und Bogen.

Je freundlicher dieser Aontrast
auch in Aunstwerken der Men-
schenhand sich äußert, desto ge-
fälliger wird ein Werk erscheinen.

Es wird unserem menschlichen
Empfinden um so inniger ver-
traut werden, je ebenmäßiger
die Gegensätze in Linie, Form
und Farbe gemildert, je deutlicher
die Eigenart des Schaffenden
ausgeprägt erkennbar ist. Nun finden sich unter einfachen Leuten,
aus dem Lande, auch die Schattirungen des Aarakters in noch
reicherein Maße entwickelt als bei den von der Aultur beleckteren
Städtern und diese Wesensart spricht auch aus den ländlichen
Aunstformen. Niel Licht und viel Schatten. Nicht mehr indeß und
nicht weniger, als man es an gesunden Aindern verträgt, die sich
geben wie sie sind, und die unbewußt die Losung in sich tragen:

Uns woll un kein üwel,

Un wer't nich mag, is 'n Düwel!

Mit Recht verweist man heute in der Aunstpflege aus das
ursprüngliche und einer unabhängigen gesunden Eigenart ent-
springende Aunstschaffen des Bauernvolkes, vornehmlich des früheren
Schlages. Und das gilt auch für den pinweis ans die Schmiede-
Arbeiten vergangener Zeit. Wan will jedoch mit dem lauten
Appell keineswegs das Nerlangen stellen, unsere Aunst solle in
Allem und in allen Theilen zur Bauernkunst zurückgehen, in
Allem einfältig werden und nur jene Formen erwählen. Das
sei ferne! Was wir sollen und wollen sollen, ist eine Rückkehr

zur Natürlichkeit, perzlichkeit, Verständlichkeit, Wahrheit — und
all diese Impulse erhalten wir durch das Studium nnd die Be-
herzigung der Bauernkunst. Auch hier gilt also auch wieder:
Nicht die Form kopiren, sondern den Geist und die Seele heraus-
finden, herausziehen und verarbeiten!

Wenn diese Rückkehr zur Natürlichkeit immer noch und immer
wieder gefordert wird, so möge das nicht so lauten, als hätten
wir heutzutage nicht schon genug Arbeiten im verlangten Sinne.
Nein, es gilt vielmehr die lauen und gleichgültigen, die verbildeten
und abschweifenden Aünstler wieder zum Schönen und Gefälligen,
zum Rechten und Wahren zurückzuführen, die Unwissenden zu
belehren. Es kann nicht Sache der Aritik sein, den Aünstlern
Formgebung und Flug der Fantasie vorzuschreiben. Innerhalb
der gewählten Formen- und Gedankenwelt finden wir allemal
Wahrheit und Alarheit. Eine Lüge ist es also z. B., wenn bei

irgend einem gewählten Forma-
lismus von Aunstschmiede-Ar-
beiten die Art und Struktur, also
das dem Eisen eigenthümliche,
nicht oder mangelhaft berücksich-
tigt wird. Die Schmiedekunst hat
hierin zwar weniger gefehlt, als
die hölzerneSchwesterkunst, welche
zum Theil sattsam von der
Architektur borgte, sich selber
untreu; indessen ist sie nicht tadel-
los. Auch sie verlor zuweilen
den Aurs. Wir erinnern an
die Aufnahme von Architektur-
theilen in die Eisenschmiede-
Arbeiten des s8. Jahrhunderts.
Immerhin ist die Schmiedekunst
aller Zeiten ihre eigenen Wege
gegangen und wird es fernerhin
thun. Sie ist die einzige der
Abtheilungen modernen Aunst-
gewerbes, welche sich rein er-
halten hat innerhalb der Stil-
wandlungen und welche dazu
Neues und pervorragendes ge-
schaffen, welche es auch zu neuen
Stilen gebracht hat.

Das Eisen ist einer der
bildsamsten Baustoffe. Wir sagen
Baustoffe, weil es uns hier aus
seine Verwendung als dauer-
haftes, wetterfestes, solides Ma-
terial zur Aonstruktion und zum Schmucke der Bauwerke ankommt.
Dieser Bildsamkeit des Eisens ist es auch zuzuschreiben, daß es
sich allen bisherigen Baustilen willig angepaßt, allen Ornamenten
eingefügt, allen Launen bildender Aünstler dienstbar gemacht hat.
Seine Geschmeidigkeit stellt es über das Polz, seine pärte neben
und über den Stein, seine Dehnbarkeit, Schweißbarkeit, Schmelz-
barkeit, pärtungszulässigkeit, also die große Umbildungsfähigkeit,
weit über beide, und es steht von den Baustoffen der Plastik am
nächsten und am willigsten für alle Formen zur Verfügung.

Mit Willigkeit und Geschmeidigkeit eignete sich das von
kundiger pand geschmiedete Eisen zu der Grnamentation aller
Zeiten. Es folgt den Flächenmustern, den geraden wie den ge-
schwungenen Linien der Architekturformen. Wo es in Wacht und
Pomp aufzutreten hatte, gab ihm allemal die Architektur geeig-
neten pintergrund oder Waßstab. In Grazie begleitete das Eisen
die Rankenspiele, Blüthentriebe der mittelalterlichen Aunst und
der Frührenaissance, schritt weiter mit in der Entwickelung der
letzteren vom streng gegliederten zarten Stengel, dem flachen be-
 
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