Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden (7): Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden — 1896

DOI Kapitel:
No. 41 - No. 50 (16. April - 7. Mai)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.42841#0202

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
noch die Erbitterung der chriſtlichen Völker wachrufen,
die ſich in ihrer Lammsgeduld ſchon viel zu viel (ge-
fallen ließen! Als dem Frankenkönig Chlodwig zum
erſten Mal die Leidensgeſchichte Chriſti vorgeleſen
wurde, da ergrimmte er vor Zorn und rief aus:
„Wäre ich doch nur mit meinen Franken dabei ge-
wefen!! Von dieſem berxechtigten Zorn des alten
Fraͤnkenkönigs ſteckt aber immerhin noch eine tüchtige
Portion in den gläubigen Chriſten, und gebet Acht,


Stelle auf dem neueſten Blatte der Weltgeſchichte mit
der ſchwarzbedeckten Inſchrift bezeichnet wird: „Hier
iſt der Ort für das entartete moderne Judentum, ge-


brechen, die es an den Chriſten begangen!“
— Schluß folgt.
zTagesfragen.

— Die „Siabilität“ der Handelsverträge. Die
Weisheit der Mancheſtermänner leidet Schiffbruch.
Die rauhe Wirklichkeit zerſtört ihre letzten Illuſionen.
So war es z. B. bei Gelegenheit der Reichstagsver-




gument des Grafen Caprivi zu Guͤnſten der Handels-
derträge, daß dieſe eine Feſtlegung der Preiſe herbei-
führten. — Gerade das Gegenteil iſt eingetroffen.
„Sine Chimäre“ nennt mit bitterm Hohn die Handels-
kammer für Schwaben und Neuburg die Behauptung
des ehemaligen Reichskanzlers und fügt zur Begründ-
ung ihres abfälligen Urteils hinzu: —
Faſt jedes neue Heft des deutſchen Haͤndels-
Archivs bringt Mitteilungen über Kündigung und
den Neuabſchluß von Handelsverträgen, von welchen
Deutſchland infolge der zahlreichen für dasſelbe maß-
gebenden Meiſtbegünſtigungs⸗Klauſeln betroffen wird.
Im Falle die Kündigung einen mit Tarifkonzeſſionen


Aufhörens einer Begünſtigung. Bei Neuabſchluß
eines Vertrags beſteht die Gefahr einer neuen
Konkurrenz.“ ;
— In Ergaͤnzung des Verbots des bärſenmäßigen
Getreideterminhandels wird zur dritten Leſung des
Börſengeſetzes noch ein Antrag eingebracht werden,
dahingehend, daß bei im Auslande abgeſchloſſenen
Getreide⸗Termingeſchäften eın Rechtsanſpruch im Inlande
nicht verfolgbar iſt. Man will damit verhindern, daß
infolge des Verbots des Getreide⸗Terminhaͤndels
ſich das Spekulationsgeſchäft nach ausländiſchen
Plätzen zieht. Außerdem iſt, ebenfalls im Verfolg
des Berbots des Getreideterminhandels von
den Abgeordneten Graf Kanitz und Genoſſen für die


„Den Reichskanzler zu erſuchen, mit denjenigen
Staaten, in denen ein börſenmäßiger Terminhandel
mit Getreide und Mühlenfabrikaten ſtattfindet, wegen
Unterſagung dieſes Handels in Unterhandlung zu
treten und über das Ergebnis im Reichstage Mit-
teilung zu machen.“ — ;





Zur — —


in der Kolonial-Ausſtellung eine große Sammlung des
Majors von Wißmann, aus 450 Waffen, Gewehren,
Schädeln, Kriegsutenſilien beſtehend, die faſt allen afri-
kaniſchen Stämmen angehören, aufgeſtellt werden.
— Der Landwirtſchaftsminiſter Frhr. v. Hammer-
ſtein⸗Lorxten hat kürzlich einen ſehr geſchmaͤckvollen
Witz verbrochen. So hat er ſich bei feinem Aufent-
halt in Lübeck folgendermaßen ins Fremdenbuch ein-
getragea: „Frhr. v. Hammerſtein, vandw.Miniſter,
Notleidender Agrarier erſter Gilte“ h — Daß über
den Notſtand in bäuerlichen Kreiſen, der von jedem


Munde des Landwirtſchafts⸗Miniſters, welcher ja in

erſter Linie berufen waͤre, eine ſo wichtige Sache ernſt
zu behandeln, faule Witze geriſſen werden, geht denn

doch weiter als bloß über die Huͤtſchnur. —



Zie Eröffnung der gerliner —
2 Auaſtellung. *
Schluß

Der Kuppelſaal iſt noch nicht ganz fertig, aber
das Unfertige ſtörte nicht; in vier Bogen ſtrebt das
Bauwerk nach oben, wo eine Gallerie den inneren
Naum umgiebt. Eine Darſtellung der Induſtrie in
ihren hammerſchwingenden lederbeſchürzten Arbeitern


in einer Niſche eine Koloſſalfigur, Handel, Schifffahri,
Induſtrie und Ackerbau 44 Die 1244
iſt in Gold gehalten, ihr zur Seite rechts befinder ſich
die prachtvolle Ausſtellung der Berliner Königlichen
Porzellanmanufaktur, zur anderen Seite eine Auͤsſtell-
ung von Schiffsmodellen.

Dahinter dehnt ſich weit, auf den erſten Blick
faum abſehbar, am Eröffnungstage ununterbrochen von
Menſchenmaſſen gefüllt, die lange Halle mit ihren zahl-


Induſtrie, Porzellan-, Chamolte- und SGlaswaren-
Induſtrie, Kurz- und Galanteriewaren-Induſtrie, Me-
tall⸗Induſtrie, graphiſche und dekorative Künſte, Buch-
gewerhe, Muſik-Inſtrumente, Leder- und Kautfchuk-
Induſtrie, Papier-Induſtrie und Maſchinenbau und
Elektrotechnik. Anf alle Einzelheiten der Hundert-
tauſende von Ausſtellungs-Gegenſtänden wird ſpäter
einzugehen ſein, hervorgehoben fei nur, daß am meiſten





— An der Blättermeldung, daß der Handels-
miniſter Frhr. v. Berhepſch ſeine Demiſfion ge-
geben hat, iſt kein wahres Wort.

— Zur zweiten Leſung des Margarine-
geſetzes iſt vom Abg! Schmidt (Warburg) der
Antrag eingebracht worden, den S 6 des Geſetzes da-


loren und Bäcker, die ſich zur Herſtellung von
Naͤhrungs⸗ und Genußmitteln der Margarine be-
dienen, haben ſolches durch augenfälligen Anſchlag in
den Speiſe- und Verkaufsräumen ihres Gewerbes
und, falls Speiſezettel geführt werden, auch durch
Vermerk auf letzteren kund zu geben.
‚— Der Dichter Julius Sturm iſt am Sams-

tag in Köſtritz geſtorben. BA |

— Wegen Beteiligung an der Maifeier
wurden 506 Arbeiter der Koch'ſchen Schiffswerft in
Lübeck entlaſſen.

— Aus Spandau wird unterm 4. ds. ge-
Die Auswaͤnderer auf dem Bahnhofe
wurden vollſtändig iſoliert wegen Vorkommens der
mehreren Mitgliedern einer
jüdifhen Auswandererfamilie aus KRuß-
iand. Die Sanitätsbehörden trafen umfaſſende Maß-


Herzog von Sachfen-Meiningen und Gemahlin, welche
infognito reiſen, mit mehreren Perſonen ihres Gefolges
zu Wagen zum Beſuche des Dichters Richard Voß
und deſfen Gemahlin nach deren Villa bei Frascati.
Auf dem Rückwege wurde der Wagen des Herzogs


mumint und mit Gewehren bewaffnet waͤren, bei
Frascati angehalten. Der Herzog mußte den Angreifern
fein Portemonnaie, welches ungefähr 55 Lire enthielt,
übergeben, worauf die Räuber fich zurückzogen und den
Wagen weiterfahren ließen.
Polizeimannſchaften an den Thatort, um die Schuldigen
zu ergreifen. —

— Oeſterreich˖Aingaru. In Peſt iſt in der
letzten Woche die ſogenaunte Milleniumsfeier, die
Ausſtellung zu Eheen des „tauſendjährigen Beſtehens
des ungariſchen Staates“ eröffnet worden. Es iſt bei
dieſer Gelegenheit notwendig, daran zu erinnern, daß
faſt alles, was an Kultur in Ungarn vorhanden iſt,
durch die Verbindung mit dem deutſchen Kulturelement
in Oeſterreich geſchaffen wurde. Andererſeits will die
Mehrheit der Ungarn bewohnenden Volksſtämme,


ungariſchen Staatsherrlichkeit überhaupt nichts wiſſen.
Der Ausſchuß des Nationalitäten-Kongreſſes hat gegen
die Jahrtaufendfeier proteſtiert, und ein Echo dieſes
Proteſtes vernahm man in den letzten Tagen aus
Belgrad, wo ſerkiſche Studenten auf öffentlichem


gebung der Studenten in Belgrad, welche die ungariſche


kam es zu einem ernſten Zuſammenſtoß mit der Gen-


mußte. Auf beiden Seiten gab es viele Verwundete.
Eine große Anzahl von Verhaftungen wurde vorgenommen.
Der Stadtpraͤfekt und der Gendarmerie-Kommandant
wurden ihres Amtes entſetzt. — Infolge der Feind-
ſeligkeiten gegen Ungarn dürfte auch das Kabinec ab-
danken. Von den beim Zuſammenſtoß mit der Polizei
Verwundeten ſind bereits mehrere geſtorben. Die Ver-
hängung des Ausnahmezuſtandes über Belgrad ſteht






_ Parlamentariſche und Partei-
Nachrichten.

imponiert und ſelbſtverſtändlich vor allem den Damen
gefallen wird die großartige Ausſtellung der Terxtil-
Induſtrie, welche nicht allein die neueſten Moden, fon-
dern in lebensgroßen Figuren eine bunte Karte der
Moden bis huͤndert Jahrẽ rückwärts bietet. Groß-


ſtrie, ſowie die Erektrotechnik.

Schön, prächtig iſt der Ausblick hinuͤber über den


eingefaßten neuen See, auf dem ſich venetianifche Gon-
deln wiegen. Muſik Kioske grenzen an die Ecken des
recht geräumigen Waſterbeckens, zwei lang ausgedehnte
Wandelgänge, mit Faͤhnen geſchmückt, gewähren Schutz
bei unguͤnſtigem Wetter. Wenn hier alles in voller
Frühlingsvegetation ſich befindet, dann iſt ein Terrain
vorhanden, welches mit den großartigſten Anlagen in
fürſtlichen Parks wetteifern kann! Impoſant erhebt ſich
über dem weitenſchimmernden Hauptreſtaurant am an-
deren Seeufer heute der rieſige Waſſerturm gegen den
Limmel, das farbeaxeiche und doch ſo haͤrmoniſche
Bild harmoniſch abſchließend. — *

Hinter diefer Aulage ſicht es, gerade ſo wie um
das Hauptgebände herum, noch etwas ſehr wüſt aus.


zu dem ſich aus den, heute frellich kaffeebräunlichen,
Fluten des Karpfenteiches erhebenden Alt Berlin mit
ſeinen Warten und Türmen, an deſſen Thoren knebel-
bärtige Kriegsknechte aus der Zeit des großen Kur-





Der Vorſtand der deutſch-ſozialen Reformpartei in
Baden bat ſofort Schritte eingeleitet, um ſich ein ob-
jektives Urteil über dieſe Angelegenheit zu verſchaffen.

Zür die Nachwahl im Wahllireiſe Auppin
Femplin erläßt die Fraktion der Deutſch-ſozialen
Reformpartei folgenden Aufruf:

„Der Wahlkreis Ruppin-Templin, bisher im
Reichstage durch den freiſinnigen Abgeordneten Bohm
vertreten, iſt durch den Tod desſelben frei geworden.
Für den 21. Mai iſt die Neuwahl ausgeſchrieben.

Die Deutſch⸗ſoziale Reformpartei, bemüht, der
Sache des Antiſemitismus überall neuen Boden zu
gewinnen, iſt in den Wahlkampf eingetreten und hat
bereits eine Reihe von erfolgreichen Verſammlungen
im Wahlkreiſe abgehalten. Als Kandidaten hat ſie.
Herrn Kaufmann Emil Schückerk in Neu-Ruppin
aufgeſtellt. —

Bei raſtloſer Arbeit iſt ein Erfolg für uns zu
erringen, der für die Fortſchritte ‚unfjerer, Bewegung
in der Provinz Brandenburg und in ganz Nord-
deutſchland von großer Bedeutung wäre.

Die Stimmung der Wählerſchaft iſt uns inſofern
günſtig, als der Wunſch nach einer neuen Partei, die
ebenſo die Rechte des Volkes hochhält, wie die inter-


handen iſt. Aber ſchwer wird der Wettbewerb gegen-
über dem Freiſinn, welcher den Kreis mit allen
Mitteln zu behaupten ſucht, gegenüber der Suzial:
demokratie, welche eine ungemeine Rührigkeit ent-


einen Landrat (I als Kandidaten aufgeſtellt haben.
An alle Freunde und Geſinnungsgenoſſen richten
wir die Bitte um thatkräftige Unterſtützung, insbe-
ſondere durch ſchleunige Zuwendung von freiwilligen
Beiträgen für die Wahlunkoſten.
Sendungen ſind baldigſt zu richten an den Kaſſen-
wart unſerer Partei, Herrn Dr. Vielhaben, Hamburg,


Berlin, 1. Mai 1896.
Die Fraktion der deutſch⸗ſozialen Reformpartei.
Der Fhüriuger Barteitag der Deutſch⸗ſozialen
Reformpartei, der am Sonntag in Gera ſtattfand,
Von der Reichstags-
fraktion waren die Abgeordneten Liebermann von
Sonnenberg und Iskraut anweſend. Es wurde be-
ſchloſſen, einen Verband für Oſtthüringen und einen
für Weſtthüringen zu gründen. Zum Vorſitzenden
des Oſtthuͤringer Verbandes wurde Herr Becker-
Untermhaus gewählt. Der Weſtthüringer Verband
wird erſt ſpäter zuſammentreten.

— —— ß s //» «“/ — Rt —

Aus Stadt und Land.

un Heidelberg, 5. Mai. Wieder ein Jude, der
ſich ſchämt, für einen Juden gehalten zu werden!
Wir erhalten folgende Zuſchrift: „Soeben leſe ich im
Staatsanzeiger, daß der Rechtspraktikant Karl
Levyſohn aus Karlsruhe ſeinen Zunamen in


Juſtizminiſterium läuft am 9. Mai ab, doch halte ich
bei dex judenfreundlichen Stimmung der Regierung
eine Einſprache für nutzlos. Jedenfalls aber muß
man ſich dieſen Rechtspraktikanten Karl Lingert
(einſt Leviſohm merken!“

X SHeidelberg, 6. Mai Heute Vormittag ſtürzte
ein Schaffnex der Main-Neckar-Bahn beim Einfahren
des Zuges in den hieſigen Bahnhof vom Trittbrett
und deſchädigte ſich nas eine Bein ſehr ſtark. Es iſt
guffallend, wie viele Unglücksfälle anf dem hieſigen
Bahnhofe vorkommen. Erinnern wir uns recht 10
ijft dies der 6. Fall in dieſem Jahre. Alle übrigen
Unglücksfähe ſind tödtlich vexlaufen..

*, Seidelberg, 7. Mai. Furchtbares Brandunglück.
Leute früh um */24:11hr murde in den Straßen der
Stadt Feuerallarm geblaſen. Es braͤnnte der rechte


aͤlteſten Gebände der Stadt. Dort befand jich der

fürften die ſtreuge Wache halten. Die dienſtbaren
Geiſter in Alt-Bexlin kommen alle „mittelalierlich“
wit kurzen Hoſen, Knieſtrümpfen, grauem und braunem
Habit und breiten weißen Krägen. Die weiblichen
Perſonen haben ebenfalls eine die Zeit vor zwei Jahr-
hunderten repräſentieren ſollende Tracht gewählt, aber
die modernen Puffärmel, Keulenärmel, finden ſich doch
in faſt allen Kleidern, aber auch die ſpitzenbeſetzte
Brabanter Haube. Von den kleinen Balkenhäuſern
mit Vorbauten, Erkern, Söllern wird ſich mandher
Bewohner einer alten Kleinſtadt übrigens fehr heimat-


damals und Heute ſei doch nicht ſo furchtbar groß,
trotzdem die Straßen nicht gepflaſtert ſind, zur Be-
leuchtung an den Häuſern mächtige eiſerne Laternen
hängen und auf den Tiſchen vieler Bierwirtfchaften
Fidibusbecher ſtehen.
Druͤben im Vergnügungspark iſt man noch fehr
weit zurück, kaum aus dem Allergröbſten heraus; hier
iſt, wie zu bemerken nicht vergeſſen ſein foll, die Stätte
für alle, welche billig foucagieren wollen. Man kann
für 75 Pfennige ganz gut zu Mittag eſſen. Wandern -
wir weiter zur Kolonialausſtellung mit ihren dem
Deutſchen ſo merkwürdig erſcheinenden plumpen, fenſter-⸗
loſen Steinhäuſern und flachen Dächern. Aber auch
luftige Holzhäuſer, wie unſere Beamten in den Kolo-
nien ſie bewohnen, ſind vertreten, und es läßt ſich darin
wohnen. Reichhaltig iſt die Ausſtellung von kolonialen |


 
Annotationen