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Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden (7): Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden — 1896

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No. 51 - No. 60 (9. Mai - 6. Juni)
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Tagesfragen.

— Zur Aonvertirungsfrage ſchreiben dieDeutſch-
ſoz. BL“ des Herrn von Liebermann! In faſt allen
Paͤrteien, von den Konſexvativen bis zu den Sozial-
demokraten, iſt Stimmung fir eine Herabſetzung des
— Binsfuße8 der Reichsanleihen auf 3. v. H. vorhanden.
Eine derartige Maßüahme von ſeiten des Reiches würde
felbftuerftändlich auch Einfluß auf die Anleihen der
einzelneu Bundesſtaalen haben. Uuſerer Partel wäre

e8 deshalb ſehr erwuͤnſcht, zu wiſſen, mer durch eine
foͤlche Maßregel getroffen würde, d. h. ob die in Frage
fommenden Staatspapiere vorzugsweiſe in den Händen
der Kapitaliften oder des Mitteiſtandes ſich befinden.
Wir buͤlen deshalb alle unſere Vereine, in den nächſten
gZuſammenkuͤnften hierüber eine Beſprechung und mög-
ichſt eine Umfrage zu veranſtalten und dann die Be-
ſchlüſſe uſch. an uns einzufenden“,

—. — Die Sage der Induſtrie. Nach dem Berichte
der Bereinigten Pommerſchen Eiſengießereien und Halle-
ſchen Maſchinenanſtult war das abgelaufene Geſchäfts.
‚ahr eines der unguͤnſtigſten, das die Geſellſchaft ſeit
ihrem Beſtehen duͤrchzumachen hatte. Auf den Ge-
ſchäftsgang wirkte am allerungünſtigſten einmal die
ſchlechie Lage der Landwirtſchaft, und dann die. Er-
44 des Abſatzes in überſeeiſchen Ländern durch


warten, daß auch andere Induſtrien mehr und mehr
die gleiche Erfahrung machen werden. Darnn werden
ſich auch diejenigen Induſtriellen wieder auf die In-

iereſſengemeinſchaft mit der Landwirtſchaft beſinnen,

die jebt uoch durch die vermeintlichen und vorliber-

_ gehenden Beguͤnſtigungen der Handelsverträge ſich haben
läuſchen laſſen.

— Die Beamfen und die Yolitik. Der neu-
lich von uns aus der „Berliner Korreſp.“ mitge-
teilte Hinweis an die Beamten, daß 8 mit den
Pflichten eines Staatsbeamten vollſtändig unvereinhar
iſt! ſich an Agitationen zu beteiligen, welche gegen die


wird in der Beamtenſchaft felbjt und anderswo be-
zreiflicher Weiſe mit ſehr gemilchten Gefühlen aufge-
uonimen werden. Vor allen Dingen fragt man ſich;
woas iſt denn heute eigentlich die Regierungspolitit?
Wir haben in den letzten Jahren ſo viel zelloſe
Schwankungen geſehen, daß von einer feſten zielbe-
wußten Politik vorläufig nicht die Rede ſein kann.
Nun foͤrdert ja der Hinweis von den Beamten nicht,
daß ſie alle dieſe Schwankungen mitmachen ſollen,
was auch ſehr ſchwierig ſein würde, ſondern verlangt
nur etwaͤs Negatives, daß ſie ſich an Agitationen
gegen dieſe Schwankungen, — der Hinweis nennt
e& die Durchführung der Regierungspolitik, — nicht
beteiligen ſollen. Aber gerade ın dieſer Alge-
meinheit ſcheint uns der Exlaß unheilvoll. Denn „Agi-
_ tation“ ift denn doch ein ſehr dehnbarer Begriff. Die
deutſche Beamtenſchaft aber, das dürfen wir Gott ſei.


wiegenden Mehrheit — moͤnarchentreu bis ins Mark.
— UnterMonarchentreue verſtehen wir nichtruͤckgratloſeKopf-


inäß offen zu bertketen. Gerade in der Oppoſition
kann die Moͤnarchentreue oft erkannt werden, denn wer


hin, den Zorn desſelben zu erregen, offen fagt, was
er zum Heile der Allgemeinheit für das Beſte halte,
ovel der, der mit ſtummer Verbeugung ſchweigt, auch,
wo das Gewiſſen ihn treiben ſollte zu xeden? Das
Schlimmſte aber iſt, daß durch ſolche Lundgebungen
dem Strebertume auf der einen und dem Denunzianten-
* auf der anderen Seite Thür und Thor geöffnet
wird. — — ——



Zur Zeitgeſchichte.

— Deutſchland. Die, Nordd Allgem. Ztg.“ ſchreibt:
Wie wir hören, hat Se. Majeſtät Kaiſer Wilhelm
am 3. Mai dem Schah von Perſien, Muſaffer Ed Dine,
telegraphiſch ſein Beileid über die Ermordung des

Schahs Naſſr Ed Din und ſeine beſten Wünfche für
die neue Regierung ausgedrückt. Der Schah hat
darauf mit einem Telegramm an unſeren Kaiſer er-
widert, in dem er ſeinen lebhaften Dank ausſpricht.

— Berlin, 7. Mai. Ihre Kal. Hoheit die
Großherzogin von Baden iſt heute früh 6 Uhr 39 Min.
hier eingetroffen und hat im alten Palais Wohnung
genommen. D ‚

— Wie aus Tientſin gemeldet wird, iſt die
Frage einer Gehietsabtretung zu einer deutſchen
Niederlaſſung gütlich geregelt worden, nachdem
Amerika auf gewiſſe Rechte verzichtet hat. Der
deutſche Flächenraum überſteigt den der engliſchen
und franzöſiſchen Konzeſſionen zuſammengenommen.
Den Chineſen wird geftattet, innerhall der Grenzen
des deutſchen Gebietes zu wohnen.

Die „Frankf. Ztg.! bringt einen längeren
Artikel, in dem ſie auseinanderſetzt, daß eine Mini-
ſterkriſis vorhanden ſei, aber nicht akut, ſondeen
dauernd und ſchleichend. Sie erzähit dabei, daß der
Kaiſer jüngıt geſagt haben ſoll: „Da hole ich mir
lieber den Alten Gismarch zurück”, und daß die
Stimmung, die durch die Verabſchiedung des Herrn
von Köller beim Kaiſer erzeugt worden ſei, noch nicht
überwunden ſei.

— Ztalien. Ein Mordanſchlag auf den König?





gramm aus Neapel: „Hier geht das Geruͤcht, daß ein
Komplott gegen das Leben des Koͤnigs Humbert
entdeckt wurde ; es war von italieniſchen Anarchiſten
geſchmiedet worden. Einzelheiten fehlen noch. — Die


wurden alle Carabinieri-Stationen der ganzen Cam-
pagna Romana von dem Ueberfall auf den Hezog
dou Meiningen in Kenntnis geſetzt, um fofort die
Verfolgung der Schuldigen aufzunehmen Allein tros
der bereits erfolgten Verhaftungen der angzeblichen
Banditen iſt man hier der Anficht, daß man ſchwerlich
die wirklichen Urheber der That entdecken werde.
Offenbar hat es ſich um Gelegenheitsbriganten ge-
haudelt, welche wahrſcheinlich mit einigen unweit


identiſch ſein dürften.
Rom, 8. Mai. Cardinal Galimberti iſt
geſtern Mittag 1 Uhr 20 Minuten im Alter von 60
Jahren geſtorben.

— Zranukreich. Paris, 7. Mai. Schon ſeit
langen Jaͤhren hat Frankreich keine ſo bewegte äußere


kommt diefes in den Koſten für die diplomatiſchen De-
peſchen zum Ausdruck. Der für dieſe eingeſtellte or-
dentliche Kredit von 400. 000 Fres. wurde um nicht
weniger als 180,000 Fres. überſchritten. Die diplo-
matifche Intervention Frankreichs im chineſiſchjaxani-


Depeſchenkoſten.
panien.
präſident Sagaſta erklärte, daß er in den Cortes die
Notwendigkeil politiſcher Reformen für Cuba nach-
weiſen und unlerſtützen werde. Er erklärte ferner,
daß der Krieg auf Cuba Spanien alljährlich 10000
Mann und 500 Millionen Peſetas koſte.

— Afrika. Die Cholera⸗Epidemie breitet ſich


‚— Das „Reuter’{he Bureau“ meldet aus Kairo
auf Grund amtlicher Depeſchen, daß die italieniſchen


die Garniſon entſetzt haben.



Parlameutariſche und Partei-
5 Nachrichten.

»Wir erhalten folgende Erklärung: In eigener

Sache. Eben kommt mir ein Flugblatt des bekannten


Schmähungen überhäuft, weil ich in einer Briefkaſten-
notiz der Deutſch⸗ſozialen Blätter“ es abgelehnt habe,
mich mit feiner Broſchüre zu beſchäftigen. Unter den


ſchuldigungen iſt auch nicht eine Einzige enthalten, die


ſelber.
ob ich, wie Herr von Langen, den Schutz des Over-
Staatsanwalts Dreſcher anzurufen oder den bequemen
Weg wählen und ihn für verrückt erklären würde. Er


hat nämlich jedes Einſchreiten gegen Paaſch ahgelehnt,


ſei. Die Entſcheidung darüber, ob dieſe Annahme zu-
treffend iſt, ſtelle ich jedem anheim, der ſein Pamphlet
gegen mich geleſen hat. Berlin, 5. Mai 1896. Lieber-

manı v. Sonnenberg M. d. R." *
Zür die Nachwahl im Wahlkreife Ruppin-
dewplin erläßt die Fraktion der Deutſch⸗ſozialen


„Der Wahlkreis Ruppin-Templin , bisher im


Die Deutſch⸗ſoziale Reformpartei, bemuht, der


gewinnen, iſt in den Wahlkampf eingetreten und hat


Hexrn Kaufmann Emil Schückerk in Neu-Ruppin


erringen, der für die Fortſchritte unſerer Bewegung


deutſchland von großer Bedeutung wäre.
Die Stimmung der Wählerſchaft iſt uns inſofern


nationalen Gefahren des Mancheſtertums und der


handen iſt. Aber ſchwer wied der Wettbewerb gegen-
über dem Freiſinn, welcher den Kreis mit allen
Mitteln zu behaupten ſucht, gegenüber der Sozial-
demokratie, welche eine ungemeine Rührigkeit ent-
faltet, und auch gegenüber den Mittelparteien, welche
einen Landrat () als Kandidaten aufgeſtellt haben.

An alle Freunde und Geſinnungsgenoſſen richten
wir die Bitte um thatkräftige Unterftützung, insbe-
ſondere durch ſchleunige Zuwendung von freiwilligen
Beiträgen für die Wahlunkoſten.


wart unferer Partei, Herrn Dr. Vielhaben, Hamburg,
Hohe Bleichen 31 und die Geſchäftsſtelle dieſes Blattes.

Berlin, 1. Mai 1896.





Die Geſchäftsordnungskommiſſion des Meidistags
hat das Mandat der Abg Köhler (Deutfh:Joziale
Keformpartei; erſter heſſiſcher Wahlkreis Gießen
dent eine Poflagentur übertragen wurde, für erloſchen
erklärt. — Bel der nunmehr undötigen Erſatzwahl
wird Herr Koͤhler wieder eine Kandidatur annehmen,

Halle a. S., 6. Mai. ſReichstagserſatzwahl)
Als Kandidat für den erledigten Reichslagswaͤhlkreis
iſt der Werkzeugmeiſter Kühne, der der deutfch-fozialen
Reformpartei angehört, aufgeſtellt worden. E3 ver»
lautet, daß dieſe Kandidatur von allen rechteflehend
Parteien werde unterftüßt werden, ſo daß ein Erfolg




Aus Stadt und Land.

„* Heidelberg, 8. Nai. Zum Brandunglüc
im Marſtall. Am Donnerſtag vormittag gelang es,
die 4 Opfer des Brandes im Marſtallgebäude zu
bergen. Es ſind dies die beiden Kinder des Herrn
Untverſitäts⸗Reitlehrers Gau, Lina und Dora, die
Nichte des Herrn Gau Amalie Davorth und das in
Hoffenheim gebürtige Dienſtmädchen Käthchen Kraft.
Heute nachmittag um 5 Uhr fand die Beerdigung
unter koloffaler Beteiligung des Publikums ſtatt. In
dem Leichenzuge bemerkten wir u a. auch die ſtädti-
ſchen Behörden mit dem Herrn Oberhürgermeiſter Dr.




der Kataſtrophe noch zu bemerken, daß der verungluͤckte
— — der Herr Schieferdeckermeiſter Muller


wunden zugezogen. Das von ſo ſchrecklichen Folgen
begleitete Brandunglück hat in der öffentlichen Mein.
ung eine herbe Kritik der Umſtände gezeitigt, welche zu
der Größe desſelben unzweifelhaft beigetragen haben.
Darüber ſind ſich alle einig, daß die jetzige Feuer-
löſch Organiſation nichts taugt. Die freiwillige Feuer-
wehrmannſchaft hat in jeder Beziehung ihre Pflicht


glücksſtätte geeilt und hat nach Kräften gewirkt, um
das feindliche Element zu bekämpfen, aber — ſie kam
trotzdem zu ſpät, um alle Einwohner des Hauſes
dem Tode zu entreißen. Allenthalben wird die Ueber-
zeugung ausgeſprochen, daß die Hilfe fruͤher hätte zur
Stelle ſein können, wenn der Feuerwächter auf dem
Turm der Heilig⸗Geiſt⸗Kirche noch exiſtieren würde.
Von dort aus kaͤnn man faſt die geſamte Stadt über-
blicken und ſieht jedes Fünkchen, das aus einem Hauſe
emporſprüht. Wenn dann fofort Sturm geläutet wird fo
hört man dies ſogleich in der ganzen Stadt und ein
Blick nach dem Turm, wo die rote Laterne hinaus-
gehängt wird, belehrt einen augenblicklich, in welcher
Richtung der Ort des Brandes zu ſuchen iſt. Der
jetzige Ipparat iſt viel zu kompliziert. Erſt dauert
es eine Weile, bis der Beſitzer des Hauſes, in
welchem ſich eine Feuermeldeſtalion befindet, aufgeweckt


dauert haben, weil der Betreffende, ein Gaſtwirt, an-
fangs vermutet haben ſoll, daß fidele Studenten nach
Einlaß in ſein Lokal begehrten, ſo daß er den Leuten
welche Lärm ſchlugen, nicht die Thüre öffnen wolte).
Wenn nun von dort das Feuer nach der Polizei-
wache und den Kommandanten der Feuerwehr tele-
graphiert worden iſt, ſo müſſen erſt wieder die
Horniſten und Trommler geweckt werden. Bis dahin
derrinnt abermals eine geraume Zeit. Ehe dieſe nun
in der Stadt herumkommen und (wenn dies überhaupt .
der Fall iſ) die Mannſchaft geweckt haben, ſo iſt
wieder ein koſtbarer Zeitraum verſtrichen. Nun
dauert es abermals eine Weile, bis die Feuermänner


Bis dahin kann das Feuer furchthare Verheerungen
angerichiet und manches Menſchenleben vernichtet
haben. Wir müſſen daher im Intereſſe der Sicher-
heit der Bürger verlangen, daß wieder die Feuers
wache auf dem Heilig⸗Geiſt⸗Kirchturm eingefuͤhrt


des Braͤndes mit einer Leiter und Schläuchen
nach der Unglücksſtätte eilen, um die erſte Hilfe zu


es nicht angezeigt wäre, Feuermelder auf der Straße

n, wie e8 in viel kleineren Stadten
der Fall iſt. Die jetzigen Zuſtände find einer Stadt
wie Heidelberg unwürdig. Unſer Herr Oberbuͤrger-
meiſter, der oft bewieſen hat, daß er die Intereffen


würde nach unſerer Ueberzeugung ſehr gerne auch in
dieſer Beziehung einem Beſchluſſe des Magiſtrats zur
Einführung der oben erwähnten Verheſſerungen bei-
ſtimmen. Bei der Wahl von Stadträten wird man


daß ſie fuͤr die Bedürfniſfe der Bürgerſchaft ein
offenes Auge haben, als daß ſie treue Anhänger der
nationalliberalen Partei ſind. Was uns aber hei dem


es geſiattet hat, daß in einem Hauſe, in dem ſich ein
Pferdeſtall und große Vorräte von Heu und anderen
leicht brennenden Stoffen befinden, von dieſen Räumen
nicht einmal durch Gewölbe, ſondern nur durch hölzerne


finden. Und dieſe Wohnräume hatten nur einen
einzigen Aufgang — aus den Stallungen! Ueber eine
ſchiiãle hölzerne Treppe, durch hölzerne Galerien und
einen, bei Feuerausbruch geradezu als Kamin dienenden,
langen Gang konnten die Inhaber der Wohnung erft
in dieſe und aus dieſer gelangen! Wie uns von zu
verläſſiger Seite mitgeteilt wird, hat die Feuerſcha


 
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