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Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden (7): Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden — 1896

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No. 71 - No. 80 (3. Juli - 24. Juli)
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Dex „Badirde YMolkabote“ er-
; ſcheint dreimal wöchentlich.
Verlag und Leitung:
Beidelberg Lahuhof ſtraſie 9.
Telegramm⸗Adreſſe:
YVolksbote Heidelberg.

Anzeigeupreis:
Die oͤgeſpaltene Petitzeile 10 Pfg.



preis vierteljahrlich


ſchaltex oder durch unfere Boten

in Heidelberg 1 M., von un%erer

Erpedition abgeholt 80 Pfg.

— Pop-Zeitungs-Preislifie
ä@tr._ 755,



M 79


. Lahrgang.





ZJolitiſcher Teil.
‚ XDer Bauer und die Müllerei.
Von befreundeter Seite erhält der „Badiſche
Volksbote“ folgende Mitteilung. Ein neuer Anti-
Algrarier-Verband iſt in Sicht! Zwei norddeutſche
Mühlen⸗Großinduſtrielle, der eine in Königsberg, der
andere in Stettin, erlaſſen an ſämtliche Großmühlen
einen Aufruf zur Gründung eines Großmüller-
Verbandes, und zwar ſoll eine konſtituierende Ver-
ſammlung zu dieſem Zweck im Anfang Oktober in
Berlin einberufen werden. Als Hauptgrund hierzu
wird die „wirtſchaftliche Gegnerſchaft“ der Kleinmühlen
angeführt und namentlich die Intereſſenverſchiedenheit
bei der Frage der Zollkredite. Weiter gebe zur
Gründung eines derartigen Verbandes der Umſtand
Veranlaſſung, weil in dem allgemeinen Müller⸗Verband
die Anſicht die Oberhand gewonnen hat, „ſeiner Pflicht
dadurch genügt zu haben, wenn man möglichſt den
Wünſchen der Agrarier entgegenkommt“. Wir unſerer-
ſeits wollen nur noch abwarten, welches die Herren
Gründer ſein werden; jedenfalls werden die Herren
vom Stamm Nimm ein beträchtliches Kontingent ſtellen,
einſtweilen ſind ein paar Leute mit deutſchen Namen
als Bahnbrecher vorgeſchickt worden.
In der That haben die Großmüller einigermaßen
recht, wenn ſie einen Gegenſatz hervorheben zwiſchen
ihnen und den Kleinmüllern. Die letzteren werden
allmählich durch den Großmühlenbetrieb ruiniert, und
damit geht wieder ein Teil des Mittelſtandes zum
Proletariat über. Es iſt daher Pflicht jedes vater-
landsliebenden Mannes, dem Kleinmüller gegen die
Uebermacht der Großmüllerei zu Hilfe zu kommen, und
dazu ſind ganz beſonders unſere Bauern imſtande,
deren eigenes Intexeſſe es ſogar erheiſcht, den
Kleinmüller vor dem Zugrundegehen zu bewahren.
Von dem Lokalverbande der Müller des Modan-
thales geht dem „Volk“ folgende Zuſchrift zur Ver-
öffentlichung zu: — —
Daß die Gründung mancher Groß- oder beſſer
geſagt Rieſenmühle ein verderbenbringender Auswuchs
der Gewerbefreiheit iſt, ſteht feſt, ebenſo ſicher iſt, daß
der kleine Müller wie der Landwirt ſehr darunter
leiden. Die in den letzten zwei Jahrzehnten empor-
wuchernden Großmühlen liegen faſt ſämtlich an Waſſer-
ſtraßen oder Haͤfen. Sie beziehen billiges Auslands-
etreide und überſchwemmen mit billigem Mehl das
Inland. Da das Mehl den gleichen Bahnfrachtſatz

Cine Unterredung mit dem Gouver-
neur von Oſtafrika v. Miſimann.

In Lauterberg i. H, wo ſich Herr von Wißmann
gegenwärtig bei ſeiner Schweſter zu Beſuche aufhält,
iſt der Gouverneur von Deutſch⸗Oſtafrika von einem
Berichterſtatter des „Loc.-Anz.“ „ausgeforſcht“ worden.
Er hat in ſeiner liebenswürdigen Art berxeitwilligſt
über verſchiedene ſchwebende Fragen Auskunft gegeben.
Wir heben aus dem Berichte folgendes hervor.
Ueber die Frage ſeiner Rückkehr nach Oſtafrika
ließ ſich Herr v. Wißmann folgendermaßen aus:
Es ift augenblicklich noch garnichts entſchieden.
Die Sache ruht vorläufig noch völlig. Der Leiter
und die übrigen Herren der Kolonial-Abteilung ſind
augenblicklich beurlaubt. Sie wiſſen ja ſelbſt, daß in
diefen Sommermonaten, wo alles aus Berlin fort iſt,
in die Bäder, an die See flüchtet, „über allen Wipfeln
Ruh'“ iſt. Für mich kommt es lediglich darauf an,
ob ſich meine Geſundheit, über die ich gegenwärtig
nicht klagen kann, in hinreichendem Maße kräftigt
Und das vermag ich jetzt noch nicht zu ſagen. Ob
ich Luſt habe, wieder hinzugehen, oder ob ich es vor-
ziehen werde, mich naͤch langen Jahren mühevoller
Arbeit meiner Familie zu widmen, auch darüber ver-
mag ich mir ſelbſt noch keine entſcheidende Antwort zu
geben.“ Auf die Frage, wie Frau v. Wißmann der
Aufenthalt in Oſtafrika bekommen ſei, lautet die
Aniwort: „Ausgezeichnet. Allerdings war meine Frau
ja etwa nur vier Monate dort, und an der Küſte
pflegen ſich Fieberanfälle in den erſten ſechs Monaten
des Aufenthaltes noch nicht einzuſtellen. Ich für meine
Perſon habe mich zwar immer im Innern wohler
gefuͤhlt als an der Küſte. Und die Bureau-Arbeit,
drei vier Stunden morgens und ebenſo viel nachmittags





kofiet wie Getreide, ſo haben die Hafenmuhlen, da ſie
nur 60 bis 70 pCt. fertige Produkte zu verfrachten


landmühlen, die, wenn ſie ebenfalls Auslandsgetreide
vermahlen, letzteres mit der Bahn beziehen und 30 bis
40 pCt. Fracht mehr zahlen müſſen. Heute dringen


und bieten da den Bäckern das Mehl der Großmehl-
fabriken zu verlockenden Bedingungen an und ver-
drängen ſo die Kleinmüller aus ihrem lang innegehabten
Abſatzgebiet. Die kleinen und mittleren Mühlen ſind
es aber, die gerade ausſchließlich die Erzeugniſſe ihrer
Umgebung verarbeiteten; ſie waren die unmittelbaren
Abnehmer der Landwirte. Werden dieſe Mühlen nun
durch den Rieſenbetrieb außer Konkurrenz geſetzt, ſo




für ihr Getreide. So erklären ſich der ungeheure
Preisdruck für inländiſches Getreide und die allgemein


Aber hier darf man wohl die Frage aufwerfen, ob
die Landwirte, große oder kleine, nicht oft einen großen
Teil der Schuld an dieſen Zuſtänden ſelbſt tragen.
Warum kann und will der Bauersmann heute das
Mehl von ſeiner eigenen Frucht nicht mehr genießen!
Warum muß er Kaiſer-Auszug oder Nr. 00 haben
— Sorten, welche ihm durch Händler der Großmühlen
angeboten werden und welche nur aus fremder Frucht


vorzugt mit der Begründung, das Mehl ſei heller und


geleiſtet; die eigene Frucht aber kann entweder nicht
oder nur ſehr billig an den Mann gebracht werden.


der Hauptnährſtoff fehle, wird nicht beachtet. Ein
reines kräftiges, wenn auch etwas dunkleres Brot
findet man nur ſelten mehr. —
Heute iſt ſelbſt die kleinſte Mühle ſo eingerichtet,
ein gutes Mehl liefern zu können. Vor 20 Jahren
noch war es anders, hatten doch damals die wenigſten
Mühlen Champagnerſteine. Trotzdem ließen damals
die Bauersleute ihr Mehl für Brot und Kuchen auf


Wenn nun heutẽ die Landwirte ihr nötiges Mehl vom
Händler beziehen, ſo haben die Großmühlen den Vorteil
und leichtes Spiel. Sie beziehen billiges fremdes


müßte der Handel mit der fremden Waare auf dem
Lande bald wieder verſchwinden und die Herren der

im engen Raum, das iſt auch nichts rechtes mehr für


*

ihm erſehnten Centralbahn inzwiſchen Fortſchritte ge-
macht habe, ließ ſich der Gouverneur, wie folgt, aus:

„Auch auf dieſem Gebiete herrſcht gegenwärtig
Ruhe. Ich bleibe indeſſen bei meiner Anſicht, daß
das einzige für Afrika überhaupt brauchbare Bahn-
ſyſtem das der Schwebebahnen iſt. Allerdings nicht
eine ſo ſchwerfälligẽ Schwebebahn, wie man ſie anfangs
plante, fondern ein leichtes, zierliches Ding. mit Wagen
aus Bambusgeflecht, ganz gleich, ob dieſe Bahn langſam
oder ſchnell, oft nur wenig fährt, — es handelt ſich
darum, einen Anfang zu machen. Es iſt vorläufig


ſondern ſie ſoll den Handel nach ſich ziehen. Eine
Schwebebahn, wie ich ſie mir denke, ſtellt ſich außer-


Die Anlage einer Erdbahn bedingt, daß auf die ganze
Strecke der Bahndamm, der Regenfälle halber, mit
Steinen geſchottert werde, und das koſtet ungeheuer
viel Arbeit und Geld, namentlich in Gegenden, wo es
an Steinen mangelt. Ich bin für das Syſtem der


treten, doch bleibe ich jetzt völlig aus dem Spiele, da
ich, oder vielmehr meine Frau (bekanntlich eine Tochter
des Geheimen Kommerzienrates Langen in Köln, des
Erfinders der Schwebebahn. Die Red.) ſeitdem von
jeder zu erbauenden Schwebebahn — es handelt ſich
da um ein Patent, das meinem Schwiegervater gehörte
— einen pekuniären Vorteil haben würde und ich mich
nicht dem Vorwurf ausſetzen will, meine Privatintereſſen
zu verfolgen.“

Dann kam die Landfrage zur Sprache und die
Angriffe, welche inbezug auf jene gegen Herrn v. Wiß-

Aktien⸗Müllerei wären von ſelbſt — ihrẽ
Induſtrie einzuſchränken. Dieſe Beſchränkung würde
wieder zur Folge haben, daß auch die Bäcker zur


kaufen, als fortwährend Kunſtmehle zu verarbeiten.
Daß ein erheblicher Verluſt am Nationalvermögen
eintritt durch die Entwertung der Mühlen, wird jeder-
mann anerkennen müſſen. Auch die kleinſte Mühle
repräſentiert immerhin eine bedeutende Kapitalanlage
und mit dem Ruin jedes Kleinmüllers wird ein au-
ſehnliches Stück nationales Vermögen vernichtet. Jede
außer Betrieb geſetzte Mühle, die bisher tauſende Mark
von Wert darſtellte, verwandelt ſich mit einem Schlage
in wertloſes, altes Eiſen. Die Zahl der Mühlen im
Deutſchen Reich iſt in einem raſchen Zuſammenſchrumpfen
begriffen und beſonders hat ſich die Zahl der Klein-
muͤller fortgeſetzt vermindert. So waren noch 1888
in der Berufsgenoſſenſchaft 38640 Betriebe verſichert,
während es 1894 37502 ſind, mithin eine Abnahme
von 1138 Betrieben innerhalb ſieben Jahren. Bei
dieſen ſind diejenigen Mühlen, welche keine fremden
Arbeiter beſchäftigen, nicht hinzugerechnet und daß gerade
von dieſen letzteren eine große Anzahl eingegangen iſt,


Eine Beſſerung dieſer Verhältniſſe einesteils könnte
nur geſchaffen werden durch die Einſchränkung der


frage, wie es bei anderen Berufsarten auch ſchon der
Fall iſt, und andernteils, wenn von ſeiten der Land-
wirte und des konſumierenden Publikums unſere ein-
heimiſchen Fabrikate jedem fremden vorgezogen würden.
Dieſe Mißſtände ſollten doch jedermann zu der Einſicht
bringen, das Verdienſt anzuerkennen, welches die kleineren
Mühlen durch gute Einrichtungen und beſſere Fabrikate
fortwährend bemüht ſind ſich zu erwerben.

Aeber die Notlage der Tandwirtſchaft ruft die
Pommerſche ökonomiſche Geſellſchaft in ihrem neueſten


„Möge an maßgebender Stelle nicht unberückſichtigt
bleiben, daß der Niedergang der landwirtſchaftlichen
Betriebe auch mit Naturnotwendigkeit einen Nieder-
gang der Wehrhaftigkeit der Bevölkerung bedeutet.
Mit der durch eine unlohnende Landwirtſchaft bedingten
Entvölkerung des platten Landes vollzieht ſich eine un-
abweisliche Verminderung der durch die Arbeit im
freien Felde geſtaͤhlten wetterharten Elemente in den
höheren und niederen Stellen der Armee, mit deren
Hilfe die ſiegreichen Kriege zu Deutſchlands Wieder-
erhebung geführt worden ſind.' — Als einziges Mittel

mann in einem Teil der Kolonialpreſſe erhoben worden
ſind und noch erhoben werden. ;
Man greift mich an“, ſo äußert ſich der Gou-
verneur, „weil ich das Prinzip verfolge, Land nur zu

Pacht und nicht als freies Eigentum abzugeben. Ich
thue das aus guten Gründen. Ich will der Grund-
ſtückſpekulation den Eingang verwehren. Die
Pachtbedingungen ſind die idealſten, denkbar gänſtigſten:
für die erſten fünf Jahre wird überhaupt kein Pacht-
zins verlangt. Nun beklagen ſich die Leute darüber,
daß ſie keine Hypotheken auf ihr Land aufnehmen
koͤnnen, aber das will ich ja gerade verhindern.
(Bravo! D. Red) Woher kommt denn die Ttot unſerer
Landwirtſchaft in Deutſchland? Doch auch davon, daß
jeder Gruͤndbeſitz mit Hypotheken, d. h. wit Schulden
überlaſtet iſt. Da kommen Leute nach Oſt⸗Afrika mit
ein paar Tauſend Rupien in der Hand und wollen
3, 10, 20, ja 50 Tauſend Hektar kaufen. Da liegt es
doch auf der Hand, daß ſie keine ehrlichen Abſichten
haben, ſondern lediglich Spekulationszwecke verfolgen.
Oder aber, ſie meinen es wirklich ehrlich, dann ſind
ſie außerſtande, ſich auf die Dauer zu halten. Sie
haben alle nicht genügend Geld — und die Folge davon
iſt, daß das Land dann brach liegt. Damit kann der
Regierung nicht genützt ſein.“ 2*

Ueber die Anſiedelung ließ ſich Herr v. Wißmann
noch folgendermaßen aus: „Wir können jetzt ſchon als
unerſchütterliches Prinzip für unſere Kolonien feſtſtellen,
daß für ſie europäiſcher Ackerbau jedenfalls noch für
lange Zeit hier undenkhar iſt, aus geſundheitlichen und
vielen praktiſchen Rückſichten, daß ſie vielmehr vors
läufig, ſo lange wir auch nicht Bodenſchätze in abbau-
lohnender Weiſe gefunden haben — was zurzeit an
vielen Stellen unterſucht wird — ſich lediglich als ein
für Plantagen-Unternehmungen günſtiges Gebiet



erwieſen haben.“
 
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