Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (3) — 1823

DOI chapter:
No 1-13 (Januar 1823)
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.22118#0015

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Nachrichten aus dem Gebiete der Künſte und Wiſſenſchaften.

22—— —2—f — — —.9————— 22222———..—

Chronit der Großh. Schaubuͤhne zu Mannheim.

Donnerſtag, den 26. und Freitag den 27. Dezember 18²2.
Zum erſten Male: Precioſa. Romantiſches
Schauſpiel in 4 Abtheilungen von Pius Auguſt
Wolf, Hofſchauſpieler zu Berlin. Muſik von
Karl Maria von Weber.
Den Stoff zu dieſem romantiſchen Schauſpiel gab Cerpantes,
der Dichter des Don Qu'xote, in der Zigeunerin (Ia Gitanella)
der erſten ſeiner zwölf lehrreichen Erzählungen, (Novelas
exemplares) in denen ſeltſame Abentheuer der Liebe mit Zart-
heit und Leidenſchaftlichkeit geſchildert werden. Ungefähr ge-
gen die Mitte des vierzehnten Jahrhunderts, beſonders aber
ſeit 1417, ſagt Grellmann in ſeinem hiſtoriſchen Verſuch über
die Zigeuner, wurde dieſes wandernde Volk zuerſt in der Mol-
dau, Wallachei und Ungarn bekannt, von wo es ſich weiter

über ganz Europa verbreitete, in Teutſchland aber ſich beſon-

ders in Böhmen und Mähren niederließ. Die Aehnlich-
keit dieſer Zigeuner mit hindoſtaniſchen Stämmen läßt ver-
muthen, daß ſie ein, durch Timurs Kriege in Indien, ver-
drängter Stamm der Pareias geweſen ſeyn mögen, durch das
Vordringen der Osmanen aber weiter zu ziehen genöthigt wur-
den. Seitdem haben ſie, unbekümmert um Geſetze und bür-

gerliche Verfaſungen ſich unter allen Völkern umhergetrie⸗ ö

ben, ſich von kleinen künſtlichen Betrügereien, durch Wahr-
ſagen, und leichtfertige Spiele bei allerhand Feſten, er-
nährt, ſind aber anjezt durch die Aufſicht der Polizei aus
Teutſchland, Frankreich und Italien faſt ganz vertrieben wor-
den. In zahlreicher Menge halten ſie ſich gegenwärtig noch in
einzelnen Theilen Englands, in Pohlen, Ungarn uud Ruß-
land auf. Zu Cervantés Zeiten lebten viele derſelben in Spa-
nien, wo die ſüdliche Milde des Himmels ihr aus dem Mor-
genlande mitgebrachtes nomadiſches Leben begünſtigte, und
dieſer große Dichter entwirft uns in der oben angeführten
Novelle, ein ſehr reitzendes und anziehendes Bild von ihrer
freien und zwangloſen Lebensweiſe. Unter ihnen befand ſich
nun, wie Cervantes erzählt, mit drei andern jungen Mädchen,
eine funfzehnjährige Schönheit, Precioſa genannt, die alle
von einer Alten geführt wurden. DTäglich beluſtigten ſie in
den Straßen von Madrid, durch Tänze und Gelange die

herzuſtrömenden Herrn und Frauen.
(Be (olus olat)“

Korreſpondenz⸗ NachrihVen.

Karlsruhe, im Dez. 1822.

Ble ſich hu nß.

Auch wurde den Erwartungen von dem treffenden Witze des Grafen ö

nicht immer zur Genüge entſprochen, bei welcher Gelegenheit ich
nur der Szene mit dem Baron Birk erwähnen will. Nachdem ſich
der Graf mehrmalen weitläufig darüber ausgelaſſen, wie er

IIII—— ————————

geſonnen ſey/ die abgetrozten 400 Dukaten dem Abentheurer,
auf eine denſelben dem Gelächter Preiß gebende Art, wieder

abzunehmen, was eine äußerſt impoſante Szene hoffen lüßt,
ſo ſucht er dies durch nichts anders zu bezwecken, als daß er

dem Unbewaffneten zwei geladene Piſtolen vorhält, was mich

unwillkührlich an die bekannte Fabel (Mons parturiens) erinnerte.
Mlle. Maas wurde bei ihrem erſten Auftreten mit vielem
Beifall⸗Klatſchen empfangen, die verehrte Künſtlerin gab die
Majorin vorzüglich, wie es ihre frühern Gaſtrollen im mun-

tern Rollenfache erwarten ließen; indeß muß ich geſtehen, daß

dieſelbe nach meinem Dafürhalten, eine noch weit größere
Wirkung hervorbringen würde, wenn ſie im Luſtſpiele ihre
Bewegungen nicht allzu ängſlich, nach den Prinzipien der
Kunſt, berechnete, denn gewiß wird in naiven und muntern
Rollen nur diejenige Künſtlerin anſprechen, welche das Stu-
dium der Kunſt und der Natürlichkeit auf eine liebliche Weiſe
zu vereinigen weiß. Mit dem freundlichſten Humor von der
Welt ward die Gräfin Holm von Mad. Neumann gegeben;
wahr und lebendig zeichnete dieſelbe dieſen leichtſinnigen Cha-
rakter, und nur das Kolorit möchte in einigen Situationen et;
was zu ſtark aufgetragen worden ſeyn. Bei ihrem Erſcheinen
wurde die verehrte Künſtlerin gleichfalls mit anhaltenden Bei-
falls⸗Bezeigungen empfangen, in welchen ſich das Publikum
hinlänglich ausſprach, wie ſehr es jene niedrige Kritik, wo-
durch der perſönliche Charakter der geſchäzten Mad. Neumann
auf die infamſte Weiſe verläumdet wurde, mißbillige. Jenen
gallſüchtige animoſe Rezenſent, der wie es ſcheint nur unter
dem Schutze der tiefſten Verborgenheit den unbeſcholtenen Na-
men achtungswerther Perſonen zu verläſtern ſucht da er ſeine
lügenhaften Berichte einem hier beinahe gänzlich unbekannten
Blatte überliefert, mag hieraus entnehmen, daß ſeine hämi-
ſchen Verläumdungen nur dazu beitrugen den Triumph der
verdienſtvollen Mad. Neumann noch mehr zu verherrlichen. —
Herr Labes als Graf Holm war ächt komiſch. — Herr Eduard
Meier ſpielte den Major Selting ſo, daß ihm der gewöhnli-
che Vorwurf eines gezwungenenen ſteifen Spieles heute nicht
im geringſten gemacht werden konnte. Wenn er in dieſem
Eifer beharrt, ſo wird ihm gewiß der Beifall, den er bei ſei-
ner klangloſen Stimme in Singpartien vergeblich erwartet/
in Schau⸗ und Luſtſpielen zu Theil werden. Mad. Sehring
übernahm die unbedeutende Rolle der Comteſſe Wildheim.
Sie iſt, ich kann es wohl behaupten, in der Oper der Lieb-
ling des Publikums, und auch in naiven Rollen wird ihrem
zarten Spiele der verdiente Beifall reichlich gezollt. Könnte
ſich dieſelbe doch jenen Fehler, den ſie in allen muntern Nol-
len, im Luſiſpiele wie in der Oper, ſich regelmäßig zu ſchulden

kommen läßt, abgewöhnen/ daß ſie im Abgehn nicht immer

im traverſirenden Gallopp von der Bühne verſchwinde.
H — .
In i Nr. 1 Sp. 13. 7 v. u. lies: in Ernſt/ ſtatt: im Ernt.
Hierzu die Beilage Nro. 1.

— — ——— —

Verleser: Karl Groos, Neue akademiſche Buchhandlung in Heidelberg. — Druckerel von F. Kaufmann ſeel. Witwe.
 
Annotationen