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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 3.1892

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Schliepmann, Hans: Ueber Zimmer-Decken [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6760#0014

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5eite 6.

Illustr. kunstgewcrbl. Zeitschrift für „Znnen-Dekoration". Zanuar-cheft.

verlangt, wirken kann, Kat nicht nur das Rokoko gelehrt. Schon in Pompeji haben
wir die Musterbeispiele; und seit Henri II. entfaltet er sich in neuer Macht. Ls
ist also gar kein Grund außer Phantasiebankerott, um den Stuck durchaus nur
Rokoko-artig auszubilden. Dann aber wird man, sobald man es nicht mit
Riesenräumen zu thun hat, gut thun, den Stuck aus das Rahmenwerk der Decke
zu beschränken. Denn die Füllung soll leicht, schwebend erscheinen, und nur in
ganz großen Räumen würde die Körperlichkeit
eines Reliefs dieser Wirkung n i ch t widerstreben.

Das tritt bei unseren Stuckrosetten, die aus
Modeschlendrian und Gedankenlosigkeit jedem
„besseren" Zimmer eingeflickt werden, dem feineren
Gefühl deutlich entgegen. Beim Rahmen haben
wir noch das Gefühl, daß Relief berechtigt sein
kann und daß dies mit der Wand noch irgend-
wie zusammenhängt, von ihr getragen wird.

Die Decke, meist wie ein einfaches Segel über
jenen Rahmen gespannt, ist aber plötzlich mit
einem großen Stuckklumxen belastet, den man
seit einigen Jahren noch wieder in besonderer
Brutalität dunkel ansirich, damit das Damokles-
schwert mit seinen zweiselswürdigen Ornamenten
nur recht „patzig" herniederdroht.

Neuerdings hat man nun freilich die glatte
Decke als nicht „herrschaftlich" genug ausgegeben
und sucht alle möglichen und unmöglichen Theil-
ungen mit farbigen Füllungen vollzustöpfen,
deren Ornament vollständig auf der Höhe von
Indianertättowirungen steht. Dies lakaienseelige
„Herrschaftliche" ist der ärgste Fluch unseres
ganzen Handwerks. Lin biederer Malergeselle
macht sich natürlich keine Vorstellung davon, daß
ein Gegenstand, den man tagtäglich sieht, von
rechtswegen sehen muß, zur Folter für jedes
nicht walfischblöde Auge wird, wenn es ein
Sudelwerk ist. In einer Ausstellung, aus der
Straße nimmt man's noch hin und geht schnell
vorüber — ich könnte mir freilich denken, daß
ich auszöge, wenn mir gegenüber so ein Stuck-
kladderadatschkasten aus der Lrde wüchse — aber
im Zimmer —: zeige mir Deine Bilder und ich
will Dir sagen, was Du bist! Der Malergesell
überläßt das Immerwiederbesehen dem „herrschaft-
lichen" Miether und pilgert zu neuen Kämpfen
mit Drachen und Schlinggewächsen, mit Wappen
und Kringeln oder gar anatomischen Mirakel-
kindern in Berlinerblau-Himmeln. Man fragt
sich jetzt wirklich, was die Fortbildungsschulen
diesen malerischen Nervositätsfabrikanten genutzt
haben. Ls war ja unendlich viel besser, als
der biedere Geselle nicht freihändig Ornamente
zeichnen konnte. Da gab es noch die Schablone —-
und damals war auch die Schablone noch nicht
von der Epilepsie ergriffen. Man wußte, daß
wegen der nothwendigen Wiederkehr der Muster
deren Rhytmus ein ruhiger sein mußte, und da
die Schablone von einem „Sxecialisten" gezeichnet
wird, so ist hier die Gewähr zehn gegen eins,
daß etwas Erträgliches, Vernünftiges zu Tage
kommen wird. Zudem wirkt eben des besänftigen-
den Rhythmus wegen die Schablone schon viel
weniger aufdringlich, meist nur wie zitternder
Wellenschlag zweier harmonischer Farben. In
Räumen aber, in denen wir uns täglich auf-
halten, namentlich wohn- und Arbeitsräume,
soll unsere Aufmerksamkeit gar nicht abgezogen,
unruhig, gemacht werden; wie eine sanfte
Melodie soll aller Schmuck an Decke und Wand
nur ruhige Heiterkeit, nicht ausdringlich, sondern
ganz unmerklich in uns erzeugen. Mit allem
Nachdruck muß daher der Schablonenmalerei,
und zwar in streng rhythmischen, stilisirten
Mustern, seien sie nun aus dem Grient, oder
der Antike oder dem Mittelalter entwickelt, das
Wort geredet werden. Gilt es nicht prunkzimmer
mit Deckengemälden zu schaffen, so sollte
man die glatte einfachere Decke nach Möglich-
keit nur mit Flachornament auszustatten suchen.

Ja ich zögere nicht, noch weiter zu gehen und für einfachere Räume auch dem
voutenstuck ein xerest zu bringen. Man gebe sich nur einmal Mühe, den rahmen-
artigen Uebergang zur Decke — im Mauerwerk lediglich durch eine möglichst große
viertelkreiskehle vorgebildet — durch richtig stilisirte Malerei zu bilden. Die Farbe,
deren Wirkungen doch so unendlich viel reicher sein können als das bischen Licht
und Schatten in einem Stuckrelief, kann da Wunderdinge thun — es muß freilich
überlegt sein und darf in der Linie und im Rhythinus keinen Tadel verdienen. Wir

sind hier zu einem neuen ästhetischen Moment gelangt, zur Verknüpfung der Decke
mit der Wand. Eben wurde angenommen, daß diese Verknüpfung, die „voute"
(warum nicht einfach „Kehle" ?) selbst zugleich Rahmen für die Decke sei. Das
ist aber nur das Schlichteste, ja Dürftigste. Sobald man die Funktionen von
Decke und Wand reicher entwickeln will, müssen die Zwischenglieder noch gesondert
werden. Die Decke erhält ihren Rahmen in ihrer Horizontalfläche. Nun kann

entweder der Rahmen nach der wand hin aus-
strahlen, was der Decke den Karakter des
Freischwebens über dem Raume giebt, oder der
Rahmen wird von der wand getragen. Diese
verschiedenen Funktionen sind durchaus in der
Richtung des Ornamentes zu betonen, während
der Rahmen auf seiner Fläche ein Bandmuster
zeigen soll, d. h. ein Muster, das sich in der
Längenrichtung entwickelt und nach beiden Seiten
von deren Mittelachse Symmetrie zeigt, muß das
Ornament der Kehle sich senkrecht zu dem Rahmen
entwickeln, im ersteren Falle nach unten, im
letzteren nach oben. Gleichzeitig muß die Allge-
meinfärbung schon daraus hindeuten, daß die
Kehle im ersteren Falle zur Decke, im zweiten
zur wand gehört. Im letzteren Falle wird
man dann auch hauptsächlich zu konstruktiven
Formen: Zahnschnitten, Konsolsriesen oder kleinen
Stichkappen — warum nicht auch maurischen
Stalaktiten? — greifen können. Dabei ist dann
aber auch nöthig, daß die wand nicht lediglich
als Teppich erscheint; ihre solide Masse muß
durch abgesetzte Flächen und womöglich einen
Fries unter der Kehle schon deutlich gegliedert
erscheinen. Selbstverständlich ist diese ganze Aus-
bildung viel schwerer und anspruchsvoller wirkend
als die erstere und daher nur für größere und
besonders höhere Zimmer verwendbar. Sie wirkt
aber um so monumentaler, je größer die Kehle
angenommen wird, und es ist merkwürdig, wie
wenig gerade dieser Kunstgriff ausgenutzt wird.
Statt die Decke mit allem möglichem Ornament
zu bepacken und sie dadurch lastend statt schwebend
erscheinen zu lassen, sollte man der Kehle die
größte Liebe in der Ausbildung zuwenden.

Line gewisse Abwandlung muß der Rahmen
noch erfahren, falls die Decke, wogegen schließlich
nichts einzuwenden ist, als Wolkenhimmel be-
handelt werden soll. Die Decke wird dann ästhetisch
geleugnet und der Rahmen umschließt dem
Sinne nach nur eine Geffnung. Dazu be-
darf es dann keiner schweren Einrahmung;
es gilt nur einen Abschluß der Wandkehle her-
zustellen. Zu harmonischerem Uebergange muß
dafür noch für ein besonderes Ausklingen gesorgt
werden durch ein Ornament, welches im Innern
des Rahmens sich senkrecht zu seinen Seiten nach
innen frei endigend entwickelt. Selbstverständlich
kann dieses Ausstrahlen des Rahmens nach innen
auch dann auftreten, wenn die Decke als Fläche
auftretcn soll.

Alles Gesagte läßt sich nun mit Leichtigkeit
auch für die kassettirte Decke anwenden, die ja
nichts ist als eine schwebende Fläche, die wieder
aus einem Gerüst mit Füllungen besteht; sie
befolgt also nur das Prinzip der Verdoppelung
der Kunstsormen und bedarf nach dem Gesagten
einer weiteren Erörterung nicht mehr.

Alle diese Darlegungen sehen ja ganz selbst-
verständlich aus; sie sind es ja eigentlich auch,
denn die Kunst will ja nicht erstaunen machen
wie ein Akrobat, der sich auf den Kopf stellt
und mit den Füßen ißt, sondern das Naturge-
mäßeste uns offenbar machen; aber allerdings
ist die Akrobatenkunst die verbreitetere; das ver-
walte mit seinen Mühen wird noch immer von
der Menge bestaunt, und deßhalb sind vielleicht
auch solche Erörterungen des Selbstverständlichen
— leider — noch recht angebracht, um der be-
scheidenen Natürlichkeit Muth zu machen die
Fratzenhaftigkeit in ihrer Hohlheit zu zeigen, und
weniger der Mode, als vielmehr sachlich richtigen Anschauungen Rechnung zu tragen.

LeÄertcppirhe machten sich in der deutschen Ausstellung in London als eine
praktische, große Dauerhaftigkeit garantirende Neuheit bemerkbar. Die Herstel-
lungsweise derselben ist folgende: Einzelne Stücke dicken Leders werden in paralleler
Richtung mit eisernen Drähten zusammcngeheftet, wodurch eine feste und doch
biegsame Oberfläche erzielt wird.
 
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