Seite 48.
Illustr. kunstgewerbt. Zeitschrift für Innen-Dekoration.
^Närz-Yeft.
^ie Beziehungen dev Mnliquitäten-
liebhaderei zmn modernen Runstgewerbh.
(Fortsetzung aus dein Februar-Heft.)
ir sehen bei den Römern, daß sich diese Verhältnisse merklich geändert
haben; der Kunstsinn des Römers, wissen wir, unterscheidet sich we-
sentlich und nicht zu seinem vortheile von dem des Hellenen. Ist
doch das Wesentliche der römischen Kunst etwas Herübergenommenes,
Angeeignetes; hat sie doch ein eigenes Gepräge dadurch, daß sie weniger aus
eigensten Bedürfnissen entstanden ist, weniger ans der Verehrung der Schönheit an
sich, sondern mit einer mächtigen Juthat von praktischen Zwecken. Es ist die Kunst
bei den Römern, wie wir wissen, der Ausdruck der Nacht der Ration und dos
Staates, der Aus-
druck der Prunk-
liebe und des
durch glückliche
Kriege erlangten
Reichthums. Es
ist praktisch damit
verbunden der
Gedanke und die
Absicht, durch die
Kunst die zu eh-
renden und auszu-
zeichnenden Per-
sönlichkeiten dem
Volke als Nüster
vorzuführen und
Ruhm und Glanz
äußerlich zu ver-
künden. — Wenn
also ein idealer
innerer Trieb der
römischen Kunst
von Haus aus
fehlt, welcher sie
mit der helleni-
schen Kunst in
Vergleich stellen
ließe, so ist es
begreiflich, daß
Alles, was Ma-
rotte, Sonderlich-
keit rc. ist, leicht
Wurzel fassen
konnte, und so
finden wir in der
Kaiserzeit schon
eine beträchtliche
Antiquitäten-
Liebhaberei, die
sich im großen,
edlen und oft im
kleinen, lächer-
lichen Sinne aus-
sprach.—Vorliebe
für Kunsterschei-
nungen der älte-
ren Epoche auch
in der großen
Kunst, z. B. in der
Plastik, tritt uns,
wie wir wissen,
namentlich in den
Tagen Kaiser Ha-
drian's mächtig
entgegen, wo geradezu archaisirende Erscheinungen und eine oft spielende Liebhaberei
für die primitiven Formen längstvergaugener Jahrhunderte an die Gberfläche trete,i.
Diese Richtung, die namentlich in der Plastik sich bethätigt, hat immerhin noch
einen großen Zug. Aber es fehlt in derselben römischen Kaiserzeit schon nicht an
einer ziemlich kindischen Liebhaberei für Kleinkram, der keinen anderen wahren
Werth hatte, als den des modehast geschätzten Alterthumswerthes. Wenn wir in
dem berühmten Romane des Petronius davon hören, daß die römischen Parvenüs
und Andere wirkliche und falsche Alterthümer zu horrenden Preisen kauften, wie
sie sich Namen von Meistern ausschwatzen ließen, und wie ein und dasselbe Werk,
das doch nur als Unikum existiren konnte, in dem und jenem Besitze gleichzeitig
war, wie sie sich des Schatzes rühmten und gegenseitig darob stritten bis zu solchen
Wunderlichkeiten, denen wir auch ein Analogon an die Seite zu stellen haben, von
großen Kennern, welche die berühmten Bronzen der griechischen Zeit aus dem
Klange und dem Gerüche und durch das Reiben mit den Fingern erkennen wollten,
Alles das Erscheinungen, die uns ganz verwandt berühren.
Indem ich chronologisch sortschreite, kann ich selbstverständlich vom Mittelalter
in dieser Beziehung hier nicht sprechen; hier tritt uns eine Lücke entgegen. Das
Mittelalter sammelte nicht oder nur in ganz unbedeutendem Maße. So viel sich
auch unbewußt und sogar gegen den Millen der Zeit aus der heidnischen Tradition
in äußerer Form des Lebens, in Kostüme, Sitte und Aberglauben aus dem ver-
wünschten und gefürchteten Heideuthume erhalten hatte, so ist auf dem Kuustgebiete
doch da eine tiefe Kluft. Dem Mittelalter fehlt in diesem Sinne schon allzusehr
der historische Sinn, um derartige Dinge zu schätzen, und der historische Sinn konnte
nicht da sein, wo nicht eine Pflege der Geschichtsschreibung im höheren Sinne vor-
handen war, um nicht von Geschichtwissenschaft überhaupt zu sprechen.
Das Mittelalter sammelte also nur eine Sache, die uns hier wenig berührt,
das sind die Reliquien der Heiligen, wobei ein rein religiöser Grund maßgebend
ist. Erst mit dem Erwachen jener schönen Epoche, die in. Allgemeinen als das
Zeitalter des Humanismus, als die Renaissance in der Kunst bezeichnet wird, nimmt
die Sache wieder
einen anderen
Gang, d.h.wieder
den alten Gang;
denn es treten uns
wieder Erschei-
nungen entgegen,
die wir schon be-
merkt haben, doch
wieder mit einer
Wendung nach
neuen Gesichts,
punkten hin. Das
Sammelnbeginnt
natürlich in je-
nem Lande, in
welchem der neue
Geist erwacht ist,
in Italien, und
das erste Gepräge,
mit dem die Thä-
tigkeit hier auf-
tritt, ist schon nach
der künstlerischen
Seite hin ent-
wickelt. Die Erde
Italiens und be-
nachbarterLänder
öffnet ihren Schoß
und läßt jene
Götterbilder der
Antike wieder em-
xorsteigen, die sc»
lange unter dem
kirchlichen Fluche
hier vergessen und
verachtet ge-
schlummert ha-
ben,und einneues
Geschlecht zeigt
Schönheitssinn
für die uralten
Zeugen der Ver-
gangenheit. Das
Wiedererwachen
der Pflege der
klassischen Spra-
chen, das Forschen
nach den verges-
senen Wuellen der
Litteratur von
Rom und Hellas
tritt in den Vor-
dergrund und gibt
dem Menschengeschlecht ein neues Bildungsgepräge. — Da hat die Sammelthätigkeit
sofort zu thun. Durch alle Klöster des Nordens und Südens reisten gelehrte Männer
und sammelten Handschriften der antiken Autoren, welche während des Mittelalters
Mönche ohne verständniß kopirt hatten, um nicht dem Müßiggänge zu verfallen,
wie man Handschriften sammelte, sammelte man auch plastische und sonstige künst-
lerische Zeugen der Vergangenheit. Eine Anzahl von Gelehrten schon des ^.Jahr-
hunderts reisen in Italien und in Griechenland lange Zeit herum, stellen Aus-
grabungen an und bringen derlei Schätze in die Heimath, um sie in ihrer Vaterstadt
aufzustelleu. Es sind das jene Sammlungen privater, die damals in Italien unter
den Namen Studii bekannt waren; es war keine öffentliche, sondern durchaus eine
private Sammelthätigkeit. Die kleinen Museen werden nun die Brennpunkte für
die Kunstthätigkeit, sie sind die Ausgangsstätten eines neuen Stils, einer neuen
Richtung, hier sammeln sich die Vertreter jener Kuustweise, welche wir die Früh-
renaissance nennen, und es sind große, leuchtende Namen wie: Andrea Mantegna
und Andere, die hier genannt werden müssen. (Fortsetzung folgt.)
Abbildung Nr. z;2. Bücher-Srlxrnnlr in französischer Renaissance.
Illustr. kunstgewerbt. Zeitschrift für Innen-Dekoration.
^Närz-Yeft.
^ie Beziehungen dev Mnliquitäten-
liebhaderei zmn modernen Runstgewerbh.
(Fortsetzung aus dein Februar-Heft.)
ir sehen bei den Römern, daß sich diese Verhältnisse merklich geändert
haben; der Kunstsinn des Römers, wissen wir, unterscheidet sich we-
sentlich und nicht zu seinem vortheile von dem des Hellenen. Ist
doch das Wesentliche der römischen Kunst etwas Herübergenommenes,
Angeeignetes; hat sie doch ein eigenes Gepräge dadurch, daß sie weniger aus
eigensten Bedürfnissen entstanden ist, weniger ans der Verehrung der Schönheit an
sich, sondern mit einer mächtigen Juthat von praktischen Zwecken. Es ist die Kunst
bei den Römern, wie wir wissen, der Ausdruck der Nacht der Ration und dos
Staates, der Aus-
druck der Prunk-
liebe und des
durch glückliche
Kriege erlangten
Reichthums. Es
ist praktisch damit
verbunden der
Gedanke und die
Absicht, durch die
Kunst die zu eh-
renden und auszu-
zeichnenden Per-
sönlichkeiten dem
Volke als Nüster
vorzuführen und
Ruhm und Glanz
äußerlich zu ver-
künden. — Wenn
also ein idealer
innerer Trieb der
römischen Kunst
von Haus aus
fehlt, welcher sie
mit der helleni-
schen Kunst in
Vergleich stellen
ließe, so ist es
begreiflich, daß
Alles, was Ma-
rotte, Sonderlich-
keit rc. ist, leicht
Wurzel fassen
konnte, und so
finden wir in der
Kaiserzeit schon
eine beträchtliche
Antiquitäten-
Liebhaberei, die
sich im großen,
edlen und oft im
kleinen, lächer-
lichen Sinne aus-
sprach.—Vorliebe
für Kunsterschei-
nungen der älte-
ren Epoche auch
in der großen
Kunst, z. B. in der
Plastik, tritt uns,
wie wir wissen,
namentlich in den
Tagen Kaiser Ha-
drian's mächtig
entgegen, wo geradezu archaisirende Erscheinungen und eine oft spielende Liebhaberei
für die primitiven Formen längstvergaugener Jahrhunderte an die Gberfläche trete,i.
Diese Richtung, die namentlich in der Plastik sich bethätigt, hat immerhin noch
einen großen Zug. Aber es fehlt in derselben römischen Kaiserzeit schon nicht an
einer ziemlich kindischen Liebhaberei für Kleinkram, der keinen anderen wahren
Werth hatte, als den des modehast geschätzten Alterthumswerthes. Wenn wir in
dem berühmten Romane des Petronius davon hören, daß die römischen Parvenüs
und Andere wirkliche und falsche Alterthümer zu horrenden Preisen kauften, wie
sie sich Namen von Meistern ausschwatzen ließen, und wie ein und dasselbe Werk,
das doch nur als Unikum existiren konnte, in dem und jenem Besitze gleichzeitig
war, wie sie sich des Schatzes rühmten und gegenseitig darob stritten bis zu solchen
Wunderlichkeiten, denen wir auch ein Analogon an die Seite zu stellen haben, von
großen Kennern, welche die berühmten Bronzen der griechischen Zeit aus dem
Klange und dem Gerüche und durch das Reiben mit den Fingern erkennen wollten,
Alles das Erscheinungen, die uns ganz verwandt berühren.
Indem ich chronologisch sortschreite, kann ich selbstverständlich vom Mittelalter
in dieser Beziehung hier nicht sprechen; hier tritt uns eine Lücke entgegen. Das
Mittelalter sammelte nicht oder nur in ganz unbedeutendem Maße. So viel sich
auch unbewußt und sogar gegen den Millen der Zeit aus der heidnischen Tradition
in äußerer Form des Lebens, in Kostüme, Sitte und Aberglauben aus dem ver-
wünschten und gefürchteten Heideuthume erhalten hatte, so ist auf dem Kuustgebiete
doch da eine tiefe Kluft. Dem Mittelalter fehlt in diesem Sinne schon allzusehr
der historische Sinn, um derartige Dinge zu schätzen, und der historische Sinn konnte
nicht da sein, wo nicht eine Pflege der Geschichtsschreibung im höheren Sinne vor-
handen war, um nicht von Geschichtwissenschaft überhaupt zu sprechen.
Das Mittelalter sammelte also nur eine Sache, die uns hier wenig berührt,
das sind die Reliquien der Heiligen, wobei ein rein religiöser Grund maßgebend
ist. Erst mit dem Erwachen jener schönen Epoche, die in. Allgemeinen als das
Zeitalter des Humanismus, als die Renaissance in der Kunst bezeichnet wird, nimmt
die Sache wieder
einen anderen
Gang, d.h.wieder
den alten Gang;
denn es treten uns
wieder Erschei-
nungen entgegen,
die wir schon be-
merkt haben, doch
wieder mit einer
Wendung nach
neuen Gesichts,
punkten hin. Das
Sammelnbeginnt
natürlich in je-
nem Lande, in
welchem der neue
Geist erwacht ist,
in Italien, und
das erste Gepräge,
mit dem die Thä-
tigkeit hier auf-
tritt, ist schon nach
der künstlerischen
Seite hin ent-
wickelt. Die Erde
Italiens und be-
nachbarterLänder
öffnet ihren Schoß
und läßt jene
Götterbilder der
Antike wieder em-
xorsteigen, die sc»
lange unter dem
kirchlichen Fluche
hier vergessen und
verachtet ge-
schlummert ha-
ben,und einneues
Geschlecht zeigt
Schönheitssinn
für die uralten
Zeugen der Ver-
gangenheit. Das
Wiedererwachen
der Pflege der
klassischen Spra-
chen, das Forschen
nach den verges-
senen Wuellen der
Litteratur von
Rom und Hellas
tritt in den Vor-
dergrund und gibt
dem Menschengeschlecht ein neues Bildungsgepräge. — Da hat die Sammelthätigkeit
sofort zu thun. Durch alle Klöster des Nordens und Südens reisten gelehrte Männer
und sammelten Handschriften der antiken Autoren, welche während des Mittelalters
Mönche ohne verständniß kopirt hatten, um nicht dem Müßiggänge zu verfallen,
wie man Handschriften sammelte, sammelte man auch plastische und sonstige künst-
lerische Zeugen der Vergangenheit. Eine Anzahl von Gelehrten schon des ^.Jahr-
hunderts reisen in Italien und in Griechenland lange Zeit herum, stellen Aus-
grabungen an und bringen derlei Schätze in die Heimath, um sie in ihrer Vaterstadt
aufzustelleu. Es sind das jene Sammlungen privater, die damals in Italien unter
den Namen Studii bekannt waren; es war keine öffentliche, sondern durchaus eine
private Sammelthätigkeit. Die kleinen Museen werden nun die Brennpunkte für
die Kunstthätigkeit, sie sind die Ausgangsstätten eines neuen Stils, einer neuen
Richtung, hier sammeln sich die Vertreter jener Kuustweise, welche wir die Früh-
renaissance nennen, und es sind große, leuchtende Namen wie: Andrea Mantegna
und Andere, die hier genannt werden müssen. (Fortsetzung folgt.)
Abbildung Nr. z;2. Bücher-Srlxrnnlr in französischer Renaissance.