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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 3.1892

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Weber, Georg: Ueber die Dekoration der Wohnräume, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6760#0175

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5cite H36.

Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Znncn-Dekoration.

August-^eft.

Weber die Hekvration der Mvlrnräunle.

von Georg Weber.

der Dekorationsmalerei spielt das Wort „Mode" ebenfalls wie auf
dem Gebiete der Bekleidnngskunst seine Rolle, und wenn auch nicht
iE bei der letzteren die Malereien und Ausschmückungen der Wohn-
räume von Saison zu Saison wie die Uleider und der Putz der Damen
wechseln, so tritt im Laufe der Zeit doch,
nachdem mau glaubt, sich an dem Gegen-
wärtigen satt und müde gesehen zu haben,
eine Sehnsucht nach neuen Formen und
Gebilden der unser Heim schmückenden
dekorativen Aunst ein. In Verbindung
hiermit steht sodann auch die farbige
Behandlung der Wohnräume. — Alle
diejenigen Dekorationsmaler, welche auf
eine längere Praxis zurückblicken können,
wissen auch, wie sich beide, Zeichnung
und Farbe, im Laufe der Zeit vielfach
geändert haben. Man glaubte stets etwas
Geschmackvolleres an die Stelle des vor-
handenen setzen zu müssen, indem man
sich an den Farben, bezw. der Farben-
stellung müde gesehen hatte. So haben
wir denn auch im letzten Säkulum die
verschiedensten Wandlungen in dieser
Beziehung durchlebt. Alle Stilarten haben
in der Zimmermalerei ihre Verwendung
gefunden, theils in kürzeren, theils in
längeren Perioden; meistentheils wurde
indessen ganz stillos gemalt und dekorirt.
von einer eigentlich farbigen Aus-
schmückung der wohnräume war kaum
zu sprechen. Ls hat recht lange gedauert,
ehe man sich zur Farbe mehr hingezogen
fühlte und erst der wieder eingeführte
Renaissancestil mit seinen vorherrschend
satten Holztönen hat eine Aenderung der
ersteren herbeigeführt. Die Renaissance
hat sich nun eine ziemlich lange Zeit
behauptet und es scheint, als ob der
Deutsche in diesem Stile so recht seine
Befriedigung sowohl in Form als in
Farbe gefunden hätte, und wenn man
die für unsere Zeit nicht passenden, bei
den Alten sich vorfindenden zu plumpen
und schweren Formen vermeidet, dieselben
nicht zu sklavisch nachbildet, so dürfte man
in den Renaissanceformen auch wohl für
längere Zeit die Hauxtverzierungsweise
unseres Heims gefunden haben. Dabei
ist jedoch nicht ausgeschlossen, daß man
auch anderen Ausschmückungsformen nach
Liebhaberei und Geschmack eine Stätte
im Hause anweist. Zeder Mensch schafft
sich gern den Raum, in dem er am
meisten weilen muß, seiner Zndividualiät
entsprechend. Der ruhige Denker wird
sich in keinem Zimmer heimisch fühlen,
welches in raffinirtester Weise mit allen
den Sachen und Sächelchen der Bijouterie-
waarenbranche auf Tischen und an Wän-
den ausgestattet ist; werseine Gedanken
zu sammeln hat, um sie in einem Guß,
zu einem lang ausgesponnenen Werke
zu vereinigen, kann sich durch den steten
oder auch unverhofften Anblick von Ge-
genständen fremder Richtung nicht an-
gezogen fühlen, er wird vielmehr in
seinem Zdeengange unterbrochen und von
seinen Zielen abgelenkt werden. Mir
sehen deshalb auch bei den meisten Män-
nern sowohl des Alterthums als der
Gegenwart, die sich durch hervorragende
Geistesarbeiten auszeichneten, daß sie an
die Ausschmückung ihres Arbeitszimmers nur geringe Anforderungen stellten. Line
Aufgabe der Frau ist es dagegen, den Raum ihres Mannes, wo er seinen Lebens-
beruf erfüllt, so zu gestalten, daß er mit Liebe sich demselben widmet. Fast jeder
Mensch hat seine besonderen kleinen Liebhabereien, seine Vorliebe für Sachen des
Andenkens an verlebte gute oder schlimme Zeiten, der Freundschaft und der Arbeit
früherer Jahre, die er, wenn er zu Zeiten gern zurückdenkt, deshalb auch gern um
sich hat und die in hübscher Anordnung wohl eine kleine Lebensgeschichte bilden

können. Warum sollte man solche Gegenstände, weil sie vielleicht nicht in die
„stilvolle" Linrichtung passen, einfach in die Rumpelkammer werfen? Je älter
der Mensch wird, je mehr lebt er in der Erinnerung vergangener Zeiten, und der
unscheinbarste Gegenstand aus diesen erfreut ihn oft mehr und dauernder, als die

schönsten Kunstwerke der Gegenwart.
„Alles mit Maß und niemals zu viel"
heißt es auch hier, und ein feines Ge-
fühl der Hausfrau wird auch mit solchem
Materiale eine Anordnung treffen können,
um dem Manne sein Arbeitskabinet
so zu gestalten, daß er es behaglich findet,
ohne daß es dem guten Geschmack zu-
widerläuft und kein wildes Sammelsurium
aller möglichen Dinge und Raritäten
bildet. Zu sagen, wie das Arbeitszimmer
für den Mann nun genau dekorirt werden
soll, welche Farben, welcher Stil darin
vorwalten müsse, ist eine Aufgabe, die
sich ganz nach der Veranlagung des Be-
wohners zu richten hat; hier spielt dessen
Farbensinn eine Hauptrolle mit. vor
Allem ist es jedoch Lrforderniß, solchem
Raume ein ruhiges Ensemble zu geben
und mit bunten, schreienden Dekorationen
möglichst fern zu bleiben.

Anders liegt es bei Ausschmückung
eines Warte- oder Lntreezimmers,
in welchem gewissermaßen schon der Bil-
dungsgrad und die gesellschaftliche Stel-
lung der Familie zum Ausdruck gebracht
werden soll. Hier ist Alles von Uebel,
was dazu dienen könnte, eine ungünstige
Meinung von jener hervorzurufen. Alle
Ueberladung ist zunächst zu vermeiden,
denn es inacht einen unbehaglichen, be-
engenden Eindruck, wenn der Lintretende
zwischen einer großen Zahl von Möbeln,
belegt mit Stickereien und bestellt mit
unzähligen Nippes rc., nicht weiß, wie
er sich drehen und wenden soll, nicht
weiß, ob er sich setzen darf, oder ob ev
damit Anstoß erregt, vielleicht gar ein Un-
glück verschuldet. Zn der Ausschmückung
eines solchen Zimmers ist das „Nichtzu-
viel" vor Allem am Platze. Nicht zn
auffallend in Farben, zugleich vorsichtig
in der Auswahl der Tafelbilder, denn in
ein Lntreezimmer kommen die Menschen
mit den verschiedensten Geistesrichtungen;,
wir wollen aber Keinen, der unser Haus
betritt, durch Darstellungen beleidigen
oder kränken, sondern Zedem gegenüber
uns als höfliche Menschen bekunden. Zn
dieser Beziehung gibt es zahlreiche Dar-
stellungen der Kunst, welche für Zeder-
mann Interesse haben und mit stets neuem
Znteresse betrachtet werden können, die
das Herz des Gastes erfreuen und ihn
in angenehme Stimmung zu versetzen
im Stande sind, vorzugsweise sind es
Darstellungen schöner Gegenden, bezw.
farbige Landschaften, weil sie von Zedem
gern gesehen und auch verstanden wer-
den, patriotische Darstellungen, harmlose
Genrebilder, Thierbilder rc. rc.; die rich-
tige Auswahl ist nicht schwer zu finden.
Wer unserer Ansicht nach sich sein Lntree-
zimmer nach diesen Grundsätzen ein-
richtet, wird im Allgemeinen sich und
Andere zufrieden stellen, er wird sich die
Sympathie Derjenigen erwerben, die
sein Heim besuchen und mit ihm in
nähere Verbindung und dauernde Beziehungen zu treten wünschen. .

Das Speisezimmer, in dem sich die ganze Familie zur Mahlzeit versam-
melt, ist ebenfalls mit einer nicht zu bunten Dekoration auszusühren; der Speise-
tisch und was an ihm geschieht, bildet den Mittelpunkt des Raumes und seiner
Verwendung. Das Essen ist nicht nur die Befriedigung eines materiellen Bedürf-
nisses, sondern zugleich auch ein Genuß, welcher möglichst wenig durch Ablenkungen
gestört sein will. Aus diesem Grunde ist eine ruhige Dekorirung dieses Raumes

" Abbildung Nr. 295. Fsyrnr^-Ofen im Rokoko-Stil.

Entworfen von Architekt jD. Roch, Bingen.
 
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