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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 3.1892

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Fischbach, Friedrich: Unsere Fenster, [1]
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Röttger, Rudolf: Die Sammler und Ihre unbekannten Wohltäter, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6760#0089

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Seite 68.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für I nnen-Dekoration.

April-Heft.

Fensterseite nöthig, uni nicht stets große Fensterflügel öffnen zu müssen.
Sind jedoch, wie in der Regel, die Fensterritzen genügend vorhanden,
so haben wir den Luftaustausch, der der Gesundheit, wenn auch nicht
der Behaglichkeit in nächster Nähe, entspricht. Durch Doppelfenster und
Vorhänge vermeiden wir den Zug und überflüssiges störendes Sonnen-
licht. Die Vorhänge gehören in erster
Reihe zur künstlerischen Ausstattung der
Wohnräume. Wie das Licht hereinfällt,
wie wir es dämpfen und verändern, das
sind die Rardinal-Bedingungen für das,
was wir „Stimmung" nennen. Da nun
diese Stimmung wechselt, so ist es rathsam,
die Vorrichtungen so anzubringen, um stets
den gewünschten Effekt zu erreichen. Das
war weniger nöthig, als die Nittel noch
gar so beschränkt, und die Wohnung nicht
das Gebiet des Wirkens, sondern mehr
des Rückzuges von der Arbeit im freien
war. Wer stets in schönen Landschaften
sich herum trieb, hatte geringere Sehn-
sucht, solche durchs Fenster zu bewundern.

Der Orientale wollte nur in Fantasien
schwelgen, wenn er müde aus seinen Divan
sich ausstreckte. Dann erfreute das sanfte
Licht, das aus farbiger Glasmosaik sein
Auge traf, ihn mehr als der goldigste
Sonnenstrahl aus blauem Himmel. Auch
wir haben Stunden, in denen wir uns
gern abschließen und jeder Lichtstrahl uns
grell erscheint und wehe thut und jedes
Geräusch uns quält. Dann ziehen wir
die Vorhänge zu und freuen uns wie ein
Hamster, der sich zum Winterschlaf rüstet.

Wenn aber die grauen Wintertage mit
früherer Dämmerung kommen, und zudem
der Arzt sagt: „Lassen Sie recht viel Sonne
herein, denn die beißt die Schnupsenbakterien und sonstige unsichtbaren
Gesundheitsfeinde todt", so sind wir froh, daß wir andere Fenster haben,
wie die Türken und Perser, welche ihre Frauen absichtlich vom Verkehr

mit der Außenwelt absperren. — Wo die Sparsamkeit nicht allzusehr
mitzusprechen hat, sei Folgendes empfohlen: Die Doppelfenster werden
so eingerichtet, daß sie entweder Winter und Sommer bleiben, oder daß
im Sommer das innere (also nicht wie bisher das äußere) Fenster ent-
fernt wird. Das äußere Fenster zeige lediglich kristallhelles Glas und

die Vorrichtung, daß ein größerer und
ein kleinerer Theil zu öffnen ist. Das
innere Fenster sei rings mit farbigem Glas
umrandet. Auch das Oberlicht und das
über Nanneshöhe befindliche Glas kann
mehr oder weniger reiche Verzierungen
zeigen, jedoch bleibe in Augenhöhe lichtes
Glas, um die freie Aussicht stets zu ge-
nießen. Der ringsum laufende farbige
Glasfries vermittelt den Uebergang von
der starren dunklen Mauer zum ganz Hellen
Glase. Wenn ein solcher Uebergang, den
heute in der Regel die Vorhänge und
Gardinen bilden, ganz fehlt, so ist das
Auge sehr verletzt. Ein solches Zimmer
erscheint unwohnlich. Wo kein farbiges
Glas mitspricht, müssen mehr oder weniger
durchsichtige Gewebe mit Ornamenten es
ersetzen.— Die Billigkeit der Nottinghamer
Spitzengewebe verdrängte die früher so
beliebten gestickten Vorhänge. Jetzt sucht
man wieder Apparteres und ist nicht mehr
wie früher ausschließlich auf weiße Vor-
hänge versessen, so sehr diese auch den
Eindruck der Sauberkeit machen. Die
Farbenfreude hat ihr besonderes Recht da,
wo das durchscheinende Licht maßgebend
ist. Weiß ist zu nüchtern un5 entspricht
lediglich der Großmutter-Tradition und
nicht den ästhetischen Dekorationsprinzipien.
Sagt doch auch Goethe, daß die Natur
nichts Weißes duldet, wenn sie im Frühling mit Blumenteppichen die
Erde schmückt. Wir aber sind so sehr die Sklaven der Tradition, daß
wir sogar die Hochzeitsbräute genau wie die Leichen schmücken und

* Abbildung Nr. ZZ-Z. Bildcrrahrnen in Holzschnitzerei.

rammlee und ihre
unbekannten

jjohlthätee.

Non Rudolf Nötiger. (Schluß ans dem p Bogen.)

!ür die Kunst, selbst Kunstgeschichte, wäre es also kein Verlust,
wenn eine große Anzahl dieser „Meisterwerke" noch in:
Staube der Speicher ruhte, wo man sie leider ausgrub. Für
die Gegenwart aber und ihre Künstler ist solche Ausgrabung nur ein
Verlust, denn sie hat einen Theil des so nothwendigen Lebensstroms
in ein falsches Bett gelenkt, wo er, statt zu beleben, zum Moraste wird.

Gesetze kann man gegen solche Verirrungen nicht machen, aber die
Natur der Dinge bringt gewöhnlich ihr eigenes Gegenmittel, so für
die Liebhaberei den Fälscher. Die Fälschung als ein Betrug widerstrebt
den: Rechtsgefühl. Dennoch wird sie im Leben zu guten Zwecken mit
größtem Erfolg angewendet. Wenn ein Narr z. B. sich einbildet, eine
Geliebte im Mond zu haben, so kann ein aus dem Mond kommender
Brief, also eine Fälschung, ihn möglicher Weise zum Verstand zurück
bringen. Für die Sammler hat es nun schon seit alten und ältesten
Zeiten Leute gegeben, welche bemüht waren, ihn aus andere Weise
glücklich zu machen. Schon zu Zeiten der Griechen und Römer be-
sorgten geriebene Runden dieses Geschäft und versahen die Sammler
mit den seltensten Gegenständen, so daß viele der echten Alterthümer,
die sich heute noch in den Sammlungen finden, allerdings echt sind als
Alterthümer, dennoch aber falsch, weil sie schon vor 2000 Jahren
nicht Das waren, was sie sein sollten. Da unter den vielen Sammlern
nur Wenige sind, die von Kunst und Geschichte das Nöthige verstehen,
so erfüllen die Dinger ihren Zweck, sie geben Gelegenheit, größere
Sammlungen zu haben, als dieses bei lediglich echten Gegenständen

möglich wäre. Und die Gesammtheit wie der Einzelne bewundern
meistens viel mehr den großen Haufen als den Inhalt und Werth.

Von neueren Fälschungen sind u. A. die der Moabiter Alterthümer,
mit denen die Berliner Gelehrtenwelt betrogen wurde, die der Pa-
limpseste, welche ein griechischer Hochstapler aus den Markt warf,
sowie eine Autographenfabrik in Paris, das Alles in den 60 er und
70 er Jahren, berühmt geworden. Später noch, aber ebenfalls in jener
Zeit, wurden die Gelehrten des Louvre in Paris, der kürzlich ver-
storbene Nieuverkerke an der Spitze, schmählich durch Fälschungen
hinter's Licht geführt, und zwar mit einer Terracotta-Büste, die einen
Philosophen des s6. Jahrhunderts vorstellen sollte, tatsächlich aber
das Bildniß eines Florentiner Schusters war, den ein beschäftigungs-
loser Bildhauer in seiner Muße modellirt hatte. Großartiger war der
Erfolg noch, als es dem Bankier Isaac Pereire, der, wie Alle seines-
gleichen, mit dein Besitz des Geldes an gar nichts mehr verzweifelte,
gelang, in Madrid ganz heimlich eine Anzahl Gemälde der berühm-
testen spanischen Meister, wie Zurbaran, Ribera, Valesquez, zu
erwerben, und diese Schätze ungehindert über die Grenze zu bringen.
„Doch es ist nichts so fein gesponnen, es kommt doch an die Sonnen",
besonders in Paris und — wenn man dort gleich einen Feuilletonisten
ruft, der nebenbei Kunstkenner ist. Das that nämlich der große Pereire
und zog Theophile Goutier ins Vertrauen, der denn auch sofort los-
legte und einerseits den Ruhm des großen Pereire der Welt verkündete,
die ihm die Entdeckung dieser Schätze verdankte, anderseits aber auch
die gänzliche Verkommenheit der spanischen Nation beleuchtete, die solche
Schätze nicht zu würdigen und sich zu erhalten wußte. Hätte er dieses
unterlassen, so wäre die Welt uni einen gewaltigen Kunstkenner und
einige Meisterwerke der altspanischen Schule reicher gewesen. Aber der
Vorwurf wurmte die Zwei, namentlich den Einen! Welche Zwei denn?
 
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