Seite s?2.
Illustr. kunstgewerb l. Zeitschrift für Innen-Dekoration.
Gktober-Pest.
Gerade so ist es bestellt mit den guten und schlechten chinesischen
porzellanen, japanischen Fayencen, Bronzen und Lackarbeiten — letztere
auch deutscher Geburt — Flechtarbeiten und Stickereien, indischen Metall-
arbeiten und Geweben, russischen Bronzen und Emaillen, französischen
und englischen Möbeln und Steingutgeschirren,
porzellanen, dänischen Terracotten und unga-
rischen Fayencen, slorentiner Majoliken und
amerikanischen Glasartikeln. Ich protestire
hier nicht gegen den Begriff „fremd", son-
dern gegen jene pandelswaare, die nur das
„ausländische" für sich hat, bei schlechter
Arbeit und Material, neben hoher Preis-
auszeichnungen. Von diesen Beglückungen
haben wir mehr denn übergenug. — Der
Deutsche gehört zu jenen eigenthümlichen
Menschenkindern, die ihr Geld groschenweise
ausgeben und dabei mehr verplempern, als
wenn sie selten — aber dann gut einkaufen.
Ueberlassen wir doch das Erwerben
guter fremdländischer Stücke den wirklich
wohlhabenden Massen, das Geld, das dafür
ausgegeben wird, kommt durch andere Ge-
genleistungen reichlich wieder ein, und außer-
dem können wir von augenfällig schönen
Gegenständen doch noch Manches lernen.
Schmücken wir getrost unsere Zimmer mit
dem „Fremden", aber doch mit solchen Ob-
jekten, daß wir vor unseren Handwerkern
nicht zu erröthen brauchen.
Daß die Ehinesen und Japaner (nicht
Japanesen) mit Kruppschen Kanonen schie-
ßen, auf deutschen Schienen fahren, Stoll-
werckffche Ehokolade und Zuckerwaaren
knabbern, und das japanische Parlament
wie auch die Justizbehörde in Gebäuden
tagen, die von deutschen Architekten erbaut
sind, finde ich ebenso begreiflich, wie wir chinesische Thees trinken, gute
Japanwaaren lieben und schätzen, arabischen Mokka schlürfen und
türkische Eigaretten schmauchen. Daß man aber Möbel im chinesischen
* Abbildung Nr. H2Z. Thorgittep, von Jos. Bollert.
Stil baut, den japanischen Naturstil so krampfhaft nachahmt, oder gar
sich persische Waffenzimmer, türkische Rauch- und indische Bade-Zimmer
einrichtet, finde ich doch etwas übertrieben, wenigstens in der Form,
wie sie heute profanirt wird. Vielleicht hängen wir uns zu all den
Zöpfen auch noch einmal einen „Zopf nach
hinten", und ziehen uns, um uns in unserm
türkischen Rauchzimmer auch wirklich „echt"
zu fühlen: Pluderhose, Jäckchen und Leib-
binde an — der Fez ist ja schon lange ge-
wöhnlich. — Die überhandnehmende Waffen-
Dekoration in unfern friedlichen Zimmern,
das Aufhäusen von japanischen Schwertern,
die nichts an sich haben, als daß sie haar-
scharf sind und vielleicht zum echten „Bauch-
aufschlitzen"—Zapprilcu oder NLkL-voo-
Kjri — animiren sollen, sollte doch endlich
wieder eingestellt werden. Das Verwenden
von Partisanen, Pellebarden und Spontons
zu Thür- und Fenster-Draperien ist nunmehr
bis zur Geschmacklosigkeit gediehen. Lin
Zehntel dieser Mordinstrumente in der bür-
gerlichen Wohnung thäte wahrlich aus-
reichend seine Schuldigkeit.
Ich lasse es mir gefallen, wenn Rei-
sende, Forscher, Gelehrte und Künstler, die
sich eine Reihe von Jahren in einem frem-
den Lande aushielten und dort heimisch gei
worden sind, sich von ihnen liebgewordenen
Gegenständen nicht trennen mögen, und aus
diesem Grunde in der alten wiedergesundenen
peimat ein Stück ihres früheren Lebens auf-
bauen : laßt jedem Menschenkinds seine Er-
innerungen, laßt ihm seine alten Gefährten,
die ihn in der Fremde umgaben. — Wohl
dem, der es vermag, eines seiner Zimmer
so einzurichten, daß es seinem Beruf, sei-
ner Persönlichkeit und seinen Neigungen entspricht. Das Atelier
eines Malers wird anders aussehen, als das Studierzimmer des Theo-
logen, Gelehrten, Juristen oder Mediciners. Ja, selbst bei diesen Ein-
uf den
arisee grossen
oulevards.
wie dies in den meisten großen Städten der Fall ist,
konzentrirt sich in Paris das geschäftliche Leben in einigen
bestimmten Stadttheilen oder Straßen. In London z. B.
vollzieht sich der ganze Verkehr, soweit der Großhandel in Frage
kommt, in der engen Lity', während, wenn man elegante Dinge kaufen
will, man diese nur in vier Straßen, Oxlort Street, Ne^ent Street,
Vonck Street und VicAckiN^ findet. Anders in der französischen
Pauptstadt. Auch in den entlegensten Quartieren bleibt man häufig
überrascht vor einem Schaufenster stehen, um sich an einem schönen,
geschmackvoll ausgeführten Stück zu erfreuen, das in diese Gegend
kaum hinzupassen scheint, das aber auch dort nicht unbeachtet bleibt,
denn der echte pariser stöbert überall umher, wenn er seine Einkäufe
machen will. Um aber die Quintessenz des französischen Geschmacks
zu bewundern, um das Beste, das er hervorbringt, in Mengen bei-
sammen zu sehen, muß man sich auch hier in ein sich allerdings ziem-
lich lang ausdehnendes Viertel begeben, die großen Boulevards und
die sich um dieselben hinziehenden Avenuen und Straßen durchwandern.
Dies habe ich heut die Absicht im Geiste mit Ihren Lesern zu thun,
einzelne der prächtigen Magazine zu betreten, vor den mit so außer-
ordentlichem Geschick arrangirten Schaufenstern stehen zu bleiben, um
die schönsten Stücke Herauszugreisen und zu beschreiben. Für Diejenigen,
welche die bezaubernde Lutetia kennen, wird es vielleicht eine angenehme
Erinnerung, für die Andern eine kleine Anregung sein — denn ein
echter deutscher Mann mag zwar keinen Franzen leiden , aber er ist
gerecht genug, um einzusehen, daß er, was Kunstsinn und Geschmack
betrifft, noch viel von ihm lernen kann.
Die großartige im griechischen Stile erbaute Kirche N.3 NaKeleiiie
hinter sich lassend, gelangt man zuerst auf den Borileverrcl ckes Lig.-
xriLines. Gleich zu Anfang fällt ein Geschäft ins Auge,, in welchem
sich die verschiedensten Kunstmöbel befinden, während man einfache dort
vergeblich suchen würde. Wie prachtvoll ist z. B. ein wohl zwei und
einen halben Fuß hoher Schrank, der nach der Art der kleinen japa-
nesischen Schmuckspindchen gearbeitet ist. Aus braunem polz ist er
mit Perlmutter in den verschiedensten Dessins eingelegt. Unten ziert
ihn ein Z. 13 ^re^rae-Muster, durch das sich eine Guirlande von Astern
zieht, große Sternblumen gehen an den Seiten hinauf, die kleinen Schub-
laden sind mit offenen Schalen geschmückt, aus welchen allerhand Blüthen
liegen, während Rosenzweige mit ihren Blättern die Thürchen des oberen
weit zurücktretenden Theiles bilden. Ebenfalls in japanesischer Manier
ist ein Tischchen gehalten, dessen Gestell aus zwei Etagen besteht, die
von vergoldeten Fabelthieren getragen werden. Die Tischplatte stellt
ein großes Blatt dar, das an einer Seite noch aufgerollt ist und weit
über das Gestell hinweggeht. Eine kleine Schublade darin hat als
Schloßverzierung einen sein ausgearbeiteten goldenen Schmetterling.
Kleine ineinander zu schiebende Tische, die vor Jahrzehnten einmal in
Deutschland viel zu sehen waren, sind hier wieder sehr in Aufnahme
gekommen, aber in praktischerer Weise, denn obgleich häufig in der
Dekorirung das japanische Genre vorherrscht, macht man dieselben doch
recht kräftig und solide. Da hat man sie z. B. auf breiten, festen, reich
geschnitzten Beinen, deren Dessin wunderliche Fabelthiere bilden. Die
Platte ist mit bunten Blumen eingelegt oder, was viel angebrachter,
mit farbigem Marmor. In der Anwendung erfüllen diese Tischchen
ihre Bestimmung allerdings oft nicht, denn man sieht sie in eleganten
Wohnungen in einer Ecke halb auseinandergezogen dastehen, sodaß sie
terrassenartig übereinander liegen und mit allen möglichen Nippes und
Illustr. kunstgewerb l. Zeitschrift für Innen-Dekoration.
Gktober-Pest.
Gerade so ist es bestellt mit den guten und schlechten chinesischen
porzellanen, japanischen Fayencen, Bronzen und Lackarbeiten — letztere
auch deutscher Geburt — Flechtarbeiten und Stickereien, indischen Metall-
arbeiten und Geweben, russischen Bronzen und Emaillen, französischen
und englischen Möbeln und Steingutgeschirren,
porzellanen, dänischen Terracotten und unga-
rischen Fayencen, slorentiner Majoliken und
amerikanischen Glasartikeln. Ich protestire
hier nicht gegen den Begriff „fremd", son-
dern gegen jene pandelswaare, die nur das
„ausländische" für sich hat, bei schlechter
Arbeit und Material, neben hoher Preis-
auszeichnungen. Von diesen Beglückungen
haben wir mehr denn übergenug. — Der
Deutsche gehört zu jenen eigenthümlichen
Menschenkindern, die ihr Geld groschenweise
ausgeben und dabei mehr verplempern, als
wenn sie selten — aber dann gut einkaufen.
Ueberlassen wir doch das Erwerben
guter fremdländischer Stücke den wirklich
wohlhabenden Massen, das Geld, das dafür
ausgegeben wird, kommt durch andere Ge-
genleistungen reichlich wieder ein, und außer-
dem können wir von augenfällig schönen
Gegenständen doch noch Manches lernen.
Schmücken wir getrost unsere Zimmer mit
dem „Fremden", aber doch mit solchen Ob-
jekten, daß wir vor unseren Handwerkern
nicht zu erröthen brauchen.
Daß die Ehinesen und Japaner (nicht
Japanesen) mit Kruppschen Kanonen schie-
ßen, auf deutschen Schienen fahren, Stoll-
werckffche Ehokolade und Zuckerwaaren
knabbern, und das japanische Parlament
wie auch die Justizbehörde in Gebäuden
tagen, die von deutschen Architekten erbaut
sind, finde ich ebenso begreiflich, wie wir chinesische Thees trinken, gute
Japanwaaren lieben und schätzen, arabischen Mokka schlürfen und
türkische Eigaretten schmauchen. Daß man aber Möbel im chinesischen
* Abbildung Nr. H2Z. Thorgittep, von Jos. Bollert.
Stil baut, den japanischen Naturstil so krampfhaft nachahmt, oder gar
sich persische Waffenzimmer, türkische Rauch- und indische Bade-Zimmer
einrichtet, finde ich doch etwas übertrieben, wenigstens in der Form,
wie sie heute profanirt wird. Vielleicht hängen wir uns zu all den
Zöpfen auch noch einmal einen „Zopf nach
hinten", und ziehen uns, um uns in unserm
türkischen Rauchzimmer auch wirklich „echt"
zu fühlen: Pluderhose, Jäckchen und Leib-
binde an — der Fez ist ja schon lange ge-
wöhnlich. — Die überhandnehmende Waffen-
Dekoration in unfern friedlichen Zimmern,
das Aufhäusen von japanischen Schwertern,
die nichts an sich haben, als daß sie haar-
scharf sind und vielleicht zum echten „Bauch-
aufschlitzen"—Zapprilcu oder NLkL-voo-
Kjri — animiren sollen, sollte doch endlich
wieder eingestellt werden. Das Verwenden
von Partisanen, Pellebarden und Spontons
zu Thür- und Fenster-Draperien ist nunmehr
bis zur Geschmacklosigkeit gediehen. Lin
Zehntel dieser Mordinstrumente in der bür-
gerlichen Wohnung thäte wahrlich aus-
reichend seine Schuldigkeit.
Ich lasse es mir gefallen, wenn Rei-
sende, Forscher, Gelehrte und Künstler, die
sich eine Reihe von Jahren in einem frem-
den Lande aushielten und dort heimisch gei
worden sind, sich von ihnen liebgewordenen
Gegenständen nicht trennen mögen, und aus
diesem Grunde in der alten wiedergesundenen
peimat ein Stück ihres früheren Lebens auf-
bauen : laßt jedem Menschenkinds seine Er-
innerungen, laßt ihm seine alten Gefährten,
die ihn in der Fremde umgaben. — Wohl
dem, der es vermag, eines seiner Zimmer
so einzurichten, daß es seinem Beruf, sei-
ner Persönlichkeit und seinen Neigungen entspricht. Das Atelier
eines Malers wird anders aussehen, als das Studierzimmer des Theo-
logen, Gelehrten, Juristen oder Mediciners. Ja, selbst bei diesen Ein-
uf den
arisee grossen
oulevards.
wie dies in den meisten großen Städten der Fall ist,
konzentrirt sich in Paris das geschäftliche Leben in einigen
bestimmten Stadttheilen oder Straßen. In London z. B.
vollzieht sich der ganze Verkehr, soweit der Großhandel in Frage
kommt, in der engen Lity', während, wenn man elegante Dinge kaufen
will, man diese nur in vier Straßen, Oxlort Street, Ne^ent Street,
Vonck Street und VicAckiN^ findet. Anders in der französischen
Pauptstadt. Auch in den entlegensten Quartieren bleibt man häufig
überrascht vor einem Schaufenster stehen, um sich an einem schönen,
geschmackvoll ausgeführten Stück zu erfreuen, das in diese Gegend
kaum hinzupassen scheint, das aber auch dort nicht unbeachtet bleibt,
denn der echte pariser stöbert überall umher, wenn er seine Einkäufe
machen will. Um aber die Quintessenz des französischen Geschmacks
zu bewundern, um das Beste, das er hervorbringt, in Mengen bei-
sammen zu sehen, muß man sich auch hier in ein sich allerdings ziem-
lich lang ausdehnendes Viertel begeben, die großen Boulevards und
die sich um dieselben hinziehenden Avenuen und Straßen durchwandern.
Dies habe ich heut die Absicht im Geiste mit Ihren Lesern zu thun,
einzelne der prächtigen Magazine zu betreten, vor den mit so außer-
ordentlichem Geschick arrangirten Schaufenstern stehen zu bleiben, um
die schönsten Stücke Herauszugreisen und zu beschreiben. Für Diejenigen,
welche die bezaubernde Lutetia kennen, wird es vielleicht eine angenehme
Erinnerung, für die Andern eine kleine Anregung sein — denn ein
echter deutscher Mann mag zwar keinen Franzen leiden , aber er ist
gerecht genug, um einzusehen, daß er, was Kunstsinn und Geschmack
betrifft, noch viel von ihm lernen kann.
Die großartige im griechischen Stile erbaute Kirche N.3 NaKeleiiie
hinter sich lassend, gelangt man zuerst auf den Borileverrcl ckes Lig.-
xriLines. Gleich zu Anfang fällt ein Geschäft ins Auge,, in welchem
sich die verschiedensten Kunstmöbel befinden, während man einfache dort
vergeblich suchen würde. Wie prachtvoll ist z. B. ein wohl zwei und
einen halben Fuß hoher Schrank, der nach der Art der kleinen japa-
nesischen Schmuckspindchen gearbeitet ist. Aus braunem polz ist er
mit Perlmutter in den verschiedensten Dessins eingelegt. Unten ziert
ihn ein Z. 13 ^re^rae-Muster, durch das sich eine Guirlande von Astern
zieht, große Sternblumen gehen an den Seiten hinauf, die kleinen Schub-
laden sind mit offenen Schalen geschmückt, aus welchen allerhand Blüthen
liegen, während Rosenzweige mit ihren Blättern die Thürchen des oberen
weit zurücktretenden Theiles bilden. Ebenfalls in japanesischer Manier
ist ein Tischchen gehalten, dessen Gestell aus zwei Etagen besteht, die
von vergoldeten Fabelthieren getragen werden. Die Tischplatte stellt
ein großes Blatt dar, das an einer Seite noch aufgerollt ist und weit
über das Gestell hinweggeht. Eine kleine Schublade darin hat als
Schloßverzierung einen sein ausgearbeiteten goldenen Schmetterling.
Kleine ineinander zu schiebende Tische, die vor Jahrzehnten einmal in
Deutschland viel zu sehen waren, sind hier wieder sehr in Aufnahme
gekommen, aber in praktischerer Weise, denn obgleich häufig in der
Dekorirung das japanische Genre vorherrscht, macht man dieselben doch
recht kräftig und solide. Da hat man sie z. B. auf breiten, festen, reich
geschnitzten Beinen, deren Dessin wunderliche Fabelthiere bilden. Die
Platte ist mit bunten Blumen eingelegt oder, was viel angebrachter,
mit farbigem Marmor. In der Anwendung erfüllen diese Tischchen
ihre Bestimmung allerdings oft nicht, denn man sieht sie in eleganten
Wohnungen in einer Ecke halb auseinandergezogen dastehen, sodaß sie
terrassenartig übereinander liegen und mit allen möglichen Nippes und