Leite 28.
Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Znnen-Dekoration.
Februar-Heft.
doch rnehr dazu, um ein Haus ruhmvoll erscheinen zu lassen), so ist es
doch Thatsache, daß ein Heim, dem die „züchtig waltende", verständige,
gefühlvolle Hrau fehlt, einem Aörper ohne Leele, einer Blume ohne
Dust gleicht.
„Der Marmor ist kalt, das Gemälde todt", sagte Altvater Goethe
beim Anblick der verödeten jDaläste, die sich ihm in der Lagunenstadt
darbieten; das dürste wohl auch auf unsere Paläste stimmen; Leben,
wann pulsirendes Leben, das die Aunstwerke durchgeistigt, erhalten sie
erst durch den Zauber der grauen, die in ihnen walten und als schönste,
reizvollste Znnen-Dekoration gelten sollen, selbst in den Häusern, die an
Glanz und Fracht Benezias stolze Paläste überstrahlen!
Die Meziichungen dev Mntiquitaten-
liedhaberei zum modernen Kunstgewevdh.
eber dieses Thema hielt Direktor Ilr. Albert Ilg nach der „Wochen-
schrift des niederösterr. Gewerbe-Vereins" folgenden interessanten Vor-
trag : Als mir die sehr ehrende Aufforderung zu Theil wurde, in Ihrem
werthen Kreise zu sprechen, da, muß ich gestehen, bin ich von einiger
Besorgniß erfüllt gewesen. Ich habe nämlich die ehrliche Vorstellung, daß einem
mir einwenden: wozu bemühst Du Dich? ich komme mit diesen Dingen nicht weiter,
ich muß der Mode bis zu einem gewissen Grade, ich muß dem Bedürfnisse des
Tages dienen. — Das waren meine Bedenken, da ich nicht gerne etwas unnütz
thue und nicht will, daß dasjenige, was ich thue als unnütz angesehen werde,i
würde. Ls war nur daher eine große Erleichterung, eine Hülse in der Wahl des
zu besprechenden Gegenstandes, daß die verehrten Herren, welche mich zu einem
Vortrage einzuladen die Güte hatten, auch so freundlich waren, mir in Form eines
Wunsches und einer Anregung das Thema nahezulegen; und wenn ich auch auf
dem zu behandelnden Gebiete Ihnen keineswegs etwas Neues zu sagen im Stande
sein werde, so erscheint es mir doch wirklich praktisch und ersprießlich, darüber zu
sprechen, denn es berührt eine Sache, die unser Kunstgewerbe heute vielfach schädigt.
Was ich sagen will, sind nur die Gedanken des Einzelnen, wie sie jeder andere
Einzelne auch haben dürfte, aber es ist vielleicht doch zweckmäßig, diese Gedanken
vorzubringen.
Das Sammeln von Alterthllmern, von Antiquitäten, ist unbestreitbar eine in
vielen Beziehungen hochwichtige und bedeutsame Sache. Sehen wir vom Sammeln
der Antiquitäten, von kunstgewerblichen, künstlerischen lleberbleibseln ab, sprechen
wir von, Sammeln im allgemeinsten Sinne, von der Sammelthätigkeit an und für
sich, so ist dieselbe geradezu eine edle Seite des menschlichen Lebens und Strebens.
Der Mensch, der Sammelgeist in, Allgemeinen besitzt, ist in psychologischer Hinsicht
zu betrachten als ein Individuum, von welchen, positive, ordnende Grundsätze zu
erwarten sind. Der Sammler ist immer ein Mann von konservativen Prinzipien,
und die Sammelthätigkeit, was immer sie berühren möge, ist wenigstens im Allge-
meinen schon das Gegentheil vom Negativen, vom verderbenden und zerstörenden
Abbildung Nr. 2YS. Allegorie des Weinbaues von Prof. G. Sturm.
Kreise, wie Sie es sind, ich und meinesgleichen so eigentlich mit einem Vortrage,
wie wir ihn bieten können, nicht viel Nutzen bringen dürften. Ich stelle mir die
Sachlage so vor. Ich habe mir gegenüber die Männer der Praxis, des wirklichen
Lebens in Handel, Wandel und Verkehr, die Männer des Geschäftes, des Gewerbes,
der Industrie, der Kunstindustrie; ich kann mir nur denken, daß diese Männer, um
ihre Zeit nützlich zugebracht zu haben, einen wirklichen Vortheil für ihr Streben
aus meinen Mittheilungen gewinnen wollen, und muß mir, an mich zurückdenkend,
sagen, daß der Historiker und Aesthetiker beim besten Millen nicht wohl in der
Lage ist, einem solchen Wunsche, so sehr er ihn selbst hegte, zu entsprechen. Ich
kann mir sehr wohl vorstellen, daß ich z. B. mit allem Eifer und aller Gelehrsam-
keit, wenn sie mir zu Gebote stehen sollte, mein Möglichstes thäte, um Ihnen aus
Urkunden und (Quellenschriften der Vergangenheit Dinge vorzubringen, die allerdings
einen Zusammenhang mit Ihrem Streben haben; aber ich denke, daß dasjenige,
was Sie dabei empfinden, doch eigentlich nur ein vorübergehendes Interesse wach-
rufen kann, daß es aber die Praxis, Ihre eigensten Interessen, kaum berühren dürfte.
— Ich erlaube mir ein Beispiel anzuführen. Ich könnte dem Keramiker sehr wohl
aus alten Rezepten, (Quellenschriften re. eine Menge Nachrichten bringen, die er
vielleicht nicht kennt, so über die Bereitung alter Glasuren, Farben, Firnisse usw.;
es mag ihn das historisch interessireu, aber als Mann der Praxis wird er sich denken,
wozu eigentlich Alles das? Die Therme und die technologische Thätigkeit, das
Maschinenwesen haben diesen Gewerbebetrieb so sehr verändert, daß dergleichen
Dinge nur eine ehrwürdige Antiquität darstellen, daß ich aber damit für meine
eigensten Bedürfnisse nichts erreichen kann. — Ich könnte als Aesthetiker die sublimsten
und idealsten Schönheitsregeln aufstellen, die vielleicht unanfechtbar sein werden,
die auch zugegeben und eingesehen werden könnten, aber der Gewerbsmann wird
Triebe. Jeder gebildete und xietätsvolle Mensch ist ja von Hause aus ein Sammler.
Das Individuum wird Dinge, die seine eigene Vergangenheit, seine Jugend, die
Geschichte seiner Familie, das Andenken seiner Eltern und sonstiger liebwertster
Personen betreffen, ja gewiß bewahren, schonen, Zusammentragen, in irgend einem
Geiste vereinigen, und was dieses Sammeln von persönlichen Memorabilien beim
Individuum ist, das ist in einem höheren, weiteren, idealeren Sinne das Sammeln
von Denkwürdigkeiten der Vergangenheit durch die Stadt, das Land, den Staat,
die Nation. Es bekundet sich in dieser Thätigkeit vor Allem ein idealer Sinn, der
Sinn der Pietät für das Gewesene, für die Geschichte, ein Ding, das dem Individuum
wie dein Ganzen immer einen hohen Adel verleiht.
Blicken wir im historischen Sinne zurück, so kann es uns nicht wundern, daß
eine solche Sammelthätigkeit in allen jenen Epochen, die aus einer bedeutenden
kulturellen Höhe standen, anzutreffen ist. Nur muß man nicht gerade das, was
man im modernen und modernsten Sinne unter Sammeln von Alterthümern versteht,
in allen früheren Epochen erwarten. Man kann im Allgemeinen die Bemerkung
machen, daß in denjenigen Kunstperioden, in denen die blühende, lebende Kunst
auf einer hohen Stufe der Entwicklung stand, wo die Kunstthätigkeit in voller Frische
und Beweglichkeit erschien, die Sammelthätigkeit eine geringere war; das Interesse
am Gegenwärtigen drängte da das Sammeln des Vergangenen vielfach zurück, —
wir haben dafür der Belege genug. — Wenn wir das Griechenvolk in der besten
Zeit seiner Kunstblüthe uns vor Augen führen, so finden wir wohl wenige oder
keine Nachrichten über die Sammelthätigkeit in diesem unseren antiquarischen Sinne.
Das war ein so blühender Frühling von Kunsterscheinungen aller Art, die so reich
emporsprießten und die Nation so voll beschäftigten, daß für einen Blick in die
Vergangenheit eine Veranlassung nicht vorlag. (Fortsetzung folgt.)
Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Znnen-Dekoration.
Februar-Heft.
doch rnehr dazu, um ein Haus ruhmvoll erscheinen zu lassen), so ist es
doch Thatsache, daß ein Heim, dem die „züchtig waltende", verständige,
gefühlvolle Hrau fehlt, einem Aörper ohne Leele, einer Blume ohne
Dust gleicht.
„Der Marmor ist kalt, das Gemälde todt", sagte Altvater Goethe
beim Anblick der verödeten jDaläste, die sich ihm in der Lagunenstadt
darbieten; das dürste wohl auch auf unsere Paläste stimmen; Leben,
wann pulsirendes Leben, das die Aunstwerke durchgeistigt, erhalten sie
erst durch den Zauber der grauen, die in ihnen walten und als schönste,
reizvollste Znnen-Dekoration gelten sollen, selbst in den Häusern, die an
Glanz und Fracht Benezias stolze Paläste überstrahlen!
Die Meziichungen dev Mntiquitaten-
liedhaberei zum modernen Kunstgewevdh.
eber dieses Thema hielt Direktor Ilr. Albert Ilg nach der „Wochen-
schrift des niederösterr. Gewerbe-Vereins" folgenden interessanten Vor-
trag : Als mir die sehr ehrende Aufforderung zu Theil wurde, in Ihrem
werthen Kreise zu sprechen, da, muß ich gestehen, bin ich von einiger
Besorgniß erfüllt gewesen. Ich habe nämlich die ehrliche Vorstellung, daß einem
mir einwenden: wozu bemühst Du Dich? ich komme mit diesen Dingen nicht weiter,
ich muß der Mode bis zu einem gewissen Grade, ich muß dem Bedürfnisse des
Tages dienen. — Das waren meine Bedenken, da ich nicht gerne etwas unnütz
thue und nicht will, daß dasjenige, was ich thue als unnütz angesehen werde,i
würde. Ls war nur daher eine große Erleichterung, eine Hülse in der Wahl des
zu besprechenden Gegenstandes, daß die verehrten Herren, welche mich zu einem
Vortrage einzuladen die Güte hatten, auch so freundlich waren, mir in Form eines
Wunsches und einer Anregung das Thema nahezulegen; und wenn ich auch auf
dem zu behandelnden Gebiete Ihnen keineswegs etwas Neues zu sagen im Stande
sein werde, so erscheint es mir doch wirklich praktisch und ersprießlich, darüber zu
sprechen, denn es berührt eine Sache, die unser Kunstgewerbe heute vielfach schädigt.
Was ich sagen will, sind nur die Gedanken des Einzelnen, wie sie jeder andere
Einzelne auch haben dürfte, aber es ist vielleicht doch zweckmäßig, diese Gedanken
vorzubringen.
Das Sammeln von Alterthllmern, von Antiquitäten, ist unbestreitbar eine in
vielen Beziehungen hochwichtige und bedeutsame Sache. Sehen wir vom Sammeln
der Antiquitäten, von kunstgewerblichen, künstlerischen lleberbleibseln ab, sprechen
wir von, Sammeln im allgemeinsten Sinne, von der Sammelthätigkeit an und für
sich, so ist dieselbe geradezu eine edle Seite des menschlichen Lebens und Strebens.
Der Mensch, der Sammelgeist in, Allgemeinen besitzt, ist in psychologischer Hinsicht
zu betrachten als ein Individuum, von welchen, positive, ordnende Grundsätze zu
erwarten sind. Der Sammler ist immer ein Mann von konservativen Prinzipien,
und die Sammelthätigkeit, was immer sie berühren möge, ist wenigstens im Allge-
meinen schon das Gegentheil vom Negativen, vom verderbenden und zerstörenden
Abbildung Nr. 2YS. Allegorie des Weinbaues von Prof. G. Sturm.
Kreise, wie Sie es sind, ich und meinesgleichen so eigentlich mit einem Vortrage,
wie wir ihn bieten können, nicht viel Nutzen bringen dürften. Ich stelle mir die
Sachlage so vor. Ich habe mir gegenüber die Männer der Praxis, des wirklichen
Lebens in Handel, Wandel und Verkehr, die Männer des Geschäftes, des Gewerbes,
der Industrie, der Kunstindustrie; ich kann mir nur denken, daß diese Männer, um
ihre Zeit nützlich zugebracht zu haben, einen wirklichen Vortheil für ihr Streben
aus meinen Mittheilungen gewinnen wollen, und muß mir, an mich zurückdenkend,
sagen, daß der Historiker und Aesthetiker beim besten Millen nicht wohl in der
Lage ist, einem solchen Wunsche, so sehr er ihn selbst hegte, zu entsprechen. Ich
kann mir sehr wohl vorstellen, daß ich z. B. mit allem Eifer und aller Gelehrsam-
keit, wenn sie mir zu Gebote stehen sollte, mein Möglichstes thäte, um Ihnen aus
Urkunden und (Quellenschriften der Vergangenheit Dinge vorzubringen, die allerdings
einen Zusammenhang mit Ihrem Streben haben; aber ich denke, daß dasjenige,
was Sie dabei empfinden, doch eigentlich nur ein vorübergehendes Interesse wach-
rufen kann, daß es aber die Praxis, Ihre eigensten Interessen, kaum berühren dürfte.
— Ich erlaube mir ein Beispiel anzuführen. Ich könnte dem Keramiker sehr wohl
aus alten Rezepten, (Quellenschriften re. eine Menge Nachrichten bringen, die er
vielleicht nicht kennt, so über die Bereitung alter Glasuren, Farben, Firnisse usw.;
es mag ihn das historisch interessireu, aber als Mann der Praxis wird er sich denken,
wozu eigentlich Alles das? Die Therme und die technologische Thätigkeit, das
Maschinenwesen haben diesen Gewerbebetrieb so sehr verändert, daß dergleichen
Dinge nur eine ehrwürdige Antiquität darstellen, daß ich aber damit für meine
eigensten Bedürfnisse nichts erreichen kann. — Ich könnte als Aesthetiker die sublimsten
und idealsten Schönheitsregeln aufstellen, die vielleicht unanfechtbar sein werden,
die auch zugegeben und eingesehen werden könnten, aber der Gewerbsmann wird
Triebe. Jeder gebildete und xietätsvolle Mensch ist ja von Hause aus ein Sammler.
Das Individuum wird Dinge, die seine eigene Vergangenheit, seine Jugend, die
Geschichte seiner Familie, das Andenken seiner Eltern und sonstiger liebwertster
Personen betreffen, ja gewiß bewahren, schonen, Zusammentragen, in irgend einem
Geiste vereinigen, und was dieses Sammeln von persönlichen Memorabilien beim
Individuum ist, das ist in einem höheren, weiteren, idealeren Sinne das Sammeln
von Denkwürdigkeiten der Vergangenheit durch die Stadt, das Land, den Staat,
die Nation. Es bekundet sich in dieser Thätigkeit vor Allem ein idealer Sinn, der
Sinn der Pietät für das Gewesene, für die Geschichte, ein Ding, das dem Individuum
wie dein Ganzen immer einen hohen Adel verleiht.
Blicken wir im historischen Sinne zurück, so kann es uns nicht wundern, daß
eine solche Sammelthätigkeit in allen jenen Epochen, die aus einer bedeutenden
kulturellen Höhe standen, anzutreffen ist. Nur muß man nicht gerade das, was
man im modernen und modernsten Sinne unter Sammeln von Alterthümern versteht,
in allen früheren Epochen erwarten. Man kann im Allgemeinen die Bemerkung
machen, daß in denjenigen Kunstperioden, in denen die blühende, lebende Kunst
auf einer hohen Stufe der Entwicklung stand, wo die Kunstthätigkeit in voller Frische
und Beweglichkeit erschien, die Sammelthätigkeit eine geringere war; das Interesse
am Gegenwärtigen drängte da das Sammeln des Vergangenen vielfach zurück, —
wir haben dafür der Belege genug. — Wenn wir das Griechenvolk in der besten
Zeit seiner Kunstblüthe uns vor Augen führen, so finden wir wohl wenige oder
keine Nachrichten über die Sammelthätigkeit in diesem unseren antiquarischen Sinne.
Das war ein so blühender Frühling von Kunsterscheinungen aller Art, die so reich
emporsprießten und die Nation so voll beschäftigten, daß für einen Blick in die
Vergangenheit eine Veranlassung nicht vorlag. (Fortsetzung folgt.)