Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 3.1892

DOI Artikel:
Becker, Hermann: Fälschungen von Kunstgegenständen und Erzeugnissen des Kunstgewerbes, [1]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6760#0226

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Vktober-Hest.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Seite f?9-


Fälschungen von «Munstgegrnständen und Mrreugnilsen des sMurchgewerdes.

Plauderei von Hermann Becker, Isenburg.

s s gibt ein lustiges kleines Buch, worin
eine Anleitung gegeben wird, wie
man in ganz kurzer Zeit ein Kunst-
kenner werden kann. Der Autor hatte die Sache
ironisch aufgefaßt, aber eine große Anzahl sehr
wohlhabender Leute nahm den Spaß für baare
Münze und glaubte, als sie die Schrift gelesen
hatte, in Wahrheit das zu sein, was der lustige
Schriftsteller perfiflirte. Gar viele reiche Leute,
denen ihr Beruf Zeit übrig läßt, betreiben das
Sammeln von Kunstwerken, weil es gerade
Mode ist und ihr Geld dazu ausreicht. Den
meisten dieser Sammler und Kunstkenner ist es
vollständig gleichgültig, was sie sammeln. Mit
demselben Eifer, der sie heute antreibt, alte
kunstgewerbliche Erzeugnisse und Gemälde von
höchst zweifelhafter Herkunft kaufen, würden
sie — vorausgesetzt, daß es die Mode verlangte
— auch Tigarrenstummel von berühmten Leuten,

Stricke, woran Mörder gehängt wurden, oder
gebrauchte Trambahnbillets sammeln. Ein
Millionär von heute, der kein Kunstkenner oder
mindestens Besitzer einer Kunstsammlung ist, repräsentirt
ebensowenig feinen Stand, wie es ein deutscher Duodez-
fürst des vorigen Jahrhunderts that, wenn er nicht
mindestens Besitzer einer Maitresfe, einer Porzellanfabrik
und einer Armee war, die aus sieben Soldaten, acht
Generälen, neun Obersten, zehn Hauptleuten und zwölf
Lieutenants bestand, wenn man heutzutage über große
Geldmittel verfügt, erlangt man bald auch die nöthige
Wissenschaft über Kunst und Kunstgewerbe, dafür sorgen
Antiquitäten- und Bilderhändler. Letztere lassen den
reichen Kunstfreund mit Vorliebe alte Bilder „ent-
decken", die seit Jahrhunderten auf einem Speicher ge-
legen haben, und nun durch den „reinen Zufall"
als Meisterwerke eines Tintoretto, Rubens oder gar
Rafael erkannt werden. Gegenwärtig „entdeckt" man
mit Vorliebe Gemälde von Rembrandt und Antonio
Allegri, genannt Eorreggio. Es ist ganz erstaunlich,
wie schnell ein reicher „Kunstkenner" in den Besitz
einer Bildergallerie gelangen kann, in der alle berühmten
Meister vertreten sind, wenn er nur Einsicht genug hat,
dem Rathe des Kunsthändlers unbedingt zu trauen und
den kritischen Bemerkungen naseweiser Künstler sein Ohr
verschließt, was verschlägt das, wenn es staatlichen
Instituten nur unter Aufwendung von großen Opfern
an Zeit und Geld gelingt, die Sammlungen zu ver-
größern, die Leute, welche ihnen vorstehen, kennen eben
das Handwerk recht schlecht. Müßte man nicht mit
der Lust am „Bilderentdecken" rechten, so wäre es
heute ganz leicht, fertige Gemäldegallerien zu verschie-
denen Preisen ebenso prompt zu liefern, wie Ausstat-
tungen für Bräute und solche, die es werden
wollen. Für geadelte Börsenbarone wäre aller-
dings eine „Ahnengallerie" beizufügen. — Die
Sammler von Erzeugnissen des alten Kunsthandwerks lernen die Kunst-
kennerei noch viel schneller. Das Rezept dazu besteht einestheils in

Abbild. Nr. HS6. Herme in

souveräner Verachtung aller modernen Arbeiten,
selbst wenn sie noch so tadellos gearbeitet sind,
anderntheils in der Werthschätzung jedes Ge-
genstandes, der, nachweislich oder nicht, über
zweihundert Jahre alt ist. Je älter, je besser!
Gegenstände aus dem XIV. Jahrhundert sind
werthvoller als solche aus dem XV. und XVI.
Jahrhundert. Technik und Form nebensächlich,
ja rohe Arbeit manchmal ein untrügliches
Zeichen der Echtheit. Den Beweis dafür gebdn
alle Tage die Schaufenster der Antiquitäten-
händler zweiten Ranges, in denen manchmal
unübertreffliches Gerümpel zur Schau gestellt
wird. Würde ein Kunsthandwerker der Gegen-
wart einen Kunstgegenstand genau so schlecht
ausführen, wie mancher gepriesene alte Schund
ausgeführt ist, so wäre des Geschreies über den
Verfall des Kunsthandwerkes, was überhaupt
fast nur von jenen geschilderten Kunstkennern
und ihren Helfershelfern ausgeht, kein Ende.
Aber wenn das Ding alt ist, wird es bestaunt
und gekauft. Es ist geradezu albern, was Kunst-
sammler solcher Art sich aufhalsen lassen! Ich hatte
während meines noch nicht allzulangen Lebens doch
schon Gelegenheit, in Privatsammlungen mindestens
zwanzig paar Reiterstiefel zu bewundern, die der be-
rühmte Reitergeneral Jean von Werth alle nachweislich
in der Schlacht bei Rheinfelden getragen haben soll.
Jeder Besitzer schwor natürlich darauf, daß sein Exemplar
das allein echte sei. Reiterpistolen aus dem XIV. und
Hirschfänger mit Eßbesteck aus dem XIII. Jahrhundert
sind so alltägliche Erscheinungen, daß man sich kaum
mehr darüber wundert. Das Unmöglichste wird ange-
boten und ohne weitere Ueberletzung acceptirt. Ich
kann nicht umhin, findige Antiquitätenhändler auf fol-
gende Raritäten aufmerksam zu machen, die demnächst
in größerer Anzahl, und ganz echt, in den Handel kom-
men werden: (Kunsthandwerk.) Die Handmühle, auf
welcher der Kaffee gemahlen wurde, zu welchem Thristoph
Tolumbus von der Königin Isabella von Spanien ein-
geladen wurde, als er von seiner ersten Entdeck-

ungsreise zurückkehrte. Sehr seltenes, kostbares Stück,
eingelegte spanische Arbeit aus dein XV. Jahrhundert.
Ferner die Zange, mit der Hüon auf Befehl Karls des
Großen dem Kalifen von Babylon vier Backenzähne
ausbrach; merkwürdige Solinger Stahlarbeit aus karo-
lingischer Zeit (das Nähere über Hüon kann man in
Wielands Oberon Nachlesen), und der berühmte Nürn-
berger Trichter, sehr bemerkenswerthe getriebene Metall-
arbeit aus dem XVII. Jahrhundert, vermuthlich das
Werk eines Nürnberger Kupferschmiedes. — Doch genug
des Scherzes! Diese an und für sich harmlose Lieb-
haberei, alte und seltsame Dinge zu sammeln,
hat eine Schattenseite, welche von großer Be-
deutung ist, denn sie veranlaßt die massenhafte
Fabrikation gefälschter alter Kunstgegenstände. Mir sind viele tüchtige
Elfenbein- und Holzschnitzer, Emailleure und Tiseleure bekannt, welche

Bronze f. Gas- n. Glühlicht.
 
Annotationen