Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.
5eite 65.
April-kfeft.
die bäuerlichen Ansichten und Darstellungen wurden in den höchsten ^
Areisen Mode. Die Schäfersxiele kamen, Myrtill und Lhloe seufzten wie klagende
Turteltauben an allen Orten und die Königin Marie Antoinette kleidete sich als !
Bäuerin auf ihrem Landhof Trianon. Diese Ueberschwänglichkeit theilte nun
Wieder das Landvolk nicht und that gut daran.
Wir haben oben von dem Einfluß Asiens auf unseren Blumenkultus gesprochen.
Dieser Einfluß ging zuerst von Persien, dem Nelkenlande, aus und blieb in mehr
als einer Beziehung nachhaltig. — Im Gegensatz zum Abendlande liebt der (Orientale
seine Blumen nicht in Büscheln, sondern einzeln in Vasen gesteckt. Er sucht auch
ber abgebrochenen Blume möglichst lange nicht blos ein frisches Leben, sondern
auch die Individualität zu bewahren. Die persischen Blnmenvasen sind deßhalb
eigener Art, die sich von der unserigen sehr unterscheidet. In Europa war es vor
Allem Holland, welches mit Asien in nächste Berührung kam. Ob die Nachbildung
ber persischen Vasen in Holland blos eine künstlerische Marotte war, oder ob sie
mit der Vorliebe für einzelne Blumenspezies zusammenhängt, oder umgekehrt —
-genug, die vielkelchige Blumenvase wird in Holland allgemein beliebt und das
Vorbild für die süddeutschen Fayencekünstler. — Endlich greift auch die Blumen-
Dase auf den Eßtisch über, verbindet sich mit dem Tafelaufsatz und beherrscht seither
<>:e festlichen Gedecke. — Zu Anfang der vierziger Jahre erfanden die Franzosen
<Ue Lhampagnerbouquets, welche die kunstvollste Anordnung der Blumen gestatteten,
indem man die Blumen an lange Drähte heftete und nach Belieben aneinander-
reihte. Man bewunderte diese Bouquets, scheint aber mit richtigem Sinne von der
Vorliebe für dieselben wieder abgekommen zu sein, weil sie gegen die erste Regel
oller Schönheit, die Natürlichkeit verstoßen und an deren Stelle Zwang und Laune setzen.
Unserer Blumenliebhaberei ist in jüngster Zeit ein mächtiger Verbündeter
erwachsen in der Kultur der Japaner, und wenn sie überhaupt einer Rechtfertigung
bedurfte, so konnte sie aus dieses Volk zurückgreifen. Der Japaner zeichnet sich im
Allgemeinen durch große Reinlichkeit, ganz besonders gegenüber seinem Nachbar,
bem schmutzigen Ehinesen aus. Diese Reinlichkeit hat eine gewisse Begründung
in der Schintoreligion, welche die Geburt des Menschen als eine Verunreinigung
ber Seele betrachtet, aus der sie durch penible Reinhaltung des Körpers allmählig ^
befreit wird. Mit diesem ausgesprochenen Naturgefllhl für Reinlichkeit hängt auch I
bas Naturgefühl überhaupt und die Vorliebe für Blumen zusammen.
Ein Iapanreisender der neuesten Zeit spricht sich folgendermaßen aus: „In
Europa bedarf das Gefühl des Schönen der Entwickelung durch Unterweisung.
Unsere europäischen Bauern reden von der Fruchtbarkeit der Felder, von dem Ueber-
schuß der Mühlen treibenden Wasser, vom Nutzen der Wälder, — aber nicht von
ben malerischen Reizen der Gegend. Sie sind nicht gefühllos gegen dieselben, aber
sie empfinden Angesichts ihrer doch nur eine unbestimmte Befriedigung, von der sie
sich keine Rechenschaft geben. Wie anders der japanesische Lauer. Ihm ist das
Gefühl für das Schöne angeboren. Kann er es, so baut er seine Hütte am Rande
eines Baches. Mittelst einiger geschickt vertheilter großer Steine schafft er sich einen
kleinen Wasserfall, dessen Geplätscher sein Vhr anheimelt. Am Ufer erhebt sich
«ine junge Kiefer, — er verbindet einige ihrer Zweige, trennt andere und beugt
sie über sein Wässerlein. Daneben xfianzt er einen Kirschbaum, — steht dieser in
voller Bliithe, so schwimmen der gute Mann und die Seinigen in Entzücken. Diese
triebe zur Natur spiegelt sich im gesammten Leben des Japaners wieder. Ihr ver-
dankt er, daß die Freude und der Geschmack an den Künsten kein Vorrecht der
Wohlhabenden, sondern ein Gemeingut Aller ist. wer zu arm ist, seine Hütte mit
Kunstwerken zu schmücken, weiß sich doch zu entschädigen, indem er mit dein Auge
und Herzen eines Künstlers seinen blühenden Kirschbaum, seine kleine Kiefer und
'seinen Wasserfall betrachtet, oder wenn ihm diese versagt sind, sich am Anblick des
Straußes von Feldblumen oder des blühenden Zweiges erquickt, die er in seinem
Wassereimer neben sich gestellt oder in einem geflochtenen Korbe an die Wand ge-
ilängt hat. Frische Blumen gehören in Japan zur Lebensnothdurft auch des
Aermsten." (Brinckmann, Kunst und Handwerk in Japan.)
Die japanesische Wohnung in ihrer nationalen Reinheit kennt keinen dauernden
2chmuck durch große Ziervasen, sie erhält dafür aber einen eigenartigen und wechsel-
vollen Reiz durch die zeitweilige Aufstellung gefüllter Blnmenvasen, Nsnu-ilca,
sei es aus Anlaß eines der großen fünf Feste des Jahres, deren jedes durch ihm
Mgeeignete Pflanzen ausgezeichnet wird, sei es zur Verherrlichung eines der Kami,
welche die Familie als Schutzgötter des Hauses verehrt, sei es aus Anlaß der Feste,
welche zu Ehren der Ahnen, oder bei wichtigen Lebensabschnitten des Heranwachsen-
den Geschlechtes gefeiert werden, sei es zu gefälligem Empfange eines Gastes.
Für diese Blumenvasen hat die Phantasie der Lrzgießer, der Thonbildner,
der Holzschnitzer und der Korbflechter eine Welt von Formen geschaffen, in denen
sich der ganze Notivcnreichthum des japanischen Kunsthandwerks wiederspiegelt.
Für die Ausstattung der Wohnung ist hier noch bemerkenswerth, daß die kunst-
gerecht gefüllten Blumenvasen ihren Platz je nach dem Anlaß auf dem erhöhten
Boden des ll'olosiiorns., vor dem in keinen: Hause fehlenden kleinen Götterschrein,
ouf einem den Göttern geweihten Speisetischchen, oder frei inmitten des Zimmers
ouf den Matten finden.
Eigenartig und für uns Europäer nachahmenswerth, sind die vielen Arten
ampelartig frei an einem Balken, und die an einem der Zimmerpfosten, zumeist
dem Pfosten zwischen ll'olcorroras und LllaiZLi-clnrig. aufgehängten Vasen und
Aörbe. In Gestalt des IIsskirs.-lrol<ri8Ki, einer länglichen, mit Lackmalerei oder
flachem Schnitzwerk schön verzierten Tafel, an welcher die Haken zum Aufhängen
Blumenbehälters sitzen, wird der Hängevase bisweilen ein besonderer Hinter-
grund gegeben. Auch Blumentöpfe aus weißem, blaubemalten Porzellan mit
lebenden Pflanzen, sowie flache Becken mit Liliput-Gärtchen und Landschaften, dienen
als Schmuck der Wohnräume und Veranden.
Mit dieser Abschweifung in den äußersten Osten wollen wir unser Thema
beschließen. Wir sahen, daß überall, wo eine Kultur einen vernunftgemäßen har-
monischen Abschluß fand, auch die Blumenpflege hoch entwickelt war. Wo eine
Kultur in falsche Bahnen einlief, nimmt die Freude an den natürlichen Kindern
der Flora ab, man greift zu unnatürlichem Sport oder versenkt sich in sentimentale
unwürdige Träumerei. Auf dem Lande, wo man weder für das Eine noch das
Andere Zeit hatte, blieb der Verlauf dieser Kultur in regelmäßigen Zeiten auch
ein regelmäßiger und wie in vielen anderen Dingen — in Schmuck, Tracht und
Einrichtung, bietet uns unsere ländliche Bevölkerung auch in der Blumenxflege
nutzbare Traditionen.
Wenn wir unsere heutige Blumenliebhabers im Licht der Geschichte betrachten,
so haben wir Grund, darauf stolz zu sein: auch sie zeigt uns, daß unsere Kultur-
entwickelung auf dem rechten Wege sich befindet und Eicero wird auch bei uns
Recht behalten: die Freude am Schönen und an edler Umgebung veredelt das
Herz und bringt edle Gedanken zur Reife. „Bayer. Gewerbe-Zeitung."
Das Kolorit der Taprth als Grundton der Fardenhsrmonie
dei der Dekorirnnn der, Wohnräume.
Im Allgemeinen ist immer noch bei Tapezierern und im Publikum die Mei-
nung sehr verbreitet, daß der in den Zimmern liegende „Teppich" als Grundton
zur weiteren Dekorirung der Wohnräume angenommen werden müsse. Das ist ein
ganz falscher Standpunkt. Die Farbe der Tapete ist es, welche das Auge des
Hereintretenden oder des Bewohners zuerst und am Meisten gefangen nimmt, schon
deßhalb, da die Wandbekleidungen in der Höhe des Auges liegen und die Tapeten
den weitaus größten Theil des Zimmers ausfüllen, während der Teppich ungefähr
ein viertel des von der Tapete eingenommenen Raumes bedeckt und außerdem auch
noch mehr oder weniger Möbel auf jenem stehen.
Die Dekoration eines Zimmers, was Teppich, Polstermöbel, Gardinen, Por-
tieren rc. anbetrifft, muß mit der Tapete Harmoniken und letztere muß den Grundton
der Zimmerfarben bilden, soll der Raum künstlerisch geschmückt sein. Darum müßte
auch der Tapezierer der erste Kunsthandwerker sein, der von einen: neugebauten
Hause oder einer einzurichtenden Wohnung Besitz nimmt. Die Tapete soll der
Schlüssel zur übrigen Dekoration sein. Nehmen wir beispielsweise einen Speisesaal
an, in den: der Dekoratör große Fruchtbilder an den Wänden angebracht hat, bei
denen tiefrothe und -blaue Farben vorherrschend sind, so könnten der Teppich, die
Gardinen und Portieren in blauem Sammt ausgeführt sein, die durch Silber-
bordüren gehoben werden, während die Möbel, welche gewöhnlich in schwerem
Eichenholz ausgeführt sind, dann mit einem Leder überzogen sein müssen, das die
röthliche Farbe der Fruchtbilder zeigt. Durch eine solche naturgemäße Harmonie
der Farben wird jeder Raum warm, behaglich, würdig und dem Auge angenehm.
Angenommen, der Tapezierer hätte ein Empfangszimmer neu zu dckoriren,
für das die Polstermöbel mit Seidenbrokat, Genre Ludwig XVI-, schon vorhanden
wären, so müßte er eine Knnsttapete in derselben Art, also ein Brokatmustcr in
der gleichen Farbennüancirung auswählen und die verschiedenen Verhänge ebenfalls
passend dazu aussuchen. Sollte er aber vielleicht eine solche Tapete nicht fertig
vorfinden, so muß er dieselbe, will er Anspruch erheben, ein wirklicher Dekoratör
zu sein, bestellen.
Elektrischer Treppenkelteiger.
Die Benutzung der Elektrizität in allen ihren Gestalten dringt unaufhaltsam
in die Mittelpunkte der Bevölkerungsstätten ein. Linen sehr hohen Rang in der
Anwendung dieser Kraft für das Haus nimmt wohl nach einer amerik. Zeitschrift
der sogenannte „elektrische Treppenbesteiger"
von dem Franzosen Amiot ein. Der der
Ausführung desselben zu Grunde liegende
Gedanke ist ein vollkommen origineller,
denn er weicht von den: Typus der be-
kannten hydraulischen und auch elektrischen
Aufzüge vollständig ab. Der elektrische
Treppenbesteiger besteht im Wesentlichen
aus einem Gestell, das auf 2 übereinander
liegenden, an das Treppengeländer ange-
nieteten Schienen rollt, und einer elektri-
schen Aufwind-Vorrichtung, welche das
Wagengestell durch ein über Rollen ge-
führtes Stahlseil in Bewegung setzt. Mit
dem Gestell ist der Fahrstuhl verbunden,
der auf allen Seiten, außer der Linsteig-
seite, geschlossen ist, also dem Ein- und
Aussteigenden einen festen Anhaltspunkt
bietet. Für den beinahe unmöglichen Fall
eines Bruches des Stahlseiles, das eine
Zugfestigkeit von t^ooo Pfund hat, ist
überdies eine Excenter-Bremse vorgesehen, welche den Aufzug auf jeder Treppen-
stufe hemmen kann. Die großen vortheile dieser Erfindung sind einleuchtend.
Erstens werden die wohl selten vorkommenden, aber dann immer schweren Unglücks-
fälle bei der Benutzung von Elevatoren, die, wie die Eisenbahnnnfälle, eine stehende
Rubrik bilden, gänzlich vermieden; dann nimmt der Treppenbesteiger den kleinen
Raum von ca. ;2 Zoll Breite von der Treppe ein, während die Unterbringung der
Aufzüge mit ihren breiten Wagen in den Treppenhäusern in den meisten Fällen die
Treppenpassage auf das Empfindlichste verengt. Endlich ist das Sicherheitsgefühl,
das der „Treppenbesteiger" bietet, ein absolutes, gegenüber der Unbehaglichkeit, sich
in einen Elevator einzuschließen, bei dem unglückliche Zufälle nicht außer dem
Bereich jeder Möglichkeit liege::.
5eite 65.
April-kfeft.
die bäuerlichen Ansichten und Darstellungen wurden in den höchsten ^
Areisen Mode. Die Schäfersxiele kamen, Myrtill und Lhloe seufzten wie klagende
Turteltauben an allen Orten und die Königin Marie Antoinette kleidete sich als !
Bäuerin auf ihrem Landhof Trianon. Diese Ueberschwänglichkeit theilte nun
Wieder das Landvolk nicht und that gut daran.
Wir haben oben von dem Einfluß Asiens auf unseren Blumenkultus gesprochen.
Dieser Einfluß ging zuerst von Persien, dem Nelkenlande, aus und blieb in mehr
als einer Beziehung nachhaltig. — Im Gegensatz zum Abendlande liebt der (Orientale
seine Blumen nicht in Büscheln, sondern einzeln in Vasen gesteckt. Er sucht auch
ber abgebrochenen Blume möglichst lange nicht blos ein frisches Leben, sondern
auch die Individualität zu bewahren. Die persischen Blnmenvasen sind deßhalb
eigener Art, die sich von der unserigen sehr unterscheidet. In Europa war es vor
Allem Holland, welches mit Asien in nächste Berührung kam. Ob die Nachbildung
ber persischen Vasen in Holland blos eine künstlerische Marotte war, oder ob sie
mit der Vorliebe für einzelne Blumenspezies zusammenhängt, oder umgekehrt —
-genug, die vielkelchige Blumenvase wird in Holland allgemein beliebt und das
Vorbild für die süddeutschen Fayencekünstler. — Endlich greift auch die Blumen-
Dase auf den Eßtisch über, verbindet sich mit dem Tafelaufsatz und beherrscht seither
<>:e festlichen Gedecke. — Zu Anfang der vierziger Jahre erfanden die Franzosen
<Ue Lhampagnerbouquets, welche die kunstvollste Anordnung der Blumen gestatteten,
indem man die Blumen an lange Drähte heftete und nach Belieben aneinander-
reihte. Man bewunderte diese Bouquets, scheint aber mit richtigem Sinne von der
Vorliebe für dieselben wieder abgekommen zu sein, weil sie gegen die erste Regel
oller Schönheit, die Natürlichkeit verstoßen und an deren Stelle Zwang und Laune setzen.
Unserer Blumenliebhaberei ist in jüngster Zeit ein mächtiger Verbündeter
erwachsen in der Kultur der Japaner, und wenn sie überhaupt einer Rechtfertigung
bedurfte, so konnte sie aus dieses Volk zurückgreifen. Der Japaner zeichnet sich im
Allgemeinen durch große Reinlichkeit, ganz besonders gegenüber seinem Nachbar,
bem schmutzigen Ehinesen aus. Diese Reinlichkeit hat eine gewisse Begründung
in der Schintoreligion, welche die Geburt des Menschen als eine Verunreinigung
ber Seele betrachtet, aus der sie durch penible Reinhaltung des Körpers allmählig ^
befreit wird. Mit diesem ausgesprochenen Naturgefllhl für Reinlichkeit hängt auch I
bas Naturgefühl überhaupt und die Vorliebe für Blumen zusammen.
Ein Iapanreisender der neuesten Zeit spricht sich folgendermaßen aus: „In
Europa bedarf das Gefühl des Schönen der Entwickelung durch Unterweisung.
Unsere europäischen Bauern reden von der Fruchtbarkeit der Felder, von dem Ueber-
schuß der Mühlen treibenden Wasser, vom Nutzen der Wälder, — aber nicht von
ben malerischen Reizen der Gegend. Sie sind nicht gefühllos gegen dieselben, aber
sie empfinden Angesichts ihrer doch nur eine unbestimmte Befriedigung, von der sie
sich keine Rechenschaft geben. Wie anders der japanesische Lauer. Ihm ist das
Gefühl für das Schöne angeboren. Kann er es, so baut er seine Hütte am Rande
eines Baches. Mittelst einiger geschickt vertheilter großer Steine schafft er sich einen
kleinen Wasserfall, dessen Geplätscher sein Vhr anheimelt. Am Ufer erhebt sich
«ine junge Kiefer, — er verbindet einige ihrer Zweige, trennt andere und beugt
sie über sein Wässerlein. Daneben xfianzt er einen Kirschbaum, — steht dieser in
voller Bliithe, so schwimmen der gute Mann und die Seinigen in Entzücken. Diese
triebe zur Natur spiegelt sich im gesammten Leben des Japaners wieder. Ihr ver-
dankt er, daß die Freude und der Geschmack an den Künsten kein Vorrecht der
Wohlhabenden, sondern ein Gemeingut Aller ist. wer zu arm ist, seine Hütte mit
Kunstwerken zu schmücken, weiß sich doch zu entschädigen, indem er mit dein Auge
und Herzen eines Künstlers seinen blühenden Kirschbaum, seine kleine Kiefer und
'seinen Wasserfall betrachtet, oder wenn ihm diese versagt sind, sich am Anblick des
Straußes von Feldblumen oder des blühenden Zweiges erquickt, die er in seinem
Wassereimer neben sich gestellt oder in einem geflochtenen Korbe an die Wand ge-
ilängt hat. Frische Blumen gehören in Japan zur Lebensnothdurft auch des
Aermsten." (Brinckmann, Kunst und Handwerk in Japan.)
Die japanesische Wohnung in ihrer nationalen Reinheit kennt keinen dauernden
2chmuck durch große Ziervasen, sie erhält dafür aber einen eigenartigen und wechsel-
vollen Reiz durch die zeitweilige Aufstellung gefüllter Blnmenvasen, Nsnu-ilca,
sei es aus Anlaß eines der großen fünf Feste des Jahres, deren jedes durch ihm
Mgeeignete Pflanzen ausgezeichnet wird, sei es zur Verherrlichung eines der Kami,
welche die Familie als Schutzgötter des Hauses verehrt, sei es aus Anlaß der Feste,
welche zu Ehren der Ahnen, oder bei wichtigen Lebensabschnitten des Heranwachsen-
den Geschlechtes gefeiert werden, sei es zu gefälligem Empfange eines Gastes.
Für diese Blumenvasen hat die Phantasie der Lrzgießer, der Thonbildner,
der Holzschnitzer und der Korbflechter eine Welt von Formen geschaffen, in denen
sich der ganze Notivcnreichthum des japanischen Kunsthandwerks wiederspiegelt.
Für die Ausstattung der Wohnung ist hier noch bemerkenswerth, daß die kunst-
gerecht gefüllten Blumenvasen ihren Platz je nach dem Anlaß auf dem erhöhten
Boden des ll'olosiiorns., vor dem in keinen: Hause fehlenden kleinen Götterschrein,
ouf einem den Göttern geweihten Speisetischchen, oder frei inmitten des Zimmers
ouf den Matten finden.
Eigenartig und für uns Europäer nachahmenswerth, sind die vielen Arten
ampelartig frei an einem Balken, und die an einem der Zimmerpfosten, zumeist
dem Pfosten zwischen ll'olcorroras und LllaiZLi-clnrig. aufgehängten Vasen und
Aörbe. In Gestalt des IIsskirs.-lrol<ri8Ki, einer länglichen, mit Lackmalerei oder
flachem Schnitzwerk schön verzierten Tafel, an welcher die Haken zum Aufhängen
Blumenbehälters sitzen, wird der Hängevase bisweilen ein besonderer Hinter-
grund gegeben. Auch Blumentöpfe aus weißem, blaubemalten Porzellan mit
lebenden Pflanzen, sowie flache Becken mit Liliput-Gärtchen und Landschaften, dienen
als Schmuck der Wohnräume und Veranden.
Mit dieser Abschweifung in den äußersten Osten wollen wir unser Thema
beschließen. Wir sahen, daß überall, wo eine Kultur einen vernunftgemäßen har-
monischen Abschluß fand, auch die Blumenpflege hoch entwickelt war. Wo eine
Kultur in falsche Bahnen einlief, nimmt die Freude an den natürlichen Kindern
der Flora ab, man greift zu unnatürlichem Sport oder versenkt sich in sentimentale
unwürdige Träumerei. Auf dem Lande, wo man weder für das Eine noch das
Andere Zeit hatte, blieb der Verlauf dieser Kultur in regelmäßigen Zeiten auch
ein regelmäßiger und wie in vielen anderen Dingen — in Schmuck, Tracht und
Einrichtung, bietet uns unsere ländliche Bevölkerung auch in der Blumenxflege
nutzbare Traditionen.
Wenn wir unsere heutige Blumenliebhabers im Licht der Geschichte betrachten,
so haben wir Grund, darauf stolz zu sein: auch sie zeigt uns, daß unsere Kultur-
entwickelung auf dem rechten Wege sich befindet und Eicero wird auch bei uns
Recht behalten: die Freude am Schönen und an edler Umgebung veredelt das
Herz und bringt edle Gedanken zur Reife. „Bayer. Gewerbe-Zeitung."
Das Kolorit der Taprth als Grundton der Fardenhsrmonie
dei der Dekorirnnn der, Wohnräume.
Im Allgemeinen ist immer noch bei Tapezierern und im Publikum die Mei-
nung sehr verbreitet, daß der in den Zimmern liegende „Teppich" als Grundton
zur weiteren Dekorirung der Wohnräume angenommen werden müsse. Das ist ein
ganz falscher Standpunkt. Die Farbe der Tapete ist es, welche das Auge des
Hereintretenden oder des Bewohners zuerst und am Meisten gefangen nimmt, schon
deßhalb, da die Wandbekleidungen in der Höhe des Auges liegen und die Tapeten
den weitaus größten Theil des Zimmers ausfüllen, während der Teppich ungefähr
ein viertel des von der Tapete eingenommenen Raumes bedeckt und außerdem auch
noch mehr oder weniger Möbel auf jenem stehen.
Die Dekoration eines Zimmers, was Teppich, Polstermöbel, Gardinen, Por-
tieren rc. anbetrifft, muß mit der Tapete Harmoniken und letztere muß den Grundton
der Zimmerfarben bilden, soll der Raum künstlerisch geschmückt sein. Darum müßte
auch der Tapezierer der erste Kunsthandwerker sein, der von einen: neugebauten
Hause oder einer einzurichtenden Wohnung Besitz nimmt. Die Tapete soll der
Schlüssel zur übrigen Dekoration sein. Nehmen wir beispielsweise einen Speisesaal
an, in den: der Dekoratör große Fruchtbilder an den Wänden angebracht hat, bei
denen tiefrothe und -blaue Farben vorherrschend sind, so könnten der Teppich, die
Gardinen und Portieren in blauem Sammt ausgeführt sein, die durch Silber-
bordüren gehoben werden, während die Möbel, welche gewöhnlich in schwerem
Eichenholz ausgeführt sind, dann mit einem Leder überzogen sein müssen, das die
röthliche Farbe der Fruchtbilder zeigt. Durch eine solche naturgemäße Harmonie
der Farben wird jeder Raum warm, behaglich, würdig und dem Auge angenehm.
Angenommen, der Tapezierer hätte ein Empfangszimmer neu zu dckoriren,
für das die Polstermöbel mit Seidenbrokat, Genre Ludwig XVI-, schon vorhanden
wären, so müßte er eine Knnsttapete in derselben Art, also ein Brokatmustcr in
der gleichen Farbennüancirung auswählen und die verschiedenen Verhänge ebenfalls
passend dazu aussuchen. Sollte er aber vielleicht eine solche Tapete nicht fertig
vorfinden, so muß er dieselbe, will er Anspruch erheben, ein wirklicher Dekoratör
zu sein, bestellen.
Elektrischer Treppenkelteiger.
Die Benutzung der Elektrizität in allen ihren Gestalten dringt unaufhaltsam
in die Mittelpunkte der Bevölkerungsstätten ein. Linen sehr hohen Rang in der
Anwendung dieser Kraft für das Haus nimmt wohl nach einer amerik. Zeitschrift
der sogenannte „elektrische Treppenbesteiger"
von dem Franzosen Amiot ein. Der der
Ausführung desselben zu Grunde liegende
Gedanke ist ein vollkommen origineller,
denn er weicht von den: Typus der be-
kannten hydraulischen und auch elektrischen
Aufzüge vollständig ab. Der elektrische
Treppenbesteiger besteht im Wesentlichen
aus einem Gestell, das auf 2 übereinander
liegenden, an das Treppengeländer ange-
nieteten Schienen rollt, und einer elektri-
schen Aufwind-Vorrichtung, welche das
Wagengestell durch ein über Rollen ge-
führtes Stahlseil in Bewegung setzt. Mit
dem Gestell ist der Fahrstuhl verbunden,
der auf allen Seiten, außer der Linsteig-
seite, geschlossen ist, also dem Ein- und
Aussteigenden einen festen Anhaltspunkt
bietet. Für den beinahe unmöglichen Fall
eines Bruches des Stahlseiles, das eine
Zugfestigkeit von t^ooo Pfund hat, ist
überdies eine Excenter-Bremse vorgesehen, welche den Aufzug auf jeder Treppen-
stufe hemmen kann. Die großen vortheile dieser Erfindung sind einleuchtend.
Erstens werden die wohl selten vorkommenden, aber dann immer schweren Unglücks-
fälle bei der Benutzung von Elevatoren, die, wie die Eisenbahnnnfälle, eine stehende
Rubrik bilden, gänzlich vermieden; dann nimmt der Treppenbesteiger den kleinen
Raum von ca. ;2 Zoll Breite von der Treppe ein, während die Unterbringung der
Aufzüge mit ihren breiten Wagen in den Treppenhäusern in den meisten Fällen die
Treppenpassage auf das Empfindlichste verengt. Endlich ist das Sicherheitsgefühl,
das der „Treppenbesteiger" bietet, ein absolutes, gegenüber der Unbehaglichkeit, sich
in einen Elevator einzuschließen, bei dem unglückliche Zufälle nicht außer dem
Bereich jeder Möglichkeit liege::.