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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 3.1892

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Becker, Hermann: Fälschungen von Kunstgegenständen und Erzeugnissen des Kunstgewerbes, [1]
DOI Artikel:
Auf den Pariser großen Boulevards, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6760#0227

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Leite s80.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Oktober-Heft.

gezwungen find, alte Gegenstände nachzuahmen, weil sie für die Ar-
beiten, die unter ihrem eigenen Namen gehen, keine Abnehmer finden.
Ist es nicht geradezu albern, lieber nachgeahmte alte, als echte neue
Arbeiten von der Hand eines und desselben Meisters zu wollen? Aber
das Nachdenken ist nicht Lache eines jeden
Menschen, denn sonst müßten die eingefleischten
Alterthumsschwärmer sich doch endlich die Frage
vorlegen, „wo kommen denn die alten Aunst-
gegenstände alle her?" sie wachsen weder auf
den Bäumen, noch in der Erde, müßten also
folgerichtig endlich in festen Besitz übergehen
und aus dem Handel verschwinden. Dies ge-
schieht aber nicht, vielmehr nimmt die Masse
derselben täglich zu. Köln, München und Nürn-
berg fabriziren hauptsächlich neue alte Möbel;

München und Nürnberg neue alte Massen,

Gobelins und Metallgefäße; auch Hanau soll
in letzterem Artikel großen Umsatz haben.

Dresden liefert vom Zahn der Zeit angenagte
neue Elfenbeinschnitzereien, welche nach Munsch
entweder aus der Zeit des Aaisers Iustinian
oder aus der Epoche August des Ltarken, des
Volksbeglückers, stammen. Altitalienische Majo-
liken von della Robbia werden massenhaft in
Deutschland angefertigt und sind im Handel
billiger, wie die von dem Italiener Ginori her-
gestellten, weil Fracht und Zoll bei den deutschen
italienischen Majoliken weniger ins Gewicht
fallen. Lollen wir auch noch von den gefälschten
alten Lchmucksachen reden, welche von den
Hauptmärkten Wiesbaden, Frankfurt a. M.,

Homburg v. d. Höhe, Wien und Paris durch
„kunst lieb ende" Engländer und Amerikaner
in die Heimath verschleppt werden? Ach nein,
es würde zu weit führen und manchem braven
Aunstsreunde Aerger bereiten, was gar nicht von mir beabsichtigt wird.
Reden wir also von einer anderen Art der Aunstpflege!

Vorher wurde schon erwähnt, daß es gegenwärtig Modesache sei,
alte oder neue Aunstwerke zu sammeln. Allerdings geschah dies auch

früher, aber nicht in dem Maße wie heute. Lange Jahre hat man
in Büchern und Zeitschriften daraus hingewiesen, daß die Eivilisation
eines Volkes berechnet werden kann nach der pflege, die es Aunst und
Wissenschaft angedeihen läßt.. Endlich brach sich diese Ansicht siegreiche
Bahn und die staatlichen Behörden gaben sich
redliche Mühe, die Museen und Gallerien zu
vervollständigen. Aunstgelehrte und Lammler
— ich meine hier die wirklich sachverständigen —
und hauptsächlich Aunsthändler, haben diese
Ltrömung stets in Fluß gehalten. Erstere aus
wissenschaftlichem Interesse oder Liebhaberei,
die Aunsthändler des Geschäftes wegen. Daß
sich die Aunstpflege hauptsächlich den Werken
vergangener Zeiten zuwandte, schien geboten in
Rücksicht auf Aunst- und Aulturgeschichte, we-
niger nothwendig war der Umstand, daß die
Zunft der Aunsthändler die Preise für alte Ge-
mälde in einer Weise zu steigern wußte, welche
viel Aehnlichkeit hat mit dem Tulpenzwiebel-
schwindel der alten Holländer des XVII. Iahrh.

Mit der vermehrten Nachfrage nach alten
Bildern mußte natürlich der Preis steigen, denn
das Angebot wirklich echter alter Gemälde ge-
nügte eigentlich niemals der Nachfrage. Die
Preise wuchsen aber erst ins Ungeheure, als
die amerikanischen Millionäre plötzlich das Be-
dürfniß fühlten, gleichfalls Lammlungen alter
Gemälde zu besitzen, und zu diesem Zwecke
ihren Agenten Geldmittel zur Verfügung stellten,
welche die exorbitantesten Forderungen gerecht-
fertigt erscheinen ließen. Diese Manie hatte
komische und böse Folgen. Aomisch waren
entschieden die „Ahnengallerien", welche ehr-
geizige Amerikaner in Deutschland aus allen
möglichen alten Portraits zusammenstellen ließen,
um dadurch das Alter ihrer Familien zu beweisen. Die schlimme Folge
war das Fälschen alter Bilder, welches zwar auch im vorigen Jahr-
hundert schon bekannt war, aber in unserer Zeit ganz besonders zur
Blüthe kam. Findige Aöpfe fanden bald heraus, daß es weit leichter

Abbildg. Nr. HZ?. Beleuchtungs-Krone in Bronze.

Muf den Parisers grossen

sind auch zur Aufixrhme von Vasen oder Figuren be-
stimmte Marmorsäulen, um die sich metallene Aetten schlingen,
die, in Quasten endend, Herabfallen, sowie andere aus ver-
schiedenfarbigem Marmor, die in der Mitte ein gemaltes Medaillon
in sehr matten Nuancen aufweisen.

Ein Blumengeschäft ist es, in dem wir nun einen Gegenstand er-
blicken, der ein Zimmer ganz außerordentlich verschönen muß. Der-
selbe besteht in einem wohl 2 Fuß hohen Ei, das aus weißem Tüll
hergestellt ist und auf einem niedrigen Untersatz aus vergoldetem Bambus-
holz ruht. Durch die Falten des Tüll schimmern Blumen hervor:
Rosen, dunkelfarbige, leuchtende Orchideen, gelbe Marguerites und
grüne Blätter und werden auch hier und da einmal vollständig sichtbar.
Lehr große, weiße Lchleifen aus breitem Leidenband bilden oben und
unten den Abschluß. Wollte man stets frische Blumen dazu verwenden,
so würde dies allerdings eine recht kostspielige Ausschmückung werden,
nicht nur allein der Blumen wegen, sondern weil nur sehr geschickte
Hände dieselben wohl geeignet zu arrangiren verstehen, aber auch feine
künstliche müßten sich so ganz reizend machen und manche unserer kunst-
fertigen deutschen Frauen ist wohl selbst im Stande, ein solches Ei,
vielleicht in kleinerem Maßstabe, zu fertigen.

Für die Damen sind auch zwei Artikel bestimmt, welche wir,
immer noch nur den einen Boulevard hinunter wandernd, jetzt erblicken.
Es sind dies ein Näh- und ein Schreibtisch. Der erstere im Rokoko-
genre zeigt eine Platte in Form eines Aleeblattes, die vollständig ver-
goldet ist, aber mit einem sehr matten, dunklen Gold. In der Mitte
jedoch trägt sie eine Malerei, die natürlich einen Herrn und eine Dame

im Watteaukostüme darstellt. Schöner ist der Schreibtisch im Stile des
Empire. Aus dem damals so beliebten Rosenholz rundet und vertieft
sich die Rückwand desselben nach innen und ist von lauter kleinen Schub-
laden ausgefüllt, die jede nur einen ganz winzigen Anopf tragen, so
daß es erscheint, als ob die Wand mit ebensoviel zierlich gearbeiteten
goldenen Nägeln verziert wäre. Oben in der Mitte, nicht darausge-
stellt, was gar nicht möglich, da die Rückwand zu schmal dazu wäre,
sondern sestgemacht, erhebt sich eine dunkelgrüne Marmorkugel, an der
eine Frauengestalt aus Goldbronze lehnt und die oben eine Blumenvase
trägt. An beiden Seiten, wo die Wand mit dem Tisch zusammentrifft,
erheben sich zwei goldbronzene Armleuchter, die wie aus am Schreib-
tisch angebrachten Blüthen hervorzuwachsen scheinen.

Ein prachtvolles Magazin für Lampen ist es, das wir jetzt be-
suchen, und welch eine Fülle der schönsten Dekorationsstücke, die doch
zugleich einen nützlichen Zweck haben, finden wir da! Unser erster
Blick gilt wohl den Lampen in japanischer Manier ihrer kunstvollen
Ausführung und bunten Farben wegen. Nur eine aus all den vielen
will ich hier beschreiben. Dieselbe, wohl mannshoch, ruht aus einem
breiten, ganz niedrigen Untersatz, der aus Begonien in den verschie-
densten Arten besteht. Ein großes Thier, gleich einem Pelikan, steht
zwischen den Schiefblättern und um ihn herum winden sich Zweige
und wachsen neben ihm empor, die Orchideen in allen nur denkbaren
Farben tragen, hier leuchtend roth, dort mattgelb und eigenthümlich
punktirt, weiß, weiß und blau, grün rc., eine Fülle von Blumen, die
lose von den Zweigen herabhängen, von denen der Vogel einen sin
Schnabel hält, die aber weiter und weiter gehen, sodaß er mitten in
dem Blüthengewirr steht. Oben vereinigen sich schließlich die Zweige
und tragen einen großen Aelch, der das Bassin der Lampe bildet, die
nicht mit einer Glocke, sondern nur mit einem großen Lampenschirm
 
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