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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 3.1892

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Falke, Jacob von: Die Moderne Möbelindustrie nach ihren nationalen Unterschieden, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6760#0066

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März-Heft.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Seite

^ie modern^ nach ihren nationalen

Von I. v. Falke.

(Schluß ans dem ersten Bogen.)

Aas aber für die österreichische und die deutsche Möbelindustrie
karakteristisch ist, was sich dieselbe in eigener Initiative,
nach eigenem Geschmack geschaffen hat, das ist das
Mobiliar in den Stilarten der Renaissance, von der Früh
renaissance an bis hinein in die Barocke, welche heute wieder
mehr und mehr vor den strengeren
konstruktiven Formen an Boden
gewinnt, wenigstens in Mester-
reich. — Bekanntlich begann die
Reform in der Kunstindustrie mit
dem Hinweis aus die Renaissance,
so wenigstens aus dem Kontinent,
während England, das den An-
stoß gegeben hatte, seine eigenen
Wege ging. In Wien, wo die
Kunstindustrie unter Führung des
österreichischen Museums und
seiner Kunstgewerbeschule zuerst
die Fahne der Renaissance aus-
pflanzte, fühlte man sich im
Geiste und im Schönheitsgefühl
zu sehr der italienischen Art ver-
wandt, um nicht gerade diese
zu studiren, zu lieben und zum
Vorbild zu nehmen. Als Deutsch-
land dem Beispiele folgte, war
es gerade in der Epoche der
Liege, in welcher ein neu ent-
zündeter sdatriotismus auch einen
eigenen Kunststil, einen spezifisch
deutschen verlangte. Das Vor-
bild für einen solchen fand sich
in der deutschen Richtung der
Renaissance, welche allerdings
besondere und eigenthümliche
Züge angenommen hatte. Diese
karakteristischen Züge beruhten
aber nicht blos auf dem Unter-
schiede des deutschen und des
italienischen Karakters, sondern
auch daraus, daß die deutsche
Renaissance der italienischen zeit-
lich gefolgt war und somit einer
späteren Epoche der allgemeinen
Kunstentwicklung im sechszehnten
Jahrhundert angehörte. — Bei
dieser Sachlage bestehen nun die
Unterschiede zwischen der öster-
reichischen, speziell der Wiener
Möbelindustrie, welche allein in
Desterreich die Führung hat, und
derjenigen in Deutschland, soweit
eben beide der Renaissance an-
Sehören, in Folgendem. Die italienischen^Möbel der Renaissance, welche
den Wiener Künstlern zum Vorbild dienten, sind streng in der Kon-
struktion, maßvoll in den Profilen, bescheiden im geschnitzten Mrnament,
vielfach auf den Flächen mit Intarsien verziert, während die Zeichnung
der Verzierungen, sowohl derjenigen in Relief wie der Intarsien, sich

* Abbildung Nr. z;z. Rausthür im Varvrlistil. Siehe Beschreibung.

an die von der Antike angeregte Arabesken- oder Grotesken-Dekoration
anlehnt. Es ist im ganze» Karakter dieses Mobiliars — wir haben
besonders die Kasten, Schränke, Truhen und dergleichen im
Auge — weises Maß und edle Schönheit vorhanden, welche sich
Sitzmöbeln, den Bänken wie den Sesseln mittheilte.

Später, in der Zeit der Barocke,
wurde freilich diese Maßhaltig-
keit verlassen, die Profile wurden
verstärkt, die Intarsien zum Theil
aufgegeben, das Reliefornament
frei entworfen und weit und tief
herausgearbeitet. Diese Gegen-
stände aber waren es nicht, welche
von der Reform der österreichi-
schen Möbelindustrie zum Muster
genommen wurden. Die Wiener-
Möbel, wie sie damals zuerst
im Karakter der Renaissance ent-
standen, trugen daher auch durch-
gängig den maßvollen, von rei-
ner» Schönheitsgesühl gemäßig-
ten Karakter. — Anders in
Deutschland. Wie gesagt, ent-
stand hier die Bewegung für die
Renaissance etwas später und
nahm bewußt und absichtsvoll
die Richtung aus ihre deutsche
Art. Da diese später entstanden
war, also schon vorgerückter aus
dem Wege zur Barocke, so trug
sie nicht blos den mehr will-
kürlichen, mehr pittoresken Ka-
rakter, welcher auch die deutsche
Architektur dieses Zeitalters von
der italienischen unterschied, son-
dern sie neigte sich auch schon
der Barocke zu, welche gerade
in: deutschen Holzmobiliar zu
einer frühen Ausbildung gelangt
war, einer Ausbildung, welche
in dieser Richtung z. B. der
deutschen Goldschmiedekunst nur
Jahrzehnte voraus ging. In
Folge dessen tragen die aus diesen
Resormbestrebungen hevorge-
gangenen deutschen, sogen, alt-
deutschen Möbel einen weit
schwereren, auch reicheren Ka-
rakter als die Wiener Arbeiten.
Sie sind reicher gegliedert, haben
viel mehr junnöthige) Ansätze,
Absätze, Ecken und Knäufe und
was^ dergleichen inehr ist, sie
treten weiter heraus in den Profilen, in den Reliefornamenten und be-
vorzugen das Relief vor der Intarsia. Man kann ihnen daher im
Allgenreinen wohl den Vorwurf machen, daß sie des Guten zuviel thun,
daß sie an Unbeweglichkeit, an Schwere und Ucberladung leiden; man
muß aber zugeben, daß hier ein eigenes und eigenthümliches Genre
 
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