Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 3.1892

DOI Artikel:
Hornig, Fr.: Der Nipptisch und seine Bevölkerung
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.6760#0232

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Oktober-Heft.

Zllustr. kun st gewerkt. Zeitschrift für Znnen-Dekoration.

5eite (83.

den Nipxtisch der Herren der Schöpfung treten mehr die Netallwaaren in den
Vordergrund, welche in allen erdenklichen Formen Aschenbecher, Ligarrenhalter,
Tabakskästchen, Kartenteller, Luxus-Briefbeschwerer usw. darstellen, — alles Gegen-
stände, die nicht zum praktischen Gebrauch geschaffen find, sondern einzig zu dem
Zwecke, auf einem Nipptische zu paradiren. Sehr gut eignen sich auch Elfenbein-
figürchen zur Verzierung des Nipptisches; je werth- und kunstvoller aber die Gegen-
stände, desto weniger dürfen ihrer nebeneinander stehen, sonst stellen sie sich gegen-
seitig in den Schatten. Auch Statuetten aus dem neuerdings so beliebt gewordenen
Marmelith sind zu gleichem Zwecke verwendbar. Auf hellfarbigem Seidenplüsch-
Deckchen stehend, von ein paar Porzellangegenständen in Rokoko-Karakter stankirt,
macht dies Arrangement einen sehr hübschen Eindruck. Kleine Sträuße nach Makart-
Manier können, wenn das Zimmer nicht hell gehalten, ebenfalls Plazirung finden,
sonst aber sind farbige Blumen (von Porzellan oder Papier) zu bevorzugen.

Den Liebhaberkünsten ist in den Nippsachen ein weiter Spielraum gelassen,
und wer nur irgend zu zeichnen, malen, ätzen, modelliren usw. usw. versteht, der
kann sich seinen Nipptisch ganz nach eigenem Ermessen dekoriren! Erwähnt sei
noch, daß für stilechte Zimmer, wie z. B. in Renaissance gehaltene, auch die „Be-
völkerung" des Nipptisches einen entsprechenden Karakter tragen muß; wenigstens
sind Gegenstände, wie z. B. Vasen und Schalen, in Rokoko- oder Barock-Stil zu

^er Mipptisch und seine Bevölkerung.

von F. Hornig.


'er Titel versetzt uns in das zarte Boudoir eines holden weiblichen
Wesens oder auch in das Kabinet eines verwöhnten jungen Mannes,
der vom Ernst des Lebens noch nicht derart erfaßt worden ist, daß er
darüber die fast in jedem Menschen schlummernde Sammelwuth kleiner
„Kuriositäten", Spezialitäten, sagen wir schlankweg — kleiner Nipx-Sachen — ab-
gelegt hätte. Wie eben gesagt, gibt es in jedem Menschendasein eine Zeit, in der
er alle ihm erreichbaren zierlichen, hübschen, seltenen oder absurden kunstgewerblichen
oder wohl auch Naturprodukte zusammenträgt auf einen in seinem Zimmer eigenst
dazu bestimmten Ablageruugsxlatz — den Nipxtisch!

Solch' ein Nipptisch, auf zierlichen Füßen ruhend, leichte, graziöse Form
zeigend und möglichst nicht aus schwerem Holz (als Eiche, Nußbaum) gebaut, nimmt
sich sehr hübsch mit schachbrettähnlicher Perlmutter-Einlage der Tafelplatte aus;
auch Holzmosaik kommt sehr gut zur Geltung. Die Bemalung der Platte ist nicht
räthlich, da die Taselfläche zu sehr verdeckt wird, und auch das nur stellenweise
Hervorlugen des Bildes unschön wirkt, höchstens würde sich ein Streumuster für

Abbildungen Nr. »42. Raminschirmr. in Schmiedeeisen mit Klipfee, Blumentisch in Schmiedeeisen, vergoldet.

diesen Zweck eignen. Das Nipptischchen soll nicht mit Decken behängen sein; allen-
falls darf ein über Eck gelegtes feines Filet-Guipure, Goldspitzen- oder ähnliches
Deckchen ein Plätzchen beanspruchen, von welchem sich dann ein verhältnißmäßig
größerer Gegenstand, vielleicht eine Blumen gefüllte Schale, eine Fantasie-Statuette,
ein Fotografie-Rahmen u. dergl. wirkungsvoll abhebt. Das Fotografie-Album gehört
jedoch ebensowenig als das Buch auf den Nipptisch! Die Gegenstände müssen stets
in einem sich von selbst ergebenden Größen-verhältniß zu dem Tische und der
Platte stehen, dürfen aber beinahe ohne jegliche Begrenzung frei ausgewählt und
arrangirt werden. Auf einem Nipxtische soll nichts systematisch geordnet sein, es
soll vielmehr künstlerische Nonchalance, künstlerische Unordnung vorherrschen, aber
wohlverstanden: künstlerische! Selbst in der scheinbaren Unordnung muß das Kunst-
gesetz respektirt werden, und wie man beispielsweise neben die reizenden Wiener
Bronze-Artikel getrost ein Meißener Väschen oder ein Terracotta-Figürchen, ja selbst
eine Muschel setzen darf, so würde es andrerseits aber das Gefühl verletzen, wenn
wir einer bronzenen Amorette oder einer allegorischen weiblichen Figur einen dick-
bauchigen, kopfwackelnden Pagoden aus chinesischem Porzellan zur Nachbarschaft
geben wollte! Wohl darf ein buntes, abwechselungsreiches Durcheinander auf dem
Nipptische herrschen, aber an die vielgenannten „Kraut und Rüben" darf die Zu-
sammenstellung nie erinnern. Das Kunstgewerbe bringt unendlich viel reizende
Nippsachen auf den Markt; es sei nur auf die Porzellan- und Majolika-Waaren,
aus die Terracotten und die bereits erwähnten Bronze-Artikel hingewiesen! Für

vermeiden. Die sogenannten Bauerntischchen, welche sich allgemeiner Beliebtheit
erfreuen, tragen nicht den ureigentlichen Karakter des Nixptisches, können vielmehr
auch als Büchertisch oder Absatztischchen Verwendung finden, dagegen sind die aus
indischem oder japanischem Rohr hergestellten Tische einzig dazu bestimmt, alle die
kleinen unnützen und doch so ungern entbehrten Kleinigkeiten aufzunehmen, welche
man unter die große Kategorie der Nippsachen rechnet.

Auch der Nipptisch gehört zu den Gegenständen, welche in einem Zimmer
nur angenehmes Beiwerk bilden dürfen; er ist darum auch an bescheidener Stelle
aufzustellen, sozusagen als „Lückenbüßer", sei dies nun in einer Ecke, oder an sonst
einer Stelle, die man nicht unbesetzt lassen kann, und für welche sich nichts anderes
Passendes findet. Als Letztes aber sei noch darauf hingewiesen, daß es räthlich
ist, von Zeit zu Zeit aus der „Bevölkerung" seines Nipptisches all das auszu-
rangiren, was nicht mehr wirkungsvoll erscheint, und durch neue Erwerbungen zu
ersetzen. Hüten aber möge man sich, den Nipptisch zu überladen und vollzupfropfen,
denn sonst gleicht derselbe über kurz oder lang der Auslage eines Schaufensters oder
einer Jahrmarktsbude. Aber weder das eine, noch das andere soll der Nipptisch
seiner Bestimmung nach sein; sondern er sei ein Tischlein zur Freude Aller, so mit
kunstverständigem Auge eine Zimmereinrichtung zu beurtheilen und zu schätzen
vermögen!

„Briefkasten" und „Vücherfchau" befindet sich in der zweiten Beilage.
 
Annotationen