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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 3.1892

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Toifl, Wilhelm F.: Der Einfluß der Tapete auf die Geschmacksbildung
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Hofmann, Albert: Die französischen Holzarbeiten des XVIII. Jahrh., [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6760#0206

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5eptemberHeft.

Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Znnen-Dekoration.

5eite s6s.

Verbrauch bedeutend gefördert, denn sie bildet nicht nur den wichtigsten Bestandtheil
einer Jnnen-Dekoration, nämlich: die dekorative Bekleidung der Wände,
sondern sie erhält damit auch die hohe Aufgabe zugemessen, den Raum mit allem
darin Befindlichen harmonisch zu gestalten, und ihm jenen Reiz zu ver-
leihen, der einer wirklich schönen, geschmackvollen Ausstattung inne
wohnen soll. Vieser wohlthätige Einfluß wird sich aber mit dem immer allge-
meiner werdenden Gebrauche steigern, welchem die Tapete in der Zukunft entgegen-
schreitet, und wozu sie schon in Bezug auf ihre Billigkeit berufen erscheint.

Line gute und dabei schöne Tapete gestaltet einen wohnraum, selbst wenn
seine weitere Ausstattung keine prunkvolle ist —, und dieses ist ja mit beschränkter
Ausnahme der Hall —, zu einem stattlichen „Heim", in welchem jedes, selbst ein-
fache, bescheidene Möbel zur günstigsten Wirkung gelangt. Das Gefühl der Behag-
lichkeit ist bei dieser Art der Dekoration wesentlich gefördert, man süblt sich nicht
nur heimischer, sondern diese Behaglichkeit, dieses wohlthuende, scheinbare Abschließen
des Raumes, hervorgerusen durch ein ruhig-koloristisches Abtönen der Wandflächen,
wirkt auch auf das Gemüth beruhigender, man fühlt sich auch zufriedener. Und
es gibt wohl auch nichts Anheimelnderes, als ein geschmackvoll tapeziertes
Zimmer mit einfachen aber liebgewordenen Möbelstücken, welche Zeugen waren
von so mancher frohen, aber auch ernsten Stunde, wie sie das Hamilienleben in
seinem steten Wechsel der Zeiten und ihrer Verhältnisse mit sich bringt. Kein noch
so reich und kostbar ausgestattetes Gemach mit all jenen vielen Sachen und
Sächelchen, welche da oft im
wirren Durcheinander aufgestapelt
werden, kann sich mit so einer
behaglichen, gemüthlichen Stube
messen. Hier ist aber auch der
Grt, wo eine schöne Tapete auf
das jederzeit bildungsbedürftige
Auge des Bewohners günstige
Wirkung auszuüben berufen er-
scheint, hieran diesem Drte können
ihre guten Eigenschaften auch so
recht zur Geltung gelangen, wo
sie nicht durch so vielen Kunst-
kram gehindert ist, dem Auge
einen wohlthuenden Ruhepunkt
zu bieten. Hier ist ihre Wirkung
eine einflußreiche, andauernde,
insbesondere bei jugendlichen
Wesen eine äußerst günstige, da
gerade diese zu leicht und mit
Vorliebe Das für schön finden,
was ihrem leicht beweglichen
Sinn durch Horm und Harke
scheinbar entgegenkommt, aber
auch darum auf den Geschmack
desto verderblicher wirkt. Man
ist auch darum sehr auf falschem
Wege, wenn man Kinderstuben
so häufig mit Tapeten dekorirt,
welche eigentlich Bilderbogen und
gewöhnlich noch dazu in häßlichster
Art sind. Man findet ja sonst
allgemein den Grundsatz aufge-
stellt, daß für die Jugend das
Beste gerade gut genug sei, und
trotz alledem sieht man jene Räume,
welche für den andauerndsten Nr. H2S. Blumenmuster in Rokoko, Maschinendr.

Aufenthalt derselben bestimmt sind, AnlM-r Tapetenfabrik in Dessau,

mit den unmöglichsten Karrika-

turen beklebt, welche selbst von dem bescheidensten Bilderbuche zu Schanden gemacht
werden. — Die wand bildet doch kein Spielzeug; und wie mag das Auge des
jungen Geschöpfes sich gequält fühlen, wenn es diesen wirren Durcheinander von
bunten Alexen und sinnlosen Hormen immerfort besehen muß, wo ihm doch am
ehesten die wohlthuende Ruhe in Horm und Harbe erforderlich wäre.

Man unterschätzt auch hier, wie vielfach bei anderen Gelegenheiten den
Einfluß, welchen unsere Umgebung auf die Schulung des Geschmackes auszuüben
berufen ist, insbesondere jener, welche stabiler Natur ist, und dieser ist doch ins-
besondere die Wandtapete anzureihen, da sie keinem allzu häufigen Wechsel unter-
worfen ist, aber auch darum desto eher einer sorgfältigen Wahl unterzogen werden soll.

Leider existirt aber gerade diese Anschauung für den Aonsumenten nicht, er
richtet sich bei dieser Gelegenheit meist nach den Anpreisungen des Verkäufers oder
den nicht minder fragwürdigen Anempfehlungen des Tapezierers, welche zumeist
weniger die ästhetischen Normen ins Auge fassen, als den geschäftlichen Nutzen. —

Den größten Einfluß da auszuüben, ist darum der Habrikant selbst berufen,
und in seiner Hand ruht es, ob er sich durch Mithülfe der Kunst in die Lage ver-
setzen will, im günstigen Sinne auf das Publikum zu wirken. Dieses verlangt
nicht bestimmt Dieses oder Jenes, sondern es konsumirt in den meisten Hällen
was und wie es ihm geboten wird, ohne sich viel um die Aesthetik zu kümmern.
Wird ihm auch Unschönes in Dessinirung und Kolorit vorgelegt —, und dieses
geschieht ja gar manchesmal, will man doch endlich auch gewisse „Ladenhüter" los-
bekommen —, und man bemerkt dazu, daß es XsuvenutL ist, der Preis aber so
-oder so billig, dann ist die Wahl zumeist auch schon entschieden.

Ls hängt darum im Großen und Ganzen immer nur von dem feinfühligen
Geschmacke des Habrikanten ab, ob er dem Publikum auch ein „Lehrmeister in
Sachen des Geschmackes" sein will oder nicht, ob er nur deu materiellen Nutzen
allein ins Auge fassen will, oder auch das ethische Moment seiner Aufgabe erkennt.
Die Kunst wird ihm jederzeit Gelegenheit zur Genüge bieten, dieser Aufgabe gerecht
zu werden, sofern mit seinem guten Geschmacke auch ein sicheres Auge und ein
fester Wille verbunden ist, welche ihn erkennen lassen, daß nicht Dasjenige schön sei,
welches für den Moment besticht, sondern Dasjenige, welches dauernd fesselt.—
Gerade unsere Zeit ist so eigenthümlich beschaffen, daß nur ein fester aus-
dauernder Wille sich in dem Wirrsal der Geschmacksrichtungen einen sicheren Halt,
einen ebenen Weg schaffen kann, desto mehr Ehre bringt es aber Demjenigen, der
an dem einmal vorgesteckten Ziele festhält und sich nicht irre machen läßt. Die
Prinzipien der Schönheit bleiben ja doch unter allen Umständen dieselben, und
handelt es sich nur darum, sie auch richtig zu erfassen und zu befolgen. Sobald
sich die Tapetenfabrikation dieser ihrer Aufgabe vollkommen bewußt ist, und erkennt,
daß sie ein Kunstprvdukt zu schaffen hat, dessen Zweck darin besteht, eine
ruhig-wirkende, harmonisch-schöne „Jnnen-Dekoration" sowohl für
reich-ausge stattete als auch einfach-bescheidene Räume anzustreben,
dann dürfte wohl auch damit die Richtung gefunden sein, welche man einzuschlagen
hat, um die Papier-Tapete so zu gestalten, daß sie als g e sch m a ck b i l d e n d e s
Mittel im vollsten Sinne und in allen Hällen gelten kann. — Es soll jedoch

damit keineswegs gesagt sein, daß
die Taxetensabrikation nicht schon
längst sich dieser Aufgabe bewußt
gewesen wäre, wirklich Gutes in
diesem Sinne zn schaffen, auch
nicht, daß sie nur in seltenen
Hällen thatsächlich derselben Rech-
nung getragen hätte, die Tapete
zu einem „Kunstprodukt" zu er-
heben; aber wer Gelegenheit hat,
an vielen Drten so mannigfaltige
Räume dekorirt zu sehen, dem
drängen sich doch so manche Be-
denken auf, ob da auch immer
das Schöne, das Gute zu bringen,
ausschlaggebend war, ob man sich
auch immer bewußt war, welchen
Zweck eigentlich die Wandtapete
zu erfüllen hat. Macht man dann
nun einmal bei derartigen Ge-
legenheiten unvorsichtiger Weise
eine nicht ganz bewundernde Be-
merkung, findet man nicht un-
bedingt Dasjenige für schön, was
so manches Mal dafür angesehen
sein will, und von der Mehrzahl
auch bestaunt wird, dann kann es
leicht möglich sein, daß man von
dem Hausherrn dahin belehrt
wird, daß seine Dekorirung das
„Modernste" sei, und man damit
gewissermaßen den Wink bekommt,
dieses in seiner künstlerischen Ein-
falt ja nicht vielleicht gar als das
Gegentheil von Schön zu finden.—
Hür die Habrikation sind derlei An-
Nr.q,27. Naturalistisches Muster, Maschinendr. sichten immer vortheilhaft, sie
I. Zuber L Tu. in Rixi,°in,. stehen mit dem steten Absätze ihrer

Erzeugnisse in innigster Beziehung
und sind auch zum florirenden Stande derselben sogar sehr nothwendig. Aber trotz
schneller Konsumirung und der ewigen Nachfrage noch Etwas ganz Neuem soll und
darf nie vergessen werden, daß ein Schritt nach „Vorwärts" auch ein Schritt nach
„Aufwärts" sein soll, daß man mit der Absicht, immer Neues zu bieten, sich nicht
verleiten lassen darf, vom guten Wege abzulenken. Schönes im modernen Sinne
läßt sich jederzeit schaffen, aber damit ist keineswegs gesagt, daß dieses Schöne
seinen Hauptzweck in der Effekthascherei suchen darf, denn wenn auch das Publikum
im Allgemeinen sich mit der naturgemäß mit Ruhe und Bescheidenheit auftretenden
Schönheit nicht leicht ködern läßt, so soll man doch keineswegs sein Ziel darin
suchen, dasselbe in seinem oft ganz undefinirbaren Geschmacke, durch allzu bereit-
williges Entgegenkommen zu verhätscheln. So wie ein Kind durch fortwährendes
Korrigiren sich schließlich daran gewöhnt, rein und deutlich zu spreche», so kann
und soll sich auch der Konsument daran gewöhnen, das Schöne als solches zu
erkennen, und sein Auge daran bilden, die wohlthuende Rückwirkung wird dann
auf die Habrikation keineswegs ausbleiben und für beide Theile von Nutzen sein.

Dch französischen Holzarbeiter! des XVIII. Iahrh.

Von Albert Hosmann, Berlin. (Schluß aus dem August-tzest.)

^IHer Nsltee Ldeuiste spielte in der zweiten Hälfte des XVIII. Jahrhunderts
eine recht bedeutende Rolle. Strenge Satzungen der „LoluronunutL Le3
meuuisieis et LbLuistes" geboten den Meistern ihren Namen ihren kunsthand-
werklichen Karakter hinzuzufügen.
 
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