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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 3.1892

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Schäller, G.: Die Ausschmückung der Wand und die Verwendung der Tapete, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6760#0042

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Hebruar-Lsest.

Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Zn ne»-Dekoration.

5eite 29.

lusschnriickung der

^and ilnd die Werivendung der "Wapete.

(Schluß.)

Ne Größenverhältnisse von Sockel, Mittelfeld und Fries der Wand sind
nun in Pompeji wie 1: Z : p/2 und wirken diese Maße durchaus wohl-
thuend. Abgesehen davon, daß diese Eintheilung sich am Besten nach
der Höhe des Zimmers richtet, kann man jedoch auch in gewöhnlichen Räumen die
Sockelhöhe mit der Höhe des Fensterbrettes in Einklang bringen, die ja auch immer
der Höhe unserer Tische und Stühle fast gleichkommt. In Speise- und Herren-
zimmern, wie auch in größeren Räumen, die mehr zur Repräsentation dienen, oder
als Lokale zu Versammlungen, Vergnügungen usw. benutzt werden, wird man jedoch
Hut thun, ein höheres Paneel zu wählen, das Manneshöhe, ja noch etwas darüber
haben kann. Ls sei beispielshalber hier nur au die neuerdings aufgekommenen
„altdeutschen Trinkstuben" erinnert, welche mit ihren hohen Holzpaneelen, den ver-
hältnißmäßig niedrigen in satten Farben bemalten Wandflächen und den breiten
mit Lß- und Triukszenen oder sonstigen den Zweck des Lokales ausdrückenden Bil-
dern geschmückten Fries einen recht anheimelnden Eindruck Hervorrufen. Am
günstigsten wird sich immer ein Sockel aus Holz, in Prunksälen sogar aus Marmor

sein, wo die Wand als solche freistehend wirkt und ihr Schmuck zur Geltung kommt,
wie z. B. in Speise-, Gesellschafts-, Konzert- und sonstigen Sälen. Wo Möbel hin-
gestellt oder Bilder, wie in Kunstsammlungen, aufgehängt werden, soll die Wand
nur den ruhigen Hintergrund abgeben, von welchen! sich die Gegenstände klar und
allen Beschauern gut sichtbar abheben sollen. Mehr Schmuck verträgt der Fries in
allen Räumen, weil er stets sichtbar bleiben wird. Auf ihm, der die Wand zur
Decke überleitet, werden sich am Besten Darstellungen anbringen lassen, welche die
Bestimmung des Raumes aussprechen. Im gewöhnlichen Wohnzimmer wird er sich
jedoch ganz einfach, vielleicht verziert mit einer durch Schablonen aufgetragenen
Zeichnung gestalten lassen. Jedenfalls wird aber ein, wenn auch noch so einfach
profilirtes Gesims und eine Kehle die Wand oben abschließen und dadurch ihre
Funktion als die Decke tragendes Glied in der von der aufrnhcnden Last erzeugten
Gliederung ausdrücken müssen. Doch darf ein solcher Sims nicht zu klein sein und
nicht zu wenig ausladend, es darf nie vergessen werden, daß eine Last, wie z. B.
die einer Decke, einen Druck auf den sie tragenden Faktor übt, den unser künstlerisches

"Abbildung Nr. 2Y7. Nokolw-Wanddrkvrakion in Stuck und Malerei L 1a 'Watteau.

ausnehmen, da diese Materialien einen soliden, dauerhaften, also dem Zweck durchaus
entsprechenden Eindruck machen. Da eine derartige Ausführung aber für die meisten
Zimmer viel zu kostspielig ist, so hat man bereits zu anderen Mitteln gegriffen,
indem man das Holz oder den Marmor imitirt, ganz gleich, ob durch Malerei oder
Tapete. Eine gefällige und geschmackvolle Eintheilung durch Füllungen und Friese
trägt natürlich sehr viel zur Hebung des Ganzen bei. Vor Allem bietet dieses
Glied der Zimmerwand der Phantasie des Malers großen Spielraum, denn er
braucht sich nicht nur auf die Imitation dieser beiden Stoffe zu beschränken. Die
verschiedensten Kombinationen in Form und Farbe, Grnamentenschmuck, Intarsicn-
malereien werden bedeutend zur Hebung des Ganzen beitragen und dessen Bestim-
mung ausprägen. Ganz besonders ist noch zu betonen, daß es bei Imitationen
sehr viel auf saubere Ausführung ankommt, denn unsauber und nicht täuschend
gemalte Brüstungen und Füllungen werden stets, sowohl auf den Laien wie natürlich
auf den Kenner einen schlechten Eindruck machen, wie auch die vom Tapezierer ohne
alle Rücksicht auf Licht und Schatten angeklebten Tapeten. So wird auch das
imitirte Holz und der Marmor stets gut ausgeführt sein müssen, da schablonirte
und gewalzte Hölzer und Steine immer trist und armselig aussehen. Kann der-
artiges nicht gut hergestellt werden, so ist besser den Sockel in einer sauberen Farbe
glatt zu streichen und begnüge inan sich alsdann mit einer Eintheilung in Füllungen,
bie aus glatten aber akurat gezogenen Strichen bestehen.

Säulen, Pilaster und ähnliche gemalte Dekorationen dürsten nur da zu empfehlen

Gefühl ausgedrückt wissen will, wenn es nicht Unbehagen empfinden soll. Sichtbar
wird derselbe in der von der Last eingebogenen Kehle und in den Karniesen, Wülsten
und anderen Gliedern des Gesimses, welche uns die aufstrebende Wirkung von
unten und die Last von oben symbolisch zur Anschauung bringen.

Noch ist zu betonen, daß der Schmuck einer Wand wesentlich bestimmt wird
durch den Zweck des Raumes. Werden die Farben und Grnamente eines Zimmers,
wo sich die fröhliche Jugend bewegt, deren Stimmung aussprechen, so wird der
Schmuck einer Wand des Dameuzimmers ganz entsprechend der Anmuth und den
Reizen des weiblichen Geschlechtes angepaßt sein und zwar derart, daß sich das
Bild der Insassen lieblich von der Umrahmung abhebt. Das Alter hingegen ver-
langt ernste Färbung und Brnamentation, wie auch das Arbeitszimmer des Mannes.
Rauch- und Spielzimmer beanspruchen schon des Schmutzes wegen braune Färbung;
trefflich eignet sich hierzu eine Dekoration von Holzimitation, die in Eintheilung nnd
Grnamentenschmuck, Intarsien usw. die mannigfaltigsten Zusammenstellungen zuläßt.

Hat nun der Dekoratör alle diese Rücksichten beachtet, so kommen noch die
hinzu auf Form und Farbe der Möbel und alle jene vielen Schmucksachen, die die-
selben heute zieren. Hierin wird er nun erst zeigen müssen, ob er Meister ist, hierin
liegt aber auch der Grund der Zusammengehörigkeit der dekorativen Gewerbe.
Denn soll sich das Haus in seinem Inneren harmonisch gestalten, so muß auch Ein-
heit, Harmonie unter allen denen herrschen, die bei dieser Gestaltung mit thätig sind.

G. Schäller.
 
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