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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 3.1892

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Jäck, Eugen: Der Fußboden-Teppich, [1]: seine ornamentale und ästhetische Bedeutung für das moderne Zimmer
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https://doi.org/10.11588/diglit.6760#0020

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5eite >2.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für „Znnen-Dekoration".

Zanuar-^eft.

^er Muhboden-'Mrppich,

feine ornamentale Behandlung und ästhetische Bedeutung für das moderne Zimmer.

Von Lug

ohl keinem Ausstattungsstück der bürgerlichen Mahnung wird weniger
Aufmerksamkeit zugewendet, als dem Fußboden-Teppich. — Das ist
ja auch etwas vollkommen Nebensächliches. Wenn die Dualität gut
und billig ist und die Farben einigermaßen dem Geschmack des Musers entsprechen,
sind die Bedingungen, die an ein derartiges Vbjekt gestellt werden, meistens erfüllt.
Gb zu Hause das Sopha grün oder roth und die Tischdecke blau oder gelb ist,
kommt wenig oder gar nicht in Betracht. Der Teppich wird im Laden betrachtet
und wenn für gut befunden,
gekauft. Ts ist eine alte
Erfahrung, die man tag-
täglich machen kann, daß
bei Teppichen, die nicht spe-
ziell zu einem bestimmten
Raum nach Tapete und
Stoffprobe angefertigt wer-
den, diese Art des Einkaufs
noch viel zu viel im Ge-
brauch ist. Die Wirkung
im Zimmer entspricht dann
auch gewöhnlich dieser ver-
ständnißlosigkeit. Wie leicht
wäre hier bei einiger Auf-
merksamkeit viel zu gewin-
nen, wie leicht könnte einem
Raum, dessen Farbenwir-
kung den Beschauer kalt
läßt, durch die Auswahl
einer passenden Sophavor-
lage eine harmonischere Wir-
kung verliehen werden. Die
Meinung, derTeppich werde
ja zum großen Theil durch
den Tisch verdeckt und
komme deshalb nicht viel
zur Geltung, ist ganz und
gar unrichtig. IederTeppich,
ob klein oder groß, wird
durch seine Farben dem Zim-
mer ein eigenartiges Ge-
präge, er wird ihm Karakter
verleihen und ein auf eine
Sophavorlage gestellterTisch
kann die Farbenwirkung
derselben nie soweit ab-
schwächen, daß diese, wenn
unglücklich gewählt, nicht
im Stande wäre, den guten
Eindruck und die Harmonie
eines sonst hübschen Zim-
mers empfindlich zu stören.

Und doch wäre dem Uebel-
stand leicht abzuhelfen, wenn
sich die Käufer vor der Aus-
wahl mit einer, wenn auch
noch so kleinen Probe des
betreffenden Stoffes und der
Tapete versehen, oder, was
noch besser ist, wenn es die
Verhältnisse erlauben, ein
vorheriges Auflegen des
Teppichs an Grt und Stelle
vornehmen würden. Die
kleine Mühe müßte sich
durch ein richtigeres Resul-
tat reichlich lohnen und kann nicht in Betracht kommen, gegen die Aufgabe, einen
unpassenden, in schreiendem Gegensatz zu seiner Umgebung stehenden Teppich oft
Jahrzehnte lang betrachten zu müssen. Namentlich bei einem feineren Teppich, der
den Besteller gewöhnlich überlebt, sollte die Auswahl eine sehr sorgfältige sein,
denn einmal für schweres Geld angeschafft, könnte er leicht mit der Zeit seinem
Inhaber die Ueberzeugung aufdrängen, daß der Werth eines Teppichs nicht nur in
dem Schutz vor Kälte und der Güte und Dauerhaftigkeit seines Materials liegt,
sondern in erster Linie — ich habe hier immer den guten Geschmack im Auge —
in der künstlerischen Uebereinstimmung, in der er sich mit seiner Umgebung befindet.

Eben diese Uebereinstimmung, das Anpassen an die Umgebung, ist es nun, was
auch von Seiten des Laien nicht selten falsch aufgefaßt wird. Wenn ein Zimmer
mit einer rothen Tapete bezogen ist, so darf der Teppich nicht auch vorherrschend
roth sein, und sind die Wände oliv tapeziert, so darf der Grund des Teppichs nicht
oliv sein, wie es häufig in dieser oder ähnlicher Weise verlangt wird. Ls werden

* Abbildung Nr. 29 s. Kachelofen im Renaissancestil. Näheres Beschreibung

Entworfen und gezeichnet von Heinr. Iesora.

en Iäck.

dabei die beiden Begriffe „gleich" und „paffend" verwechselt. Die eben angedeutete
Gleichartigkeit zwischen wänden und Fußbodenbelag, erzeugt in dem Beschauer eine
Langweile, da alle Gegenstände in dem Zimmer in dem ewigen Farbeneinerlei
untergehen, weil die Gegensätze fehlen, also andere Farben, die der Grundfarbe
das Gleichgewicht halten. Die Behaglichkeit, das wohlthuende Gefühl, das uns
in manchen Räumen anheimelt, wird in erster Linie nur durch die richtige Stim-
mung und Vertheilung verschiedener Farben erzeugt. Ebenso, wie uns in der Musik

die endlose Wiederholung
einer kurzen Melodie, die
an sich noch so schön sein
kann, sehr bald langweilig
würde, ebenso wird ein Färb-
ton, der sich in einem Zim-
mer allzu breit macht, durch
den Mangel an Unterbrech-
ung den Geist abstumpfen.

Welchen Bedingungen
hat nun ein Teppich zu ent-
sprechen, um den praktischen
und künstlerischen Anforde-
rungen zu genügen? Der
Teppich soll eine elastische,
weiche Decke sein, die einen
Raum behaglich und wohn-
lich macht. In seinem
Aeußern hat er zunächst die
Aufgabe zu erfüllen, die
Wände harmonisch zusam-
men zu schließen. Wo grelle
Schatten und Lichteffekte,
oder auffällige Figuren den
Fond bedecken, wird das
Auge unwillkürlich zu Bo-
den gezogen, irrt von einem
Kontrast zum andern, um
sich dann immer wieder ent-
täuscht und unbefriedigt ab-
zuwenden. Aufdringliche,
wuchtige Formen bringen
oft die Täuschung hervor,
als stünde dieses oder jenes
Möbel schief. Eine ange-
nehme Belebung durch har-
monische, sorgfältig abge-
stimmte Farben, leicht und
gefällig sich abhebendes,
gleichmäßig vertheiltes
Muster, sind die allgemeine
Richtschnur für einen seiner
Bestimmung gerecht wer-
denden Teppich. Die Vor-
bilder, nach welchen unsere
ersten Knüpfteppiche gear-
beitet wurden, stammen aus
dem Lande, in dem diese
Kunst einst ihre höchste
Blütheerreichte, demVrient.
Die textilen Erzeugnisse des-
selben, die unter dem land-
läufigen Namen „Perser
Teppiche" bekannt sind, er-
freuen sich heute noch, wie
früher, großer Beliebtheit,
aber man hat sich entschie-
den abgewöhnt, dieselben in geistloser Weise nachahmen zu wollen, da bei unserer
heutigen Fabrikation gerade das karakteristische derselben, die freie, an keine Zeich-
nung gebundene und nur nach dem jeweiligen Kunstsinn des Verfertigers sich rich-
tende Formen- und Farbenwiedergabe, fehlt. Der Arbeiter oder die Arbeiterin der
Jetztzeit haben kein Verständniß von dem, was sie machen, es sind nur mechanische
Handgriffe, die nach einer vorgelegten Zeichnung ausgeführt werden. Der Geist
und die Auffassung, die in derselben zum Ausdruck gebracht werden, entstammen
dem Kopf und der Hand des Künstlers, der manchmal seinerseits wieder durch die
Geschmacksrichtung des Bestellers mehr oder weniger beeinflußt wird. Diese Be-
einflussungen sind es auch, die nicht immer zum Besten der Sache ausfallen und
deren Ausführung sich der Zeichner nur mit Widerwillen und mit Berücksichtigung
des rein geschäftlichen Theiles der Bestellung unterzieht. Die Thatsache, daß oft
trotz des besten Willens Sachverständiger die Unkenntniß des Bestellers in solchen
Dingen Sieger bleibt, ist zwar nicht sehr erfreulich. (Schluß folgt.)
 
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