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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 3.1892

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Fischbach, Friedrich: Unsere Fenster, [1]
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Seite 67

April-Hest.

Miere Menfter.

Oon Friedrich Alschbach (Wiesbaden^.

2) Mehr Licht 1 Goethe.

Ichts karakterisirt wohl schärfer, wie verschieden die Menschen
früher und heute wohnten, als die Art, wie Licht und Lust

Hülle schöner Lösungen, daß wir uns sagen müssen, daß jenes angeblich
so dunkle Mittelalter ästhetisch feinfühliger als unsere Zeit das Neue
erfaßte. Auch die Gothik hat eine solche Poesie in dem Maaßwerk
der farbigen Henster, daß wir uns schämen müssen, die Heilster nur als
einen viereckigen Mauerausschnitt anzusehen, der später mit einem Holz-
rahmen und Glas gefüllt wird. Ja, ganz offen sei es gesagt: Unsere
karakterlosen Miethkasernen-Hassaden sind eben deshalb so unschön, weil
die Henster so prosaisch sind. Henster sollen die Augen des Gebäudes

den Wohnräumen zugänglich. Der Höhlenbewohner war glücklich, wenn sein. Wie kann daher der Eindruck auf den Beschauer ein vortheil-

noch ein Luftloch außer dem Eingang den Rauch abziehen ließ. Wer
den ganzen Tag im Hreien
lebte, der suchte in der Woh-
nung nur den Schutz vor
rauhen Stürmen und die
leidlich behagliche Schlaf-
stätte. Je milder das Klima,
um so geringer war das
Bedürsniß, die Henster fest
Zu schließen. Mit Holzläden
und Geweben begnügte man
sich, bis im Mittelalter das
bunte und nach der Refor-
rnationszeit das Helle Glas
das bot, was uns heute der
Inbegriff eines Hensters ist.

Wenn die mehr oder we-
niger große Lichtfülle in erster
Reihe maßgebend für die
Erkennbarkeit und Stim-
mung der Dekoration, und
kür Behaglichkeit und Ge-
sundheit ist, so leuchtet ein,
daß jede technische Errungen-
schaft, welche die Henster
umgestaltet, von wesentlicher
Bedeutung für die ganze
kVohnung ist. Streifen wir
nur kurz einige Kapitel der
Runst- und Kulturgeschichte:

In Pompeji hatten nur we-
nige Räume Henster; die
Meisten erhielten Licht und
-ust nur durch die auf einen
Rorridor mündende Thür-
öffnung. Die romanische
Epoche hat schweres Mauer-
merk mit kleinen Henstern,
denn das Glas war eben
*nn seltener Artikel. Die Gothik suchte durch farbiges Glas die Kirchen-
mauern fast ganz zu ersetzen, so, daß breite himmelhohe Henster die
steinernen Pfeiler ausfüllten. Dann löste die nüchterne, vorerst noch

'' Abbildung Nr. zzz. Glasmalerei für ein gngdziminer.

kleine, rechtwinkelige, weiße Glasscheibe die bunten Butzenscheiben und
die herrlichen Malereien ab und wuchs langsam aber stetig so, daß
mir nunmehr gleichsam kristallhelle feste Mauern größter Art in Glas
besitzen. Alan hat diese Errungenschaft nur als Luxus angesehen und
sich höchstens darüber gefreut, daß nunmehr die störenden Linien der
kleinen Hensterumrahmnngen und die noch mehr störenden Berzerrungen
der wellig geformten Glasflächen wegsallen. Eben weil Alles so schnell
und m einer Epoche kam, dis kein sein zugespitztes Stilgefühl auszeich-
uete, so wurde die technische Errungenschaft noch gar wenig artistisch
ausgenutzt. Ein Rückblick aus romanische Henster zeigt uns eine solche

Hafter sein, wenn der Ausdruck der Augen so blöde wie nur denkbar

ist? Sobald die Konstruktion
des Hensters organisch mit
dem Ganzen zusammen-
hängt, ist mit einem Schlage
der Hehler verschwunden.
Wir können uns die mannig-
fachsten Lösungen denken,
denn die Arten der Grup-
pirung und der Einfassung
können ja wechseln. Da
wir das Licht möglichst von
einerSeite wünschen, so wird
das schweizerische System
vielfachen Anklang finden,
nämlich Henster an Henster
so dicht (in der Norder- und
Hinter-Hassade) zu stellen,
daß eben nur für die Heftig-
keit des Gebäudes genügende
Pfeiler zwischen denselben
bleiben. Machen wir uns
jedoch die Nor- und Nach-
theile dieser Vermehrung der
Glasflächen recht deutlich.
Die Hülle von Licht und
Lust, die uns zuströmt, ist
ebensowenig zu unterschätzen,
als der ästhetische Eindruck,
daß nach der Lichtseite hin
der Wohnraum gleichsam
ideell erweitert ist, ohne daß
wir die Henster öffnen. Das
ist bei schönen Aus- und
Hernsichten ungemein viel
werth. Man glaubt sich mit
der lieben großen Gottes-
welt, in welcher die Bäume
und Blumen uns grüßen,
wo die Wellen und Wolken wandern, verbunden, und sitzt doch in
wettergeschützter Klause. Nachtheile machen sich fühlbar, wenn man
die Eigenschaften des Glases unberücksichtigt läßt. Eine große Glas-
fläche läßt keine Lust durch, und somit würde ein Wohnraum, der um,
unter und über uns nur aus Glas bestände, uns ebenso gefährlich sein,
als wollten wir unsere Haut mit einem Hirniß bestreichen, der das
Athmen der Poren unmöglich macht. Ein anderer Uebelstand des
Glases ist, daß es den Austausch der inneren Temperatur des Zimmers
mit der außerhalb desselben herrschenden zu rapid vermittelt. Die
Hensterseite wird also bei Hrost die kälteste, oder umgekehrt, bei heißem
Sonnenschein die wärmste sein. Wir müssen uns daher gegen solche
Unzuträglichkeiten schützen. Da wir stets frische Lust benöthigen, so
sind kleine, leicht zu öffnende und fest zu schließende Luftlöcher aus der
 
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