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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 3.1892

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Faulwasser, Julius: Ein Berliner Künstlerheim
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https://doi.org/10.11588/diglit.6760#0223

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5eite s76.

Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Znnen-Dekoration.

Vktober-^eft.

D-

rerttnev sMttnstlerheim.

von Architekt Julius Faulwasser.

^er weg führte uns in Berlin durch den Thiergarten über das Hippodrom
nach der Fasanenstraße mit dem „Lharlottenlmrger Künstlerhaus". Wer
irgend noch eine Empfindung für den Eindruck von Werken der Architektur hat,
der wird seinen Schritt bei der Annäherung an dieses Haus mäßigen und sich, we-
nigstens für einen Augenblick, dem Banne hingeben, den Jeder empfinden muß,
dem dies Haus zum ersten Mal vor die Augen tritt. Nicht mit reichen, einander
überbietenden Formen — denn mit solchen würde es in Berlin wohl kaum noch
möglich sein, Jemanden zu blenden — sondern mit den denkbar einfachsten, man
möchte nicht einmal sagen Formen-, sondern Farben-Gegensätzen und mit einer
packenden Massenwir-
kung in ungemein ge-
schickter Gruppirung
hat cs der Künstler
verstanden, seinem
Hause die eigenartigste
und individuellste Prä-
gung zu geben, die sich
denken läßt. Da sieht
man in der großen
Fläche der Front eines
breiten, vierstöckigen
Hauses zwar Fenster
und Thüren der ver-
schiedensten Gestal-
tung, aber von einem
so fein abgewogenen
Gleichgewicht,daß über
das Ganze immer nur
eine stete gleichmäßige
Ruhe ausgebreitet zu
fein scheint. Rothe
Ziegelflächen wechseln
Mit weißem putz und
werden unter den
Hauptgesimsen bekrönt
von Reihen von Pferde-
schädeln, zwischen de-
nen sich Guirlanden
hinziehen, die, als das
Haus neu war, in allen
Farben rother und
blauer Beeren und grü-
ner Blätter Prangten,
die aber jetzt, trotzdem
sie nur noch ein Bild
dervergänglichkeit bie-
ten, keineswegs we-
niger geeignet scheinen,
dem Hause noch ferner-
hin zum Schmuck zu
dienen, ja, dies nun
erst recht thun durch
ihren Gegensatz zwi-
schen der Natur, die
sich immer erneuen muß
und der monumentalen
Baukunst, deren Werke
die Sprache von Jahr-
hunderten sollen reden
können. — Doch fassen
wir uns ein Herz und
schreiten hindurch zwi-
schen den beiden mäch-
tigen Sphinxen, welche den Eingang argwöhnisch bewachen, und betreten den hohen
Thorweg. Es bietet sich eine Steigerung der Wirkung, wie sie entzückender nicht
gedacht werden kann, denn vor uns öffnet sich eine Baugruppe, die eine ganze für
sich abgeschlossene kleine Stadt zu sein scheint. Unwillkürlich glauben wir zu empfinden,
daß ein unverbrüchlicher Friede über diesem Hause und seinen Bewohnern gebreitet
liege und so mächtig ist der Erfolg, der dem Baumeister des Aünstlerhauses geglückt
ist, daß dieser Eindruck selbst durch die in Abständen von nur wenigen Minuten
unmittelbar am Hause vorüberbrausenden Stadtbahnzüge nicht abgeschwächt wird.
Ja, ein wohlberechneter vortheil muß hierin erkannt werden, denn nur eben dieser
dicht an der Bahn gelegene Platz gab die Sicherheit, daß der Ausblick aus dem
Hose von jener Seite dauernd unverbaut bleiben würde. Nach den übrigen Seiten
aber sicherte sich der Erbauer durch weitere Erwerbung von zwei anderen, an den
angrenzenden Straßen belegenen Grundstücken, die derselbe mit der Bedingung der
Bebauung nach seinen eigenen Plänen wieder veräußert hat. Auf diesen werden
gerade augenblicklich ein paar Häuser ihrer Vollendung entgegengesührt, welche den
Prospekt des Hofes zu einem Gesammtbild abschließen, wie es in keiner Beziehung

Abbildung Nr.

Entwürfe füix Thür- und Möbel - Befrhlägq aus Bronze.

reizender gedacht werden kann. Im Untergeschoß sind zahlreiche Thüren, welche
den Zugang zu Bildhauer-Ateliers bilden und das Ein- und Ausbringen auch un-
gewöhnlich großer Modelle gestatten sollen. Darüber liegen in malerisch - buntem
Durcheinander die Fenster der großen Zahl einzelner kleinerer Künstler-Ateliers, die
zum großen Theil dem sonst in Berlin noch nirgend befriedigten Bedürfnis; der
Junggesellen entgegenkommen, indem immer in irgend einer Ecke der vielfach nur
einzelnen Zimmer der Raum für Bett und Wohnung gewonnen ist. Konnte hier-
mit dem Bewohner neben der gerade ihm unentbehrlichen Beleuchtung seines
Arbeitsraumes just das geboten werden, dessen er bedarf und war es möglich, jeden
Raum zu leicht erschwinglichen Preisen abzugeben, so ist es andererseits durchaus
erreicht, dem Besitzer trotz der augenscheinlichen Opulenz der ganzen Anlage, eine
völlig zufriedenstellende Rente zu sichern. In den weiteren Obergeschossen befinden
sich z. Z. auch Familien-Wohnungen und rechts im Erdgeschoß die Künstlerkneipe,

von deren Wirth die
zahlreichen Herren, die
hier keine eigeneWirth-
schaft führen, durch die
über den Dächern in
einer Maueröffnung
hängende Glocke zur
Mahlzeit zusammen-
gerufen werden kön-
nen. Ein glcichesprin-
zip, vor Allem auch
einmal den Jungge-
sellen zu dienen, hat
die Bauprojekte für die
übrigen den Hof be-
grenzenden Grund-
stücke beherrscht, und
um einen Maßstab für
die Preise zu geben,
sei nur bemerkt, daß
wir eine beneidens-
werth schön gelegene
Wohnung von z Zim-
mern, großer freier
Halle, Badezimmer,
Küche, Burschen- oder
Mädchenraum re. zu
sehen Gelegenheit hat-
ten, deren Miethpreis
nur soo Mark beträgt
und als deren Inhaber
etwa ein alleinstehen-
der Offizier gedacht ist.

Doch kehren wir
zurück über den reizen-
den Schmuckxlatz, zu
welchem der Hof mit-
telst Gartenanlagen
künstlerisch ausgestaltet
ist und zu dem ruit
Jagdtrophäen man-
nichfach geschmückten
Lingangsthorweg, um
auch einen Blick in das
Innere dieses seltenen
Hauses zu gewinnen
und uns nach dem
geistigen Urheber des-
selben umzusehen. —
Letzterer ist der Bau-
meister Bernhard
Seh ring, derselbe,
welcher vor mehreren
Jahren bereits durch

sein Ideal-Projekt zu einem deutschen Künstlerheim in Rom in weiten Kreisen
wohlberechtigtes Aussehen durch seine seltene Beherrschung von Formen und Farben
und durch sein geradezu phänomenales Darstellungsvermögen hervorrief. Wohl
konnte der Neid der Kollegen geweckt werden, als Herr Sehring damals zuerst mit
seinen Arbeiten hervortrat und als bezeichnend sei erwähnt, daß bald das Wort
umging, er zeichne „gemeingefährlich gut". Indeß, wir werden ihn am Besten
erkennen können, wenn wir hinaufsteigen in seine eigenen Wohngemächer, wozu
eine fast fürstlich ausgestattete Treppe einladet, die mit ihrer Langseite an die Hof-
front grenzt und dieser durch ihre in jedem Stockwerk in aufsteigender Folge ange-
ordneten drei Fenster ein besonders eigenartiges Gepräge gibt. Sowohl in halber
wie in ganzer Stockwerkhöhe finden wir hier an jedem Treppenabsatz die Lingangs-
thüren zu den einzelnen Wohn- und Arbeitsräumen der Künstler, für welche es
allerdings gewißermaßen als beschämend bezeichnet werden muß, daß sie die zarte
und bis in alle Einzelheiten mit unendlicher Liebe durchgesührte Harmonie der
Dekoration durch ihre blechernen, holzartig gelb lackirten Briefkasten gemeinster
Berliner Kaufwaare zu unterbrechen sich nicht gescheut haben. — Die Stufen, sowie

Von H. Jesora.
 
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