Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 5.1894

DOI article:
Luthmer, Ferdinand: Der Dekoratör
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.11721#0030

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Januar-Heft.

Seite

„prosessionist" gelten. — Ja, wäre unserer heutigen Gesellschaft
die Ausstattung des Hauses eine so wichtige Sache, wie derjenigen
des vergangenen Jahrhunderts, so würde der Besteller den: Aus-
führenden auf halben: Wege entgegenkonnnen. Es ist sehr merk-
würdig, in wie eingehender Weise die hohe französische Gesellschaft
unter Ludwig XV. und XVI. sich mit den Details ihrer Palais
beschäftigten, jener Palais, welche das Vorbild des guten Ge-
schmackes für Europa wurden. Alan muß die zahlreichen Me-
moiren jener Zeit zu Rathe ziehen — die Aufzeichnungen und
Briefe, welche St. Simon, Madame de Sevigne, Madame de
Simiane und Andere hinterlassen haben, um sich zu überzeugen,
wie genau diese Herrschaften bis hinauf zum königlichen Haushalt
mit allen Einzelheiten der Innen-Dekoration Bescheid wußten, wie
sie die technischen Aus-
drücke kannten, mit ihren
freunden über die Wahl
von Farben und Mate-
rialien korrespondirten.

Daß eine so geartete Ge-
sellschaftDekoratöre heran-
bildete, die auf die feinsten
Nuancen des Geschmackes
einzugehen, den kaum an-
gedeuteten Wunsch ihrer
Auftraggeber in einer voll
befriedigenden Weise aus-
zuführen wußten, kann
uns nicht Wunder nehmen.

Das Nähere darüber wird
man in dem oben ange-
führten Werke von Havard
finden. Dort wird man
auch dem Gegenbilde aus
dem heutigen Frankreich
begegnen, das leider in
vieler Hinsicht den Zu-
ständen diesseits der Vo-
gesen entspricht und darin
gipfelt, daß unsere Ju-
gend in allem Möglichen
unterrichtet, für allesMög-
liche interessirt wird, nur
nicht für die praktische
Aesthetik, die sich in der
künstlerischen Gestaltung
unseres Heims bethätigen
soll, und für welche wir
meist rettungslos dem
Willen unseres Tapezie-
rers überantwortet sind.

Gibt es denn nun in
Deutschland keine Besteller, welche, wie die französische Gesellschaft
des s8. Jahrhunderts, mit ihrem Dekoratör^Hand in Hand arbeiten,
sich für jede Einzelheit interessiren, ffodaß sie von dem fertigen
Werk mit Stolz sagen können: das habe ich gebaut, das
habe ich arrangirt!? — gibt es keine Dekoratöre, die auf dem
hohen künstlerischen Standpunkt stehen, daß sie sich in die Eigenart
ihres Klienten hineindenken und etwas schaffen, was nur diesem
zu Gesicht steht, dies aber in einer Weise, die keinen Mißton
durchklingen läßt? — Sicher gibt es deren. Von den echteren
will ich hier nicht sprechen: ich dürfte nur eine sehr hohe Bau-
herrin erwähnen, deren Landsitz an den Abhängen des Taunus
feiner Vollendung entgegengeht. — Aber auch Künstler der er-
wähnten Art gibt es, und wie nach dem vorstehend Gesagten
ziemlich selbstverständlich ist, sind es unsere ersten Architekten, denen

eine universellere künstlerische Ausbildung die Fähigkeit verliehen
hat, mit Raum, Beleuchtung, Form und Farbe Interieurs zu
schaffen, von welchen jeder ein selbständig gedachtes, von einer
leitenden Idee getragenes Kunstwerk genannt werden darf. Namen
anzuführen, ist hier nicht angänglich, weil eine Uebergehung Zu-
rücksetzung bedeuten würde. Daß aber auch unter den übrigen
Vertretern der bildenden Kunst sich Meister finden, denen es Freude
macht, statt mit Pinsel und Palette und Modellirholz, einmal
mit dem Arbeitsgeräth des Dekoratörs zu komponiren, dafür
seien nur die drei Namen: Makart, Gedon und Lenbach als
Beweis angeführt.

Aber diese drei sind Künstler ersten Ranges, wie jedes Jahr-
hundert deren nicht viele hervorbringt; die Architekten, welche ich

im Auge habe, verdanken
ihr Können einem lang-
jährigen akademischen
Studium. Wahrscheinlich
richtet sich aus dem Leser-
kreise die Frage an mich:
Wie denkst Du Dir nun
aber die zweckmäßige Aus-
bildung eines Dekoratörs,
der den höchsten Anforde-
rungen entsprechen, und
sein Ziel ohne Umwege
erreichen will? — Mhne
Umwege, das ist nicht
wohl möglich, insofern
unter Umwegen eine uni-
versellere künstlerische Bil-
dung verstanden wird.
Doch versuchen wir es,
einen solchen Ausbil-
dungsgang zu skizziren:

Zunächst soll Nie-
mand nach dem Höchsten
die Hand ausstrecken, der
nicht eine ungewöhnliche
Begabung dazu mitbringt.
Dann sei unser Mann
eine Persönlichkeit, der
sich nach Erziehung und
Lebensstellung die besseren
Gesellschaftskreise nicht
verschließen. Nur wenn
er in diesen zu Hause ist,
wird er ein Auge für die
kleinen Nuancen in der
Art und Lebensgewohn-
heit einer einzelnen Per-
sönlichkeit haben. — Bei
der Frage, ob die fachliche Ausbildung unseres Dekoratörs ihren
Ausgang vom architektonischen Studium oder von der praktischen
Erlernung der Tapezierkunst zu nehmen habe, möchte ich mich
für die erstere entscheiden; allerdings nicht in dem Sinne eines
vieljährigen akademischen Studiums, wie sie der bauende Architekt
nöthig hat, sondern in der, mehr auf das unmittelbare Ziel
gerichteten Atelierausbildung bei einem hervorragenden, vorwiegend
mit dekorativen Aufgaben beschäftigten Meister. Die zeichnerische
Ausbildung sollte ihr Ziel in einer möglichst großen Gewandtheit
in der malerischen, farbigen Darstellung von Innenräumen finden,
durch welche auch eine möglichst gründliche und vielseitige Aus-
bildung des Farbensinnes zu erreichen wäre. Hieran möge sich
eine, je nach Lage der Dinge längere oder kürzere Volontärzeit
bei einem tüchtigen Tapezierer anschließen. Die Geheimnisse des

Abbildung Nummer 8Sg. Lrdrp - Taprip. Von K Engelhard, Mannheim.
 
Annotationen