Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 5.1894

DOI Artikel:
Schliepmann, Hans: Für eine Deutsche Ausstellung
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.11721#0039

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Februar-Heft.

Seite 2s.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

ZU nehmen beschlossen; falls aber die Reichshauptstadt noch länger
Zögern sollte, die Sache selbst in die Hand zu nehmen, wird der
intelligente Theil der deutschen Industriellen daran denken müssen,
die Ausstellung in irgend einer anderen größeren Stadt zu veran-
stalten. Obwohl ich selbst in Berlin Hause, reicht mein Lokal-
patriotismus nicht weit genug, um Berlin für die einzig mögliche
ötadt zu halten; ja, ich kann mich dem Gedanken nicht verschließen,
öaß der schmutzige Theil der Spekulation, der von einer Aus-
stellung wahrscheinlich nie zu trennen ist, in Berlin doch umfang-
reicher sein würde, als etwa in Hamburg, Frankfurt a. RI.
oder Rlünchen.

Soviel aber ist mir gewiß, daß wir Deutschen uns eine
Ausstellung schuldig sind und daß wir sie bald in Szene
setzen müssen. Daß ich aber mit dieser Ansicht nicht allein da-
stehe, beweist mir ein trefflicher Leitaufsatz von Peter Walle in
Heft 76 der hochangesehenen Zeitschrift „Das Atelier". Ich

unter uns lernen, was wir können und was wir nicht
können!

Die paar Tausende, die gleich mir in Chicago den Triumph
deutscher Runst und deutschen Handwerkes mit Augen sehen
konnten, verschwinden gegen die große Waffe derer, die selbst
durch die sachgemäßesten Berichte — und auch deren sind wieder
nur wenig genug! — nur ein unvollkommenes, wenn nicht gar
ein schiefes Bild von unseren Leistungen drüben erhalten haben,
denen aber eine Renntniß von dem Stande unseres Rönnens
dringend erforderlich wäre I wem hat denn Chicago im Grunde
genutzt? — Schließlich nur unserer „nationalen" Stellung! Und
wenn ich um dieses Gewinnes willen die aufgewendeten Rosten
auch nicht zu hoch finde, wenn ich auch freudigst anerkenne,
daß die durch Chicago für uns geschaffene Stellung der ganzen
Nation als solcher zu Gute kommen wird, so bezweifle ich doch
sehr, ob unsere Industrie im Allgemeinen den Nutzen haben

Abbildung Nnmmer 868. Theil-Ansicht eines gvthischen Wohn- und Speisezimmers. Lutw. u. ausg. v. m. Aimbcl, Breslau.

möchte es den geehrten Lesern überlassen, jene überzeugenden Aus-
einandersetzungen im Originale nachzulesen und an dieser Stelle
nur die Gründe zur Geltung bringen, die mich dazu bewegen, die
Idee einer deutsch-nationalen Ausstellung lebhaft zu verfechten —
und zwar für das Jahr s896. Cher werden es die nöthigen
Vorbereitungen nicht zulassen; später aber wird uns das Vorfieber
der pariser Weltausstellung von syOO den Fremdenbesuch ver-
ringern. Denn selbst der Deutsche mit seinem lästerlichen Rnie-
rutschen vor allem Fremdein wird leider glauben, daß in Paris
mehr zu finden sei — auch an dem, was man so nebenbei
genießt und was doch für nur Allzuviele den eigentlichen, wenn
auch nur heimlichen und nicht eingestandenen Reiz des Weltaus-
stellungsrummels macht — und würde daher s898 lieber

— für Paris sparen, als sich ordentlich danach umthun, was

wir selbst können — und nicht können.-Ich wollte, daß

man mir einleuchtend beweisen könnte, dem wäre nicht so!
Aber beweisen, nicht schönfärben!

Das aber ist eben vor Allem nöthig, daß wir Deutschen

wird, um dessentwillen ursprünglich Ausstellungen veranstaltet
^ werden. Nicht einmal für den Weltmarkt dürften sich alle Hoff-
nungen erfüllen. Wichtiger aber als der Weltmarkt, für den
doch lediglich die größeren industriellen Betriebe schaffen, ist die
Hebung des Rlcinbetriebes, vor Allem des Runsthandwerkes,
in welchem die besten Rräfte unserer werkthätigen Bevölkerung
thätig sind, dem aber unter den jetzigen Crwerbsverhältnissen das
bloße Bestehen, geschweige denn das Cmporkommen ungemein
erschwert wird — ich verweise auf Rimbels „Nothruf des Runst-
gewerbes"!

Für das Runstgewerbe hat Chicago nur die CH re einge-
bracht. Die Belehrung ist, wie oben gesagt, auf zu kleine Rreise
ausgedehnt geblieben und die Bestellungen werden auch nicht
allzureichlich einlausen, zumal die Amerikaner über ihrer gegen-
wärtigen furchtbaren wirthschaftlichen Rrisis bald genug vergessen
werden, was in Deutschland und was in Frankreich oder Cngland
am trefflichsten erzeugt wird. Ja, selbst die Chre vom Wahl-
platze in Chicago kann uns unter Umständen nur schaden, inso-
 
Annotationen