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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 5.1894

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Schliepmann, Hans: Für eine Deutsche Ausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.11721#0040

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Seite 22.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Februar-Pest.

fern wir uns in ganz ungerechtfertigte Selbstsicherheit einwiegen
und vergessen, wie viel wir noch zu lernen und zu bessern haben.

Das Alles aber kann uns eine große nationale Ausstellung
bringen, die deshalb auch, wie Peter Walle überzeugend ausführt,
wirklich die nothwendige Ergänzung zu der deutschen Aus-
stellung in Ehicago wäre.

Innerhalb der deutschen Stämme sind die Unterschiede groß
genug, um eine Befruchtung des einen vom anderen höchst segensreich
zu machen — segensreicher als eine Befruchtung vom Auslande,
weil die uns rassenfremde Bestandtheile zuführen würde, während
wir doch durch Festhalten am Nationalen am ehesten sogar auf
dem Weltmärkte eine Stellung gewinnen — siehe das perabsinken
japanischer Erzeugnisse, seit diese dein abendländischen Mode-
geschmack „Rechnung tragen" ! — Feststehn und im eigenen Lande
Umschau halten, ist das beste Rechnungtragen!

Daß die Industrie auf einer „nationalen Ausstellung" An-

massenproduktion selbst in die pand gewirthschaftet hat, indem
sie statt ruhiger Entwickelung ein fieberhaftes perumtasten nach
oberflächlich Neuem, statt nach wirkungsvoll Richtigem ge-
pflegt hat. Nor Allem aber muß dies auch das Publikum sehen
lernen, das Publikum in seiner grenzenlosen künstlerischen Uner-
zogenheit, das ja durch seine unglaubliche Urtheilslosigkeit alles
peillose in unserer Industrie selbst in erster Stelle verschuldet hat,
denn: wie die Nachfrage, so die U)aare!

Es ist klar, daß alle einigermaßen kaufkräftigen Elemente
eine große nationale Ausstellung im Perzen ihres Vaterlandes
besuchen würden; hier würden also Tausende wirklich, von einer
verständigen Presse geleitet, nicht nur Eindrücke, sondern auch
Lehren empfangen; die allgemeinen Ansprüche würden sich steigern
und die Nachfrage nach guten Erzeugnissen würde wieder gegen
die nach Scheinwaare ins Gleichgewicht kommen.

Daß somit wirklich eine Kultur- und eine wirtschaftliche

Abbildung Nummer Söy. «Llzcil-Ansicht eines gvtljischen Wolzn- und Speisezimmers. Lutw. u. ausg. v. m. Aimbel, Lreslciu.

regungen empfangen würde, ist sonach gar keine Frage. Ganz
besonderen Nachdruck aber möchte ich darauf legen, daß wir bei
einer nationalen Ausstellung auch an unseren Fehlern lernen
können. Bei dem ungeheuren Material einer Weltausstellung trifft
jeder Beschauer von selbst eine Auslese; er hat nur Zeit, sich
die besten Gegenstände anzusehen; überdies hatten wir in Ehicago
dem Nkinderwerthigen in kluger Weltausstellungspolitik gar keinen
Platz eingeräumt. Diese Politik wird aber falsch, sobald wir
„unter uns" sind. Gerade am Schlechten lernen wir, und es
wird daran wahrhaftig kein Mangel sein; die berüchtigte „Ber-
liner Möbel-Ausstellung" kann uns darin „zuversichtlich in die
Zukunft blicken lassen"! Aerger und Entrüstung helfen aber
sicherlich weiter als das bramsige Gefühl „wie wir's doch so
herrlich weit gebracht". Wir müssen uns unsere Schwären in
hellster Beleuchtung ansehen; die gute Industrie muß sehen, daß
sie von der Ramsch-, Plunder- und Talmifabrikation wie von
einer zehrenden Flechte überzogen wird, daß sie dieser Schund-

ideale Aufgabe in der Veranstaltung einer nationalen Ausstellung,
vorliegt, erscheint klargestelll. Es ist daher nicht abzuweisen, daß
dem Reiche die pfiliicht erwächst, das in richtige Bahnen zu
lenken, was als heilsam erkannt ist. Daß die Alltagsineinung
doch nicht ganz recht hat, wenn sie unter dem Druck trübseligen
Interessenpolitik das Wesen des Staates in der Ausheckung von
neuen Steuern erblickt, hat uns die staatlich organisirte Beschickung
der Ehicagoer Ausstellung bewiesen. Das Reich hatte also doch
noch Gedanken außerhalb der Sphäre von perrn Miquel! Sollen
aber diese Gedanken sich nicht in hohlen Thauvinismus verkehren,
soll der Sieg am Michigansee unserer Industrie, namentlich unseren
künstlerisch beeinflußten Kleinbetrieben zu Gute kommen,
so muß jetzt das Konzept zur „Reinschrift Lhicago" uns Deutschen
vorgelegt werden. Wir brauchen nicht, wie die Franzosen, den
hohlen Ruhmesspuck, aber wir brauchen eine klare Entwickelung,
ein klares Uebersehen aller Faktoren bei allen Interessirten,
Publikum wie Fabrikanten, damit wir lernen, was uns noth thuE
 
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