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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 5.1894

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Luthmer, Ferdinand: Der Tapzierer und seine verschiedenen Stile
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Seite 8H.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Juni-Heft.

zum Zierlichen und Natürlichen, indem sie neben den glatt fallenden
ausgeschnittenen Lambrequins aus schweren Stoffen bald auch
solche mit einer bescheidenen Aufnahme in Halten anwendet, die
sich namentlich den jetzt beliebt werdenden leichteren hellfarbigen
Stoffen gut anpaßt. Dieselbe Vorliebe für einen leichten, gefälligen
Haltenwurf, dem wir in den Ueberkleidern, „pLuiers", der Damen-
moden und den gefalteten Hauben begegnen, sehen wir auch in
den Vorhangköpsen dieser Zeit ausgesprochen. In der Anwen-
dung dieser Motive ist auch der Hantasie der heutigen Tapezierer
reicher Spielraum
gegeben; nur soll-
ten sie beachten,
daß dem Ixoriis-
<qriinxe-Stil alles
gewaltsam Ueber-
triebene gerade so
widerstrebt, wie
das allzu künstlich
Abgezirkelte, und
daß das einfach
Gefällige sein
Merkmal ist.

Weit mehr ent-
sprechen die kunst-
voll geschnittenen,
aus vielfachen Ge-
hängen, Röhren-
falten, Aufnah-
men und Ueber-
würfen zusam-
mengebauten Vor-
hangköpfe dem
Stil, der das Ro-
koko ablöste und
sich an die Regie-
rungszeit Ludwigs
des Sechzehnten
anknüpft. Die
überall erkennbare
Absicht dieser,
einen sehr ausge-
sprochenen Aa-
rakter tragenden
Runstweisewardie
Wiederaufnahme
des antiken,speziell
des alt-römischen
Stils. In der
Dekoration wie in
den Möbeln kehrt
man zu gradlini-
gen, strengen Hor-
men zurück; das
Starr-Gesetzmäßige spricht sich auch in der Tapezierarbeit aus.
Durch kunstvolle Schnittmuster selbstgeschaffene Schwierigkeiten zu
überwinden, wird jetzt der Stolz des Tapezierers. Der höchst
raffinirte, feingebildete Zug, der dieser Zeit eigen ist, spricht sich
dabei in den Hormen, wie in der Harbenwahl auch bei den De-
korationen dieser Zeit aufs Liebenswürdigste aus. Auch mit
weniger kostbaren Stoffen einen anmuthenden und vornehmen Ein-
druck hervorzubringen, ist ein Vorzug der Tapezierer vom Ende
des vorigen Jahrhunderts, in welchem sie verdienen unsere Lehr-
meister zu sein.

Dekorationen aus der Ixorris - seixe- und noch mehr der
ersten französischen Aaiserzeit sind es, die in (Originalen erhalten,

den modernen Tapezierern vielfach als Muster gedient haben.
Die Tradition der Schnittmuster aus dieser Zeit ist noch vielfach
lebendig und bildet zum Theil die Grundlage der heutigen Tapezier-
kunst. So manche Aunststücke, welchen wir heute begegnen, tragen
den Stempel ihrer Herkunft aus der „Empire-Zeit" unverkennbar
an sich. Denn die letztere machte einen sehr ausgiebigen Gebrauch
von allen Arten von Vorhängen, nicht allein an Henstern und
Thüren, Spiegeln, Betten und Alkoven, sondern auch bei der
Dekorirung der Wände. Die in Halten aufgehängten Vorhänge

von glattem Sei-
denstoff, oben mit
dünnen Hestons ab-
geschlossen, sind so
recht das Merk-
mal dieser Zeit.
Aber außer diesem
verständigen Deko-
rationsmotiv pro-
duzirte dieselbe
auch vielerlei Will-
kürlichkeiten; an-
gesichts der Mode-
journale jener Zeit
hat man oft den
Eindruck, daß in
der Stoffdekora-
tion der bizarrste
Einfall des größ-
ten Erfolges sicher
gewesen ist. Ge-
kreuzte Lanzen,
über und hinter
denen die hand-
tuchartigenHestons
geschlungen sind,
Hahnen, die sich
mit den Spitzen
kreuzen,segelartige
Motive, die nach
einer Seite gerefft
sind, Umschlag-
tücher mit herab-
hängenden
Zipfeln: Alles fin-
det in der Empire-
Dekoration seinen
Platz. — Rein
Wunder, daß die
moderne Tapezier-
kunst, welche durch
maßlose Aonkur-
renz ebenfalls zum
Haschen nach
Neuem gedrängt wird, mit Vorliebe bei dieser fruchtbaren Zeit
in die Schule geht. Nur sollte sie mehr, als es meist geschieht,
die historische Periode berücksichtigen, aus der sie ihre Vorbilder
nimmt, und nicht ohne Weiteres in einer Einrichtung, die Renaissance-
Aarakter zu tragen beansprucht, Empire-Motive einstreuen. Denn
leider sind wir einmal im Respekt vor den „Stilen" erzogen und
von der Hreiheit der Amerikaner auch nach dieser Richtung weit
entfernt. Dessenungeachtet werden wir es immer anzuerkennen
wissen, wenn ein begabter Dekoratör einmal diese Hesseln durch-
bricht, und mit gutem Geschmack etwas ganz Neues zu zeigen
weiß. Mag er sich dabei hülfe holen, wo er sie findet; nicht
am Letzten bei den Japanern, die uns in ihren aus hängenden,
 
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