Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 2.1920/​21

DOI Heft:
2. Septemberheft
DOI Artikel:
Rohde, Alfred: Der Proportionalzirkel des Hamburger Artillerieoffiziers Johann Otto Hasenbanck 1715
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.27814#0040

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Det? Pcopoctionabicket des liambucgec Aetillepieoffeiees

■Johann Otto Jiafenbanck. l?li

oon

Alfced Robdecjiambut’g

issenschaftliche Instrumente scheinen tote Objekte
^ * in dem Moment, wo sie lediglich für den Fach-
wissenschaftler, d. h. in diesem Falle für den Mathe-
matiker oder Physiker ein Interesse haben können. Sie
gewinnen erst, wenn sie einerseits durch eine reiche
künstlerische Ausführung in den Interessenbereich des
Kunstgewerblers treten, oder wenn sie durch die Ver-
bindung mit einer greifbaren Persönlichkeit oder einer
greifbaren Idee ein Stück Kulturgeschichte bedeuten.
Die süddeutschen Instrumentenmacher der Renaissance —
wissenschaftlich von Regiomontan ausgehend — haben
eine köstliche Fülle der reizendsten Sonnenuhren, Horo-
metern, Astrolabien, Wegmessern usw. hinterlassen, und
bestimmte Meister und Werkstätten sind uns überliefert:
Schissler, Schliep, Habermel u. a., andererseits: die un-
scheinbarsten Instrumente oft primitivster Art eines Galli-
lei, Tycho de Brahe und anderer, wenn auch oft ohne

-I—I SCif.y-?ay.'qumjf ysvtH/lnsofj |||||-|

Abb. 1

jeden künstlerischen Reiz lediglich zweckentsprechend
konstruiert, sind ein Stück Kulturgeschichte, wenn man
bedenkt, wie sie in den Händen der forschenden Denker
oft zum Zauberstab wurden.

Ein kleiner Proportionalzirkel des Museums für
Kunst und Gewerbe in Hamburg verbindet sich mit dem
Namen Johann Otto Hasenbanck und gewinnt einerseits
durch diese Verbindung andererseits dadurch Interesse,
daß er sich in den großen Ideenkreis der Nutzanwendung
mathematischer Errungenschaften eingliedert. Eine Be-
schreibung ist nicht ganz zu entbehren um wenigstens
oberflächlich den Zweck des Instrumentes zu umreißen;
ein vertieftes Eingehen auf alle Einzelheiten ist schon
deshalb nicht möglich, da es in das Gebiet der höheren
Mathematik hineinführen und dadurch über den Rahmen
dieses kulturgeschichtlichen Aufsatzes hinausgehen würde.

Der Proportionalzirkel trägt diesen Namen, weil er
ähnlich dem Greifzirkel aus zwei um einen festen Punkt
beweglichen Schenkeln besteht und hat den Zweck rein
mechanisch die vielseitigsten Rechenaufgaben zu lösen.
Auf jeder Seite ist er in sechs nach einem Punkt zielende
Linien eingeteilt. Auf der einen Seite (Abb. 1)J) haben
die einzelnen Linien folgende Bedeutung:

1) Zeichnungen von Hermann Haase-Hamburg.

2) Die eingeklammerten Stellen sind die Ergänzungen der
Abkürzungen.

1. Die (Linea)2) Reduc (endorum) Plano (rum) et
Corporum Regularis zeigt die Verwandlung des
Kreises, Drei- und Vierecks, der Kugel und der
fünf Regularkörper (Tetraeder, Octaeder, Cubus,
Icosaeder, Dodecaeder) in einander an.

2. Die (Linea) Tetrago (nica) verwandelt jede Regular-
figur (Dreieck etc. bis Zwanzigeck) bei gleichen
Seiten und Winkeln in andere, ebenso Kreise in
Eckfiguren und umgekehrt und endlich Irregular-
in Regularfiguren.

3. Die (Linea) Subten (sarum) Angul (orum Polygono-
rum) diente für Regularfiguren und deren Winkel-
berechnungen.

4. Die (Linea) Geometrica diente zur Vergrößerung
und Verkleinerung sowie Teilung und Vervielfältigung
von gleich- und ungleichförmigen Figuren der Ebene,
zur Erforschung von deren Inhalt und Proportion.

5. Die (Linea) Arithmeti (ca) war der „Ursprung aller
Linien“, sie war gleichmäßig eingeteilt und diente
zu allen Rechnungsarten (Addition, Subtraktion,
Multiplikation, Division) von Zahlen und Linien und
zur Aufstellung von Proportionen dieser Größen
untereinander.

6. Die (Linea) Inscriptio (nis) Corp (orum) Spha (erae)
gab die Einführung der fünf Regularkörper in eine
Kugel, sodaß die Körperecken die Kugelfläche be-
rühren.

7. Nicht auf den Mittelpunkt orientiert ist die Linea
Tangens, die zur Erforschung der Winkel bestimmt
und bis 65° aufgestellt ist. Die Rückseite des In-
struments (Abb. 2) zeigt:

8. Die Linea Fortificatoria. Sie sollte es ermöglichen,
ein Regular- oder Irregularwerk in der Befestigungs-
kunst anzufertigen.

9. Die (Linea) metalli (ca). Sie gibt die Schwere der
einzelnen Metalle zueinander an. Erwähnt sind
dabei: Stein (69), Zinn (zz), Eisen (d1), Erz-oder
Glockenspeise (6), Kupfer ( ), Silber ( ), Blei
(h), Quecksilber (S), Gold (O) errechnet. Diese
Linie war nicht durch bestimmte Tafeln wie alle
anderen, sondern erfahrungsgemäß durch das
Experiment hergestellt.

32
 
Annotationen