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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 2.1920/​21

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2. Januarheft
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Rosenhagen, Hans: Erinnerungen an Albert von Keller
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https://doi.org/10.11588/diglit.27814#0209

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Stnnnemrigeri an Albert von Keller

üon

Jians Roseti£)agen

Wie „Der Kunswanderer“ berichtet hat, wird der
künstlerische Nachlaß Albert von Kellers Mitte Februar
in der Galerie Helbing in München versteigert werden.
Wir wandten uns aus diesem Anlasse an Hans Rosen-
hasen in Berlin, dessen Keller-Monographie wohlbekannt
und geschätzt ist, mit der Bitte, uns über seine Erinne-
rungen an den verstorbenen Münchner Meister zu
schreiben. Rosenhagen sendet uns nun folgenden
Aufsatz:

[ jie persönliche Bekanntschaft Albert Kellers — das
„von“ vor seinem Namen erhielt er erst viele Jahre
später mit der Verleihung des Maximiliansordens — machte
ich Anfang Mai 1893 in Berlin. Er war von der

Münchner Sezession als Kommissar ihrer ersten Aus-
stellung nach der Reichshauptstadt entsendet worden und
erfüllte einen Wunsch des ersten Präsidenten dieser
Künstlervereinigung Bruno Piglhein als er mich, „den
besten Freund der Sezession“ sogleich nach seiner
Ankunft aufsuchte. Da er mich daheim nicht antraf,
hinterließ er eine Karte, auf der er mich bat, ihn am
nächsten Vormittag aus seinem Hotel, dem Kaiserhof
abzuholen, damit wir von dort zusammen in die noch
im Stande der Vorbereitung befindliche Ausstellung der
Münchner Sezession im Moabiter Glaspalast gehen
könnten. Als ich am folgenden Tage um 11 Uhr an die
Tür seines Zimmers klopfte, erschien Keller erst nach
längerer Pause etwas verstört, in flüchtig übergeworfener
Morgentoilette, um mich zu bitten, allein voranzugehen.
Er sei mit seiner Frau gekommen, und da sie beide am
Abend vorher in Gesellschaft gewesen und spät nach
Hause gekommen wären, hätten sie länger als beabsichtigt
geschlafen. Er würde mir schnellstens folgen. Ich fuhr
also allein nach Moabit und traf dort in den Sälen der
Sezession die Professoren Weisshaupt und Keller-
Reutlingen, die, hemdärmelig, fleißig beim Bilderhängen
waren. Sie zeigten mir, was sie gemacht hatten, warteten
aber, wie mir schien, mit einiger Ungeduld auf die
Ankunft Kellers, dem sie offenbar den besseren Hänge-
geschmack zutrauten. Und wirklich schon nach einer
halben Stunde, fand der Kommissar sich ein. Hatte
Keller vorher im Hotel einen etwas verwirrten und
abgespannten Eindruck gemacht, so erstaunte ich, jetzt
einen sehr sicher auftretenden, frisch wirkenden und
höchst elegant gekleideten Herrn vor mir zu sehen, der
seiner Unpünktlichkeit halber sich nochmals höflichst
entschuldigte und bat, mich ihm anzuschließen, da keine
Zeit zu verlieren sei und seine Frau ihn in zwei Stunden
zum Frühtsück abholen wolle. Weisshaupt und Keller-
Reutlingen wurden schleunigst herangerufen, Keller
kritisierte das Geleistete und verlangte Änderungen. Da
es an Arbeitern fehlte, griffen die beiden Maler selbst
zu, nahmen schon gehängte riesige Bilder wieder von
den Wänden, schleppten sie in andere Säle und trugen
sie auch von da wieder ohne Murren fort, wenn Keller
noch günstigere Plätze beim Umhergehen für sie ausfindig
gemacht hatte. Niemand würde die Drei für Kollegen

gehalten haben. Keller kommandierte mit einer etwas
nasal und hochmütig klingenden Stimme, wies mit seinem
goldbeknopften Stöckchen bald da, bald dorthin; die
beiden anderen folgten schwitzend und keuchend seinen
Anordnungen. Kein vertrauliches Wort fiel. Mich
berührte diese Art nicht sympathisch, und nachdem
Keller mir die Säle der Münchner gezeigt, verabschiedete
ich mich einstweilen von ihm, um die übrige Ausstellung
in Augenschein zu nehmen. Gegen zwei Uhr trafen wir
wieder zusammen, und nun hatte ich die Genugtuung zu
zu sehen, wie Keller kommandiert wurde, nämlich von
seiner Frau. Sie hatte im Garten der Ausstellung auf ihn
gewartet und belud, nachdem ich ihr vorgestellt worden
war, den Gatten sogleich mit einem halb Dutzend Klei-
nigkeiten, die sie mit sich geführt. Ohne sich darum zu
kümmern, wie er damit zurechtkam, schritt sie mit mir
dem damals neuerbauten Restaurant zu. Keller folgte
schweigend. Als er in unsere Nähe gelangt war, rief ihm
die in eine höchst geschmackvolle Pariser Toilette ge-
kleidete Gattin zu, er möge schnell vorangehen, einen Tisch
und ein möglichst anregendes Dejeuner bestellen. Sie
sei müde und der Erfrischung bedürftig. Irene Keller
war damals eine berückend schöne Frau mit ihrer
eleganten Figur, dem elfenbeinfarbenen, vornehm
geschnittenen Gesicht, den großen dunklen Augen und
dem nicht weniger dunklen Haar. Dazu klug und geist-
voll. Doch schien sie weder besonders glücklich, noch
recht gesund zu sein. Darüber konnte auch die lebhafte
Art, mit der sie sprach, und ihre Heiterkeit nicht
täuschen. In München hörte ich dann später, daß der
Spiritismus, dem das Ehepaar ergeben war, und in
weiterer Folge Morphium die Nerven der anmutigen
Frau zugrunde gerichtet hätten. So schwärmerisch
Keller nach dem Tode der Gattin über den einzigen Zauber
seiner „Nini“ in vertraulichen Gesprächen sich zu
äußern pflegte, glaube ich doch nicht, daß die Ehe sehr
harmonisch war. Dazu war der Künstler ein zu lebhafter
Verehrer des schönen Geschlechts und selbst ein zu
verwöhnter Liebling der Frauen. Und doch hatte er
seine Nini aus Liebe geheiratet und sie ihren Eltern
durch eine romantische Entführung sozusagen abgerungen.
Frau Keller war eine Tochter des von Ludwig 1.
geadelten Bankiers Eichthal und gehörte während ihres
ganzen Lehens zu den Zierden der Münchner
Gese'lschaft; aber auch in Paris, das sie ihrer Toiletten
wegen häufig aufsuchte, war sie als femme du monde
sehr beliebt.

Zu einer intimeren Annäherung bot diese erste Be-
gegnung keine Gelegenheit. Zwar suchte Keller mich
nach Eiöffnung der Ausstellung, über die ich in den
„Münchner Neuesten“ zu belichten hatte, nochmals auf,
um mir über seine Erlebnisse mit dem Kaiser, den er
durch die Münchner S le geführt, Mitteilung zu machen,
doch wurden wir auch jetzt nicht recht warm miteinander.

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