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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 2.1920/​21

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2. Dezemberheft
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Dammann, Walter Heinrich: Altägyptische Amulette
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https://doi.org/10.11588/diglit.27814#0168

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die Rede sein wird, gehört hierher, und manches andere.
Daß Schikaneders Freimaurerdichtung „die Zauberflöte“
durch die Anrufung von Isis und Osiris ägyptische Ein-
kleidung erhielt, ist sinnreicher, als man zunächst denken
möchte. Auch Bauteile kommen als Amulette vor. Außer
der schon genannten Treppe etwa noch die Tempel-
front, der Obelisk, die Pflanzensäule und,
wichtiger als alle, der D e d - p f e i 1 e r : ein Pfahl mit
einem Kapitell von 4 Platten übereinander, als Schrift-
zeichen von der Bedeutung „Beständigkeit, Dauer“, wo-
her die heutige Handelsbezeichnung „Tet-Packung“ ge-
nommen ist. Über den Sinn dieses Pfeilers ist viel
gestritten worden. Man erklärte ihn als einen aus der
frühesten Vorzeit übriggebliebenen Holzfetisch, als einen
Nilpegel u. a. In späterer Zeit wurde er eng mit der
Osirissage verknüpft. In der Osirisstadt Deda (Busiris)
im Delta gab es ein großes Kultbild von der Form des
Dedpfeilers, dessen Aufrichtung alljährlich mit großem
Aufwand gefeiert wurde. Aber auch hier war sein
Sinn strittig. Die ägyptische Exegese des Toten-

buches sah im Dedpfeiler das Rückgrat des zer-
stückelten Osirisleichnams, dessen Zusammensetzung
und Wiederbelebung ja das große Todesmysterium der
Ägypter war.

Der Ersatzsinn der Amulette erklärt ohne weiteres
das häufige Vorkommen von Körperteilen. Legte man
doch in die Grabkammern der Vornehmen für alle Fälle
gleich mehrere Ersatzköpfe mit hinein. Das häufigste
Amulett — neben dem Skarabaeus — ist das Auge,
uzzat, das mitsamt der Braue und der Schminkunter-
streichung dargestellt wurde, in allen Größen und Aus-
führungen, einzeln, paarweise und in Vielzahlgruppen.
Die Deutungen, die dies Amulett schon bei den alten
Ägyptern gefunden hat, sind überaus zahlreich und viel-
seitig; daher wohl auch die Häufigkeit seiner Anwendung.

Daß dem Auge Abwehrkraft gegen den „bösen Blick“
innewohnt, ist ein fast bei allen Völkern der Erde ver-
breiteter, übrigens naheliegender Gedanke, den man auch
den Ägyptern unterstellen kann, selbst wenn er sich
nicht ausdrücklich belegen läßt. Ferner: das Wort uzzat
bedeutet gleichzeitig: gesundsein, sich Wohlbefinden;

Benutzung solcher Gleichnamigkeiten ist dem Ägypter
von seiner Schrift her sehr geläufig. Und eine ganze
Fülle von Deutungen ergibt sich, wenn man die Zu-
sammengehörigkeit von Auge und Sonne berücksichtigt
und die Bedeutung der Sonne im altägyptischen Glaubens-
gebäude. Die ursprünglichste und wichtigste bleibt aber
die Ersatzkraft des Amulettes, auf die im Lande der
endemischen Augenkrankheiten gewiß viel ankam. Ähn-
lich steht es mit Armen und Beinen, mit Händen, Fingern,
Fäusten, Geschlechtsteilen, wobei zu beachten ist, daß
diese letzte Gruppe auch für die Abwehrung des bösen
Blicks und für anderen Zauber, z. B. für die Beschleuni-
gung des Felderwachstums, in Betracht kommt. Ohren
mögen auch im tieferem Sinne, als Werkzeuge zum
Hören und Vernehmen göttlicher Geheimnisse verstanden
sein; und Herzen haben neben ihrer Ersatzgeltung
etwa die Bedeutung gehabt, die auch bei uns herzförmige
Schmuckstücke, namentlich bei Frauen und Mädchen der
weniger gebildeten Stände, so beliebt macht. — Unter
den Amuletten, die sich auf die großen Welterscheinungen
beziehen, sind vor allem die Sonnenamulette zu nennen:
die Sonnenscheibe selbst, die zwischen zwei
Bergen aufgehende Sonne und die Sonne auf einer
N i 1 ba r k e.

Wenn unter den Amuletten Tiere erscheinen, so ist
damit fast immer die unmittelbare Anrufung einer Gott-
heit gegeben; von ägyptischen Gottheiten und ihren
künstlerischen Kleindarstellungen zu handeln, erfordert
eine eigene Betrachtung.
 
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