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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 2.1920/​21

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1. Märzheft
DOI Artikel:
Falke, Otto von: Das Berliner Schloßmuseum
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https://doi.org/10.11588/diglit.27814#0274

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probt worden. Es läßt sich manches Vernünftige dagegen,
aber doch viel mehr und durchschlagendes dafür ins
Feld führen, vorausgesetzt, daß dabei nicht alle Museen
über einen Kamm geschoren werden sollen. Notwendig
erscheint, nach einer langen Periode erfolgreichen
Sammelns und Ordnens auf wissenschaftlicher Grundlage,
das Herausstellen von übersichtlichen Schausammlungen
für diejenigen Museen, die bereits mit sehr großen Be-
ständen von zahlreichen und vorwiegend kleinen Gegen-
ständen zu rechnen haben. Das trifft bei uns neben den
museal verwilderten ethnographischen Sammlungen zu-
nächst auch das Kunstgewerbemuseum. Bei der Ein-
richtung des Schloßmuseums war nicht nur eine unver-
gleichlich günstige Gelegenheit zur Scheidung von Schau-
und Studiensammlungen gegeben, sondern geradezu ein
Zwang, da die Prachträume des Schlosses unmöglich in
der üblichen museumsmäßigen Dichtigkeit mit Sammlungs-
gegenständen besetzt werden können, ohne in ihrer
Raumwirkung geschädigt zu werden.

Daß bei der Neuordnung, die der begrenzten Auf-
nahmefähigkeit der Besucher rücksichtsvoll entgegenkommt,
mit den Nachteilen des alten Aufstellungsystems auch
einige recht wesentliche Vorzüge, wie die klare Dar-
stellung der stilgeschichtlichen Entwicklung verschwinden,
muß mit in den Kauf genommen werden, ebenso die
Tatsache, daß heutzutage auch die Schausammlungen
nicht auf den ersten Hieb schon so ausgestaltet werden
können, wie man möchte. Bei den gegenwärtigen wirt-
schaftlichen Zuständen ist es vollkommen ausgeschlossen,
neue Ausstellungsschränke zu beschaffen,die sich stilistisch
in die Barockpracht Schlüters ohne Störung einfügen,
oder Stoffbespannungen in den Vitrinen, die jedem Raum
angemessen wirken. Vitrinen sind überhaupt ein unver-
meidliches Museumsübel und sie werden um so störender,
je weniger die Räume für solchen Inhalt von vornherein
gedacht waren. Für das Schloß sind die schwarzen, an
sich ganz anständigen Glasschränke des Kunstgewerbe-
museums offenbar nicht das richtige; sie stammen aus
einer Zeit, die es für richtig hielt, in Museen durch
düstere Tapeten und Plafonds eine stimmungsvolle
Schummrigkeit zu erzielen, obwohl man dabei von den
ausgestellten Kunstsachen während des ganzen Winter-
semesters nur sehr wenig sehen konnte. Sie müssen
indessen wohl oder übel weiter verwendet werden.

Mir wiegt dieser Schönheitsfehler leichter, als der
durch die Schloßräume erzwungene Verzicht auf eine der
stilgeschichtlichen Entwicklung folgende Aufstellung der
Sammlungen. Über die Frage, in welcher Reihenfolge
die Kunstsachen in diese oder jene Räume eingeordnet
werden müssen, hat im Schloßmuseum weniger der
Direktor zu bestimmen, als vielmehr die Architekten
Schlüter, Eosander, Gontard und Erdmannsdorf, die nicht
mehr mit sich reden lassen. Daher beginnt nach Maß-
gabe der Innendekoration im Erdgeschoß nächst dem
Eingang, wo man das Mittelalter haben möchte, das
Museum mit den Spätstilen des 18. Jahrhunderts. Denn
die zwei Haupträume in diesem unter dem Weißen Saal
gelegenen Trakt sind mit wundervollen Beauvaisteppichen
von Boucher bespannt, die unweigerlich die französischen

Möbel, Bronzen und Fayencen des Louis XV. und Louis XVI.
und das Porzellan von Sevres an sich ziehen. Zwei
Zimmer mit dem deutschen und niederländischen Rokoko
runden diese Gruppe ab. Danach erst folgt das romanische
und gotische Mittelalter in kleinen Zimmern, die sich
durch ihre schlichte Ausstattung für diesen Inhalt em-
pfahlen. Im Anschluß daran die rheinische und nieder-
ländische Renaissance mit dem rheinischen Steinzeug,
deutschen und niederländischen Bildern und Bild-
teppichen aus der dem Mobiliar entsprechenden Stilperiode.

Im Mittelgeschoß hat wieder eine durch zwei Säle
gehende Folge von französischen Gobelins das französische
Kunstgewerbe der Renaissance und des Barock um sich
gesammelt. In die lange Flucht der sog. Königskammern,
d.is heißt der von Gontard und Erdmannsdorf für
Friedrich Wilhelm II. in den Formen der späten Louis XVI.
und des beginnenden Klassizismus eingerichteten Wohnung
an der Lustgartenfront, sind der noch vorhandenen Ein-
richtung einige Möbel von David Roentgen und solche
des Berliner Klassizismus zugefügt worden. Im übrigen
ist die Mehrzahl dieser Wohnräume, darunter der mit
Wandmalereien geschmückte Speisesaal, der Thronsaal,
der Konzertsaal im wesentlichen unverändert belassen
worden. Nur drei Wohnzimmer sind museumsmäßiger
behandelt, indem darin die Sammlung des Berliner
Porzellans verteilt wurde; der ausgesprochen neuklassische
Säulensaal hat eine Auswahl der Eisenstatuetten und
Geräte aus der Berliner Eisengießerei aufgenommen. Auch
der anstoßende Parolesaal, dessen farbige Marmorwände
durch Stuckreliefs von Schadow belebt und gegliedert
waren, ist der Skulptur gewidmet; er enthält, außer einer
Sammlung von Sevresstatuetten, Schadows Marmorgruppe
der Prinzessinnen Luise und Friederike, seine Büste
Friedrich Wilhelms II. und die Kleinplastik, die nach
Schadows Modellen in der Berliner Porzellanmanufaktur
ausgeführt wurde.

Das 2 Stockwerk betritt der Besucher durch den von
Ihne nach 1892 neu erbauten weißen Saal, dessen monu-
mentale Architektur eine Besetzung mit kleinen Kunst-
gegenständen kaum zuläßt. Erst in dem nördlichen End-
stück der mit Pariser Gobelins bespannten Galerie des
weißen Saales setzt die Museumssammlung mit den
Emailmalereien des 16. Jahrhunderts wieder ein. Im
westlichen Ausbau der langen Eosanderschen Galerie
steht der Pommersche Kunstschrank, ein Hauptstück der
ehemaligen Kunstkammer, mit seinem reichen Inhalt an
Silbergeräten. Man kann schon an dieser Stelle beobachten,
daß die üppige, mit überreicher Vergoldung, großen
Deckengemälden, Stuckplastik und Seidentapeten prun-
kende Barockarchitektur der Paraderäume den zumeist
viel bescheideneren Kunstgegenständen nicht schlecht
bekommt. Sie werden nicht erdrückt, sondern eher ge-
hoben und gewinnen in dem vielfältigen Glanz der Um-
gebung neues Leben. Die große Galerie ist erst vor
wenigen Jahren zur Aufnahme der sechs Mercierteppiche
mit Bildern aus der Geschichte des Großen Kurfürsten
mit bester Wirkung erneuert worden. Es war nicht an-
gängig, diesen tadellos belichteten Prachtraum von 60 m
Länge für die Sammlung ungenützt zu lassen. Um ihn

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